Politik - Stadträtinnen und Stadträte betonen nach Klima-Analyse Handlungsbedarf – sehen aber gleichzeitig auch große Bedarfe bei den Themen Wohnen und Wirtschaft

Mannheims künftiges Klima: „Venedig-Vergleich zu verharmlosend“

Von 
Timo Schmidhuber
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In 80 Jahren könnte Mannheim die Jahrestemperatur von Venedig (Bild) haben – aber trotzdem kein Meer. © Annette Reuther/dpa

Mannheim. Wenn beim Klimaschutz nichts passiert, hat Mannheim in 80 Jahren die durchschnittliche Jahrestemperatur von Venedig. So steht es – wie berichtet – in der neuen Klima-Analyse für die Stadt. Aus Sicht von Dennis Ulas, dem Vorsitzenden der Fraktion LI.PAR.Tie, ist dieser Vergleich allerdings zu „verharmlosend“, wie er in der Debatte im Gemeinderats-Ausschuss für Umwelt und Technik betonte. „Wer Venedig hört, der denkt an Küste, Meer und kühlen Seewind, der da abends kommt“, sagte Ulas. „Aber Mannheim liegt eben nicht am Mittelmeer, sondern im Oberrheingraben. Dort gibt es nachts keinen kühlen Seewind, stattdessen staut sich die Hitze.“ Deshalb müsse man die Studie erneut zum Anlass nehmen, für mehr Grün und weniger Versiegelung von Böden zu sorgen. „Der Flächenfraß muss reduziert werden.“

„Jedes Projekt für sich“

Die jetzt vorgelegte Klima-Analyse geht davon aus, dass die Jahresmitteltemperatur in Mannheim bis 2050 im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 um bis zu 2 Grad auf etwa 11,9 Grad Celsius steigt – das entspreche der aktuellen durchschnittlichen Jahrestemperatur der französischen Stadt Lyon. Bis 2100 wird mit einer Zunahme um bis zu 3,9 Grad auf rund 14 Grad Celsius gerechnet – was dann dem Temperaturschnitt von Venedig entspräche. Die Modellrechnung beruht allerdings auf der Annahme, dass beim Klimaschutz alles so weiter läuft wie bislang und keine Anstrengungen etwa zur Einsparung von CO2 vorgenommen werden. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich. Auf Grundlage von Ist-Zustand und Prognose bis 2050 teilt die Analyse die Siedlungs- und Verkehrsflächen entsprechend ihrer Wärmebelastung in fünf Stufen ein – von „sehr ungünstig“ bis „sehr günstig“.

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Die Studie soll die Grundlage bilden für die künftige Stadtplanung – so beschloss es der Ausschuss in seiner Sitzung einstimmig. Die Analyse biete eine wichtige Grundlage, könne aber nur eines von mehreren Kriterien sein – das konnte man nach der rund 50-minütigen Debatte durchaus als Konsens bezeichnen. Baudezernent Ralf Eisenhauer (SPD) hatte darauf schon zu Beginn der Diskussion hingewiesen. Die Konsequenz könne nicht sein, dass auf den in puncto Wärmebelastung als „sehr ungünstig“ bewerteten Flächen kein Bauen mehr möglich sein dürfe, so der Bürgermeister. „Die Herausforderungen sind differenzierter. Wir müssen jedes Projekt für sich betrachten, mit der Klima-Analyse als Grundlage.“

Christopher Probst (Freie Wähler/Mannheimer Liste) dagegen sieht in der Studie durchaus eine größere Verbindlichkeit. Mit dem Beschluss für drei neue Uni-Gebäude im Friedrichspark habe die Politik – bei Gegenstimme der ML – jüngst gegen die Empfehlungen der jetzt vorgelegten Klima-Analyse verstoßen. „Das sollte in Zukunft nicht passieren.“

Und Gabriele Baier (Grüne) wies darauf hin, dass auch die von ihrer Fraktion abgelehnte Wohnbebauung auf der Otto-Bauder-Anlage in Seckenheim nicht zu den Erkenntnissen der Studie passe. Da müsse man nochmal „nachschärfen“ und die Klimaschutz-Aspekte stärker in die Bebauung einbringen.

SPD pocht auf Platz-Entsiegelung

Die Entsiegelung von gepflasterten Plätzen in den Wohnvierteln der Stadt hat sich die SPD zum Ziel gesetzt. Der Ortsverein Neckarau pocht daher nun auf eine konkrete Verbesserung des Platzes an der Angelstraße/Neckarauer Straße.

Hier, so habe eine Prüfung durch die Stadt ergeben, könnten Bäume gepflanzt werden. Vorsitzende Sabine Leber-Hoischen: „Wir erwarten jetzt die Finanzierung dieser wichtigen Maßnahme, um die angespannte klimatische Lage zum Wohle der Bürger zu verbessern.“

Reinhold Götz (SPD) lobte die mehr als 400 Seiten starke Datengrundlage. Er betonte aber, dass Stadtentwicklung immer auch „ein Abwägungsprozess“ sei. Beim Beispiel Friedrichspark sei es eben auch um die Entwicklung des Uni-Standorts gegangen, statt ursprünglich fünf geplanten Gebäuden seien es jetzt drei. Mannheim werde – auch das ergäben jüngste Erhebungen – bis 2040 um rund 18 000 Menschen wachsen. „Da müssen wir Wohnraum schaffen, das geht nicht nur durch Verdichtung“, sagte Götz. Er wies außerdem darauf hin, dass Mannheim bereits in der Vergangenheit vieles berücksichtigt habe, was die Klima-Analyse verlange. Als Beispiel nannte er das grüne Gewerbegebiet auf dem Gelände der früheren Taylor-Kaserne auf der Vogel-stang. „Da haben wir einen Grünanteil von mehr als 25 Prozent.“

Flächenbedarf angemeldet

Volker Beisel (FDP/Mittelstand für Mannheim) betonte, dass neben den zusätzlich benötigten Wohnungen auch die Wirtschaft einen Flächenbedarf von 120 Hektar angemeldet habe. „Uns muss die Quadratur des Kreises gelingen. Wir werden Kompromisse eingehen müssen, so wie beim Friedrichspark.“ Beisel sprach sich dafür aus, auch im Kleinen mehr Grün zu verwenden – bei Parkplätzen zum Beispiel müsste man seiner Ansicht nach mehr mit Rasengittersteinen arbeiten als mit Asphalt. Auch Rüdiger Ernst (AfD) wies auf die Schwierigkeit hin, die Themen Klima, Wohnen und Wirtschaft unter einen Hut zu bringen. „Wir werden von Projekt zu Projekt überlegen müssen, was man verantworten kann.“

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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