Erderwärmung - Blick in die Zukunft des Stadtklimas

Mannheim droht Klima wie in Venedig

Von 
Timo Schmidhuber
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Mannheim. Im Jahr 2100 wird die durchschnittliche Jahrestemperatur in Mannheim ungefähr so hoch sein wie aktuell die in Venedig. Das ist die zentrale Botschaft der neuen Stadtklima-Analyse, die an diesem Donnerstag Thema im Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik ist. Die Stadträte sollen beschließen, dass die mehr als 400 Seiten umfassende Untersuchung zur Planungsgrundlage „für alle klimaökologischen Stellungnahmen und planerischen Prozesse“ verwendet wird, wie es in der Beschlussvorlage heißt. Wir stellen die wichtigsten Ergebnisse der Studie vor, die auch viel Aufschluss gibt über die aktuellen klimatischen Bedingungen in der Stadt.

Wärmere Zukunft

Das greifbarste Ergebnis aus der Stadtklima-Analyse ist: Es wird in den nächsten Jahrzehnten deutlich wärmer in Mannheim. Die Modellrechnung ergibt, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur bis 2050 je nach Modellansatz um bis zu zwei Grad steigen wird. Konkret verglichen wird hier die durchschnittliche Jahrestemperatur im Zeitraum von 2021 bis 2050 mit der zwischen 1971 und 2000. Durch den Anstieg kommt Mannheim bis 2050 auf eine durchschnittliche Jahrestemperatur von 11,9 Grad – das entspricht laut Stadtverwaltung der aktuellen Temperatur der französischen Stadt Lyon. Bis zum Jahr 2100 wird sie der Prognose zufolge weiter steigen – auf dann rund 14 Grad. Das sei „vergleichbar mit dem heutigen Klima Venedigs in Italien“, heißt es in der Vorlage für die Stadträte.

Diese Karte zeigt die Temperaturen im Stadtgebiet in einer exemplarischen Sommernacht in der Gegenwart um 4 Uhr morgens, gemessen in einer Höhe von zwei Metern. Die dunkelblauen Bereiche markieren dabei Temperaturen unter 14 Grad. Je mehr die Bereiche ins Orangefarbene und Rote gehen, desto wärmer ist es. Die dunkelroten Bereiche stehen für Temperaturen von mehr als 20 Grad. © Stadt Mannheim

Die Zukunftsprognose legt allerdings das „Weiter-wie-bisher-Szenario“ zugrunde. Das heißt: Sie setzt voraus, dass sich in Sachen Klimaschutz in der Zukunft nichts ändert – dass zum Beispiel der CO2-Ausstoß auf dem aktuellen Niveau bleibt. Da davon allerdings nicht auszugehen sei, stelle die Modellrechnung die Realität in der ferneren Zukunft wohl schlechter dar als sie tatsächlich sein werde, betont Stadtsprecherin Corinna Hiss.

Aktuelle Temperaturunterschiede

Die Klima-Analyse blickt allerdings nicht nur in die Zukunft. Sie bestätigt auch das, was viele Mannheimerinnen und Mannheimer schon wissen: Wie warm es ist und wie schnell sich Bereiche abkühlen, hängt entscheidend davon ab, wo in der Stadt man sich befindet. Ein entscheidender Faktor dabei ist die „Lagebeziehung zwischen Freiräumen und Bebauung“, wie es in der Vorlage heißt. Ganz vorne bei den hohen Temperaturen ist dabei die Innenstadt. In der Klima-Analyse heißt es, die „stärkste Überwärmung“ gebe es „über der Mannheimer Innenstadt in einem von Tattersall/Kaiserring – Planken – Kurpfalzstraße – Paradeplatz – Marktplatz – Rathaus – Zentralinstitut – Luisenring/Jungbuschstraße umrissenen Gebiet“. Hier würden im Sommer um 23 Uhr Lufttemperaturen bis 25,4 Grad Celsius registriert. Aber auch in anderen Bereichen wird es noch über 24 Grad warm: Die Studie nennt hier „große Teile des Hafengebietes zwischen Neckar und Rhein“ und Bereiche des Jungbusch, außerdem Teile der Oststadt (Bereiche Nationaltheater/Rosengarten), die Schwetzingerstadt und den Lindenhof. „Ähnlich hohe Überwärmungen werden inselhaft auch im Bereich der Industrie- und Gewerbeflächen John-Deere-Werke/Hochschule/Feuerwache-Mitte, im Zentrum von Neckarau bis zum Großkraftwerk sowie nördlich des Neckars in einem Bereich von Neckarstadt-West bis Neckarstadt-Ost, über den Industrieflächen östlich und westlich des Industriehafens sowie Luzenberg/Waldhof gemessen.“

Die tiefsten Werte an einem Sommertag um 23 Uhr liegen bei etwas über 17 Grad – über den Wiesen bei Straßenheim sowie nördlich der Coleman-Kaserne in Sandhofen.

Konsequenzen aus der Analyse

Auf Grundlage einer kombinierten Bewertung von Ist-Zustand und Zukunftsprognose bis zum Jahr 2050 hat die Untersuchung die einzelnen Flächen in der Stadt bewertet. Diese Einstufung ist wichtig mit Blick auf Konsequenzen für die zukünftige Stadtplanung. Die „Siedlungs- und Verkehrsflächen“ wurden entsprechend ihrer Wärmebelastung in fünf Stufen eingeteilt. Das Ergebnis: Mit knapp 30 Prozent haben mehr als ein Drittel der Siedlungsflächen eine im gesamtstädtischen Vergleich „günstige bis sehr günstige bioklimatische Situation“, wie es in der Vorlage heißt. Bei knapp 43 Prozent ist die bioklimatische Situation mittelmäßig, bei 19,5 Prozent „ungünstig bis sehr ungünstig“.

Nach dieser Einstufung gibt es die günstigsten bioklimatischen Bedingungen in den Stadtteilen Vogelstang, Schönau (insbesondere im nördlichen Teil), Neuostheim, Niederfeld, Lindenhof-Süd sowie in den äußeren Stadtteilen Hochstätt, Seckenheim, Friedrichsfeld, Wallstadt und Feudenheim. Doch auch manchen zentrumsnahen Wohngebieten bescheinigt die Studie eine günstige bis sehr günstige Situation. Genannt werden hier der nordöstliche Teil der Schwetzingerstadt sowie die südlich an den Herzogenriedpark angrenzende Bebauung der Neckarstadt-Ost. „Neben der vergleichsweise aufgelockerten Bebauung haben hier die angrenzenden großen Parkflächen einen entlastenden Effekt“, heißt es in der Untersuchung.

Diese Karte zeigt die Temperaturen im Stadtgebiet in einer exemplarischen Sommernacht im Jahr 2050 um 4 Uhr morgens, ebenfalls gemessen in einer Höhe von zwei Metern. Hier gibt es kaum noch dunkelblaue Bereiche mit Temperaturen unter 14 Grad. Je mehr die Bereiche ins Orangefarbene und Rote gehen, desto wärmer ist es. Die ganz dunkelroten Bereiche stehen für Temperaturen von mehr als 21 Grad. © Stadt Mannheim

Die Bereiche mit ungünstiger oder sehr ungünstiger bioklimatischer Situation sind die eingangs genannten, in denen es in Sommernächten heute schon extrem warm ist. Aufgeführt werden hier die Quadrate, die Neckarstadt-West und die Schwetzingerstadt-Süd, aber auch die „hoch versiegelten Industrie- und Gewerbeflächen (z.B. Hafenbereiche, Daimler-Werke, Gewerbegebiete Käfertal und Neckarau)“.

Die „Grün- und Freiflächen“ wurden entsprechend ihrer Kaltluftleistung und Lage im Stadtgebiet in vier sogenannte Schutzbedarfskategorien eingeteilt. Zu den Flächen mit dem höchsten Schutzbedarf zählen der Grünzug im Norden und der Grünzug Nordost, aber auch innerstädtische Flächen wie Friedrichsplatz und Lauergärten. Als Grünflächen mit hohem Schutzbedarf – also die zweithöchste Kategorie – werden unter anderem Luisenpark, Schlossgarten und auch der Friedrichspark genannt, wo jetzt die Universität drei neue Gebäude bauen will, was von vielen kritisiert wird.

Maßnahmen

Um das Stadtklima zu verbessern, listet die Analyse 20 allgemeine Maßnahmen auf. Diese sollen dazu dienen, „bioklimatisch günstige Strukturen zu erhalten und bioklimatisch belastende Strukturen zu optimieren“, heißt es. Der Katalog bezieht sich lediglich auf den Klima-Aspekt, der noch mit anderen Belangen wie ökologischen und stadtplanerischen abzuwägen sei.

Diese Karte zeigt die Verteilung der „bodennahen Lufttemperatur“ im Stadtgebiet aktuell an einem Sommertag um 23 Uhr. Die dunkelblauen Zonen haben mit 16 bis 17 Grad die niedrigsten Temperaturen.Der dunkelrote Bereich in der Innenstadt steht für Temperaturen von25 bis 26 Grad. © Stadt Mannheim

Zu den 20 empfohlenen Maßnahmen zählen beispielsweise die Begrünung von Innen- und Hinterhöfen, die Schaffung von öffentlichen Grünflächen, die Entsiegelung von Flächen oder mehr Pflanzen im Verkehrsraum. Zur Verbesserung der Durchlüftung wird generell aber auch der Abriss von Gebäuden angeregt, die Vermeidung von Austauschbarrieren für kalte Winde sowie der Schutz von wichtigen Flächen wie Wiesen, Felder und Kleingärten. Darüber hinaus werden Maßnahmen aufgeführt, die die Wärmebelastung in Gebäuden senken können: etwa die Begrünung von Dächern und Fassaden, die Verschattung der Häuser oder eine bessere Dämmung sowie die Klimatisierung mit möglichst ressourcenschonenden Lösungen. Wie und wo diese Maßnahmen konkret umgesetzt werden sollen, zeigen Steckbriefe von 63 einzelnen Flächen.

Methodik

Für die aktuelle Untersuchung als Fortschreibung der Stadtklimaanalyse von 2010 wurde ein neuer Ansatz gewählt: ein Computer-Modell in Kombination mit Messwerten, unter anderem der Lufttemperatur, Windrichtung und Windgeschwindigkeit. „Der Einsatz eines Berechnungsmodells war fachlich notwendig, um der gegenwärtigen planerischen und baulichen Dynamik im Stadtgebiet Mannheims Rechnung zu tragen“, erklärt die Verwaltung in der Vorlage für den Ausschuss. Damit könnten auch die Auswirkungen aktuell geplanter, aber noch nicht umgesetzter Projekte berücksichtigt werden. „So flossen beispielsweise der noch zu entwickelnde Zustand des Grünzugs Nordost nach der Bundesgartenschau 2023 oder auch der noch nicht vollständig entwickelte Stadtteil Franklin in Gänze in die Modellierung ein.“

Kosten

Die neue Stadtklimaanalyse hat fast 100 000 Euro gekostet. Knapp die Hälfte davon bezahlt das Land, das für solche Maßnahmen ein Förderprogramm aufgelegt hat.

Ausblick

Die Stadt will die Ergebnisse der Klima-Analyse der Öffentlichkeit „in einfacher und verständlicher Form“ bereitstellen. Dafür habe man ein Büro für Web- und Kommunikationsdesign beauftragt, das Ergebnis soll Ende des Jahres vorliegen, heißt es in der Vorlage für die Stadträte. Außerdem will die Stadt die wichtigsten Klimaparameter im am stärksten belasteten Gebiet künftig alle zehn Minuten messen. Dafür werden in der Innenstadt ebenfalls bis Ende des Jahres zwei Klimastationen errichtet. Die sollen Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und Windgeschwindigkeit erfassen. Die Verwaltung plant, diese Daten „kostenlos und frei verfügbar als OpenData sowie in einer Echtzeit-Visualisierung“ bereitzustellen. Auf dem Bundesgartenschaugelände auf Spinelli wird im kommenden Jahr noch eine dritte Messstation errichtet – auch wenn dieses Gebiet nicht zu den bioklimatisch belasteten Bereichen gehört.

Mehr Infos der Stadt Mannheim zur Klimaanalyse gibt es hier. 

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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