Chemieunfall

Nach Unfall im Mannheimer Hafen: Experte spricht über Containergeschäft

Container müssen bestimmte Eigenschaften erfüllen und auch bei Hitze beständig sein. Im Mannheimer Hafen hat die chemische Reaktion des Hydrosulfits der BASF die Seitenwände des Containers ausgebeult

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Vanessa Schmidt
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Beim Transport von Gütern geht es oft um Schnelligkeit, auch im Mannheimer Mülhauhafen werden täglich unterschiedliche Waren verschifft und gelagert. © Bernhard Zinke

Mannheim. Noch immer ist der Container, der im Mannheimer Hafen am Dienstag einen Großeinsatz auslöste, zu heiß, um ihn zu öffnen. Bilder vom Einsatzort zeigen ausgebeulte Seitenwände. Bei rund 22 Tonnen Hydrosulfit wird eine große Menge Energie im Inneren freigesetzt. Kräfte, die dem Stahl-Material viel abfordern.

Auf der Webseite Containerhandbuch.de, die von dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft betrieben wird, sind unter anderem Anforderungen an die Stahlbehältnisse formuliert: Von „containerfähig“ ist die Rede. Die Waren und Container müssen bestimmte Eigenschaften aufweisen, dass sie einen Transport schadenfrei überstehen - auch wenn sie Feuchtigkeit oder Hitze ausgesetzt seien.

Was bedeutet es nun, wenn auf dem Sicherheitsblatt für die im Mannheimer Hafen gelagerte Substanz Hydrosulfit Folgendes vermerkt ist? „Behälter dicht verschlossen an einem kühlen, trockenen, gut belüfteten Ort aufbewahren. Vor Feuchtigkeit, Hitze- und Zündquellen schützen.“ Beträgt die Außentemperatur knapp 33 Grad Celsius wie am Dienstag, sei die Temperatur im Inneren des Containers ungefähr 20 Grad Celsius heißer, heißt es auf der Webseite des Verbands. Abhilfe können Kühlcontainer schaffen, die auf bis zu minus 27 Grad Celsius heruntergekühlt werden könnten.

Beispiel Grillkohle

Wie Contargo-Geschäftsführer Marco Speksnijder auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt, hat die BASF das zwischengelagerte Hydrosulfit nicht in Kühlcontainern transportiert, sondern Standardboxen verwendet. „Bisher wurde die Substanz immer so problemlos verschifft“, so Speksnijder. Der Mainzer Chemie-Professor Till Opatz erklärt, dass sich Hydrosulfit bei einer Temperatur von 150 Grad Celsius selbst entzünden könne. Reagiere die Substanz aber mit Sauerstoff oder Feuchtigkeit, folge ebenfalls eine thermische Reaktion.

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Wie geht es mit dem Unfall-Container im Mannheimer Hafen weiter?

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Dass es im Inneren des BASF-Containers sehr heiß ist, hänge offenbar auch mit der großen Menge zusammen. Der Chemiker erklärt das an einem einfachen Beispiel: „Grillkohle wird eng zusammengeschoben, damit ordentlich Hitze entsteht. Bei Hydrosulfit will man das nicht, denn in gestauchter Form entsteht ein Hitzestau. Nur wenig Wärme kann über die Oberfläche abgegeben werden.“

Ob ein Kühlcontainer gewählt wurde, um Hitze im Ernstfall einzudämmen, dazu macht die BASF wiederum keine Angaben. „Denn derzeit wird die genaue Ursache von der Stadt Mannheim ermittelt“, teilt eine BASF-Sprecherin mit.

Dabei ist die Wahl des Containertyps für den Transport der Ware nicht unerheblich. „Wo ein Container in einem Hafen steht, kann man nicht beeinflussen. Ist eine Ware hitzeempfindlich oder gar ein Gefahrstoff, würde ich lieber einen Kühlcontainer wählen“, erklärt ein Experte, der auch als Offizier zur See gefahren ist. Er möchte namentlich nicht genannt werden. Er betont, dass bei der Verladung von Gefahrgut an einem Hafen ohnehin ausgebildete Fachkräfte gefragt sind - dies sei an Regularien geknüpft.

Nur oberflächliche Kontrollen

Diese würden die Vertragsbedingungen für Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer festschreiben: Der Absender informiere über die Art, Beschaffenheit, Gewicht und Menge der Ware. Bei Gefahrgut müsse zudem die Klasse des Gefahrstoffs und die dafür erforderliche Schutzausrüstung angegeben werden.

Dass dieses Regelwerk in der Praxis nicht immer Anwendung findet, habe der Offizier selbst erlebt. „Auf das Terminal kommt keiner drauf. Die Ladung wird nur augenscheinlich kontrolliert.“ Gesetzlich geregelt, muss die Betriebssicherheit der Fracht bei Verladung sichergestellt - und in einem Begleitpapier schriftlich festgehalten werden. „Im Containergeschäft ist Zeit Geld. Alle Boxen werden gleich gestapelt. Da wird gnadenlos optimiert. Container werden wie Container behandelt.“

Wünscht ein Absender eine zusätzliche Sicherung der Ware, können Datenlogger zum Einsatz kommen, die etwa als Sensoren befestigt würden. Diese könnten beispielsweise bei der Überschreitung eines Grenzwerts, etwa einer zu hohen Temperatur im Inneren der Box, eine Alarmmeldung senden. Vor allem für Gefahrgüter seien solche Sicherheitsvorkehrungen sinnvoll, meint der Experte. „Und trotzdem stehen manchmal Stoffe zusammen, die nicht zusammen stehen sollten.“

Um dies zu vermeiden, gibt es in der Schifffahrt den sogenannten IMDG-Code. Diese Kennung weist als Beförderungsvorschrift gefährliche Güter im Seeschiffsverkehr aus. Laut Speksnijder habe der Container der BASF ein Label getragen. Beim Eintreffen des Containers im Mannheimer Hafen seien augenscheinlich keine Auffälligkeiten am Behältnis aufgefallen, so Speksnijder. Über die Inhalte der Container sei der Hafen stets informiert, heißt es weiter.

„Wir haben den Überblick, was in jedem Container drinnen ist“, betont Speksnijder. Unterschieden werden muss dabei zwischen dem Umschlag und dem Lagern. Beim Lagern wird die Transportkette unterbrochen, beim Umschlag wird die Ware entladen, verteilt und fließt wieder in die Transportkette ein.

Substanz darf nicht ins Lager

Die Lagerfläche im Mannheimer Hafen ist laut Angaben des zuständigen Unternehmens Contargo von einer Betonmauer umgrenzt. Dort gibt es bestimmte Flächen, auf denen Gefahrstoffe gelagert werden. „Ein System ermittelt, wo Gefahrgut zusammengelagert werden darf und wo nicht“, so der Geschäftsführer. Auch für den Bereich des Umschlags gibt es einen gesonderten Bereich. „Den betroffenen Container dürfen wir bei uns umschlagen, aber nicht lagern“, betont Speksnijder.

Ein volles Lager vermutet der Offizier im Mannheimer Hafen indes nicht. „Der Containertransport ist gerade sehr teuer, und es gibt wenige Container, die überhaupt verfügbar sind.“ Überlege ein Absender dann auch noch, spezialisierte Container einzusetzen, wird es teuer.

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