Krieg in der Ukraine

Mannheims Partnerstadt Czernowitz hofft auf die Buga - und Fußball

Ohne Strom und Wasser! Mannheims ukrainische Partnerstadt Czernowitz bereitet sich auf einen harten Winter vor - hat aber große Pläne für 2023. Auch Fußball und die Mannheimer Buga spielen eine Rolle

Von 
Sebastian Koch
Lesedauer: 
Im Rathaus von Czernowitz muss die Verwaltung der Stadt seit Beginn des Krieges die Versorgung von mindestens 50 000 Geflüchteten koordinieren. © Stadt Mannheim

Mannheim. Die Situation ist angespannt, die Hilfen aus Mannheim aber kommen an. Menschen in Czernowitz blickten hoffnungsvoll auf 2023, in dem sich die ukrainische Stadt auch an der Bundesgartenschau (Buga) beteiligen will. Ja, man träumt sogar von einem Fußballspiel gegen die deutsche Partnerstadt. „Das zeigt, dass die Menschen auch an andere Dinge als an Krieg denken können und Hoffnung haben“, sagt David Linse. Zusammen mit Fabian Burstein, der das Kulturprogramm der Buga verantwortet, hat sich Linse rund zwei Tage in Czernowitz aufgehalten.

Beide hätten sich unter anderem mit Künstlern oder der Leiterin des dortigen Kulturamtes getroffen, um über die Beteiligung an der Buga zu sprechen. Ein Besuch rein auf der Arbeitsebene - und deshalb ohne politische Repräsentanz - sei das gewesen, erklärt Linse, der den städtischen Fachbereich Internationales leitet.

Situation in Czernowitz: viele Stunden ohne Strom

Im Sommer hatte es, wie berichtet, Diskussionen um einen politischen Besuch gegeben. Nachdem sich im Ältestenrat des Gemeinderats auch wegen der Reisewarnung des Auswärtigen Amts keine Mehrheit für einen Delegationsbesuch gefunden hatte, waren Pläne wieder verworfen worden. Grünen-Stadtrat Markus Sprengler hatte daraufhin trotzdem mit einer privat organisierten Reisegruppe die Ukraine besucht, sein Kollege Chris Rihm musste krankheitsbedingt absagen.

Andere Fraktionen hatten die Pläne teilweise scharf kritisiert. Unter anderem hielten sie es für fraglich, ob eine Reise zweier Stadträte mit politischen Gesprächen als privat gelten könne. Sprengler erklärte nach seiner Rückkehr hingegen, es sei „richtig und wichtig“ gewesen, sich ein Bild vor Ort zu machen.

In Czernowitz erlebten Linse und Burstein, die keine Mitglieder des Gemeinderats sind, nun das, was in allen Teilen der Ukraine derzeit „die Menschen extrem einschränkt“: Über viele Stunden am Tag habe es keinen Strom gegeben. „Die Straßen sind auch nachts vollkommen dunkel und Menschen gehen mit Taschenlampen aus dem Haus“, schildert Linse. In dieser Woche seien sechs vom Bund finanzierte Stromgeneratoren in Mannheim angekommen, „die wir jetzt nach Czernowitz bringen“.

Indes teilt die Verwaltung der Stadt Czernowitz auf Anfrage des „Mannheimer Morgen“ mit, dass man sich, wie das ganze Land, auf einen „schwierigen Winter“ mit Blackouts vorbereite. „Kein Strom bedeutet, dass es kein warmes Wasser und keine Heizung gibt.“

50 000 Geflüchtete in Czernowitz 

Im April hatte der Mannheimer Gemeinderat einstimmig insgesamt eine Million Euro an Hilfsgeldern für Czernowitz sowie die Partnerstädte Chisinau (Moldau) und Bydgoszcz (Polen), die besonders viele Geflüchtete beherbergen, beschlossen. Allein Bydgoszcz hatte Mannheim zuletzt mehr als 250 000 Euro zur Verfügung gestellt, um Schulhäuser für geflüchtete Kinder auszustatten Zahlreiche Hilfstransporte, vor allem nach Czernowitz, sind außerdem organisiert worden. Ausgeschöpft sei das Budget noch nicht. Man sei damit „sparsam“ und „sorgsam“ umgegangen, versichert Linse. Viele Maßnahmen bekäme die Stadt über den Bund finanziert, zuletzt etwa Kleiderspenden für Chisinau oder Heizöfen für Czernowitz.

Zudem hätten den Verein „Mannheim hilft ohne Grenzen“ Spendengelder von mehr als 400 000 Euro erreicht, mit denen „der überwiegende Teil der Hilfsgüter für Flüchtende“ bezahlt worden sei. Unterm Strich sei bislang knapp die Hälfte des bereitgestellten Budgets ausgegeben worden.

Mehr zum Thema

Kommentar Mannheim geht mit seinen Partnerstädten zusammen durch die Ukraine-Krise

Veröffentlicht
Kommentar von
Sebastian Koch
Mehr erfahren
Krieg in der Ukraine

Mannheim unterstützt Partnerstädte Bydgoszcz und Czernowitz

Veröffentlicht
Von
Sebastian Koch
Mehr erfahren

Czernowitz gilt als eine Hochburg der Binnenflucht. Knapp 50 000 Geflüchtete seien in der Stadt registriert, in der vor dem Krieg etwa 260 000 Menschen lebten, teilt die Czernowitzer Verwaltung mit. Linse vermutet, dass in der gesamten Oblast (übersetzt etwa: Region) bis zu 100 000 Geflüchtete lebten.

Aktive Kampfhandlungen in Czernowitz gibt es nach wie vor nicht. „Man kann sich in der Stadt im Moment sicher aufhalten“, sagt Linse, der aber einen Luftalarm erlebt habe. „Das kommt häufiger vor.“ Die Stadt Czernowitz teilt mit, Luftalarm gebe es „mehr oder weniger täglich und mehrmals pro Tag und Nacht“. Man wisse nie, „in welche Stadt die Rakete fliegt und welches Ziel Russland angreift“. Der Betrieb in Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen verlaufe den Umständen entsprechend „normal“, heißt es. „Kinder müssen bei Alarm im Schutzkeller lernen.“

Czernowitz will sich an Buga beteiligen

Linse berichtet von „sehr einfachen“, teilweise „bescheidenen“ Einrichtungen, in denen Geflüchtete untergebracht werden müssten. „Czernowitz steht vor einer großen Herausforderung, die sehr gut organisiert wird.“ Statt zu jammern, gebe es Hilfsbereitschaft und Optimismus. „Hilfen, die auch aus Mannheim geleistet werden, sind aber unbedingt erforderlich.“

Die Bereitschaft, sich an der Buga zu beteiligen, sei groß, sagt Linse. Man habe unter anderem vereinbart, dass die Kulturamtsleiterin zusammen mit mehreren Institutionen die Beiträge ihrer Heimatstadt in den kommenden Monaten erarbeite. „Die Mannheimerinnen und Mannheimer können sich auf das Programm freuen“, verspricht Linse.

Ob die Menschen in Czernowitz derzeit keine anderen Sorgen hätten als die Buga? „Alle haben den Wunsch geäußert, dass sie auch von ihrer Seite aus bei der Partnerschaft mit Mannheim nach vorne denken und sich deshalb an der Buga beteiligen wollen“, sagt Linse. Zum Pflegen der Partnerschaft gehört auch, dass sich Bukowina Czernowitz aus der zweiten Fußballliga ein Freundschaftsspiel wünsche. „Wir haben mitgenommen, dass die Menschen ihren Blick auf die Zeit richten, wenn der Krieg hoffentlich bald vorbei sein wird, und sie sich auf vielen Wegen für die Solidarität bedanken wollen, die sie durch Mannheimerinnen und Mannheimer erleben.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen