Mannheim. Mannheim als Modellstadt der EU beim Klimaschutz: Lange wirkte diese „Mission“ wie eine Hängepartie. Nun scheint etwas Bewegung in die Sache zu kommen: Die EU hat angekündigt, dass sie die Modellstädte stärker unterstützen will. Ein Überblick.
Was hat die EU angekündigt?
Die Kommission will eine neue Kapitalplattform für die Modellstädte einrichten. „Mit der Kapitalplattform für die Mission ,Städte’ werden wir unsere Unterstützung für Städte verstärken, die mit ihren Klimaschutz- und Anpassungsplänen den Weg zur Klimaneutralität ebnen“, wird die EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, Iliana Ivanova, in einer Mitteilung zitiert.
Was bedeutet das konkret?
Die Kapitalplattform soll den Kommunen helfen, Finanzberatung zu bekommen, ihren Finanzbedarf zu strukturieren und neue Finanzquellen zu erschließen. Gedacht wird dabei beispielsweise an philanthropisches Kapital, Unternehmenskapital, Crowdfunding oder nachhaltigkeitsgebundene Anleihen. Das neue Angebot können Modellstädte nutzen, die bereits das offizielle Siegel der EU-Mission erhalten haben – in Deutschland sind das bislang Mannheim und Heidelberg. Zudem wird den deutschen Modellstädten ein eigener Finanzspezialist als Ansprechpartner zur Seite gestellt.
War’s das oder gibt es noch mehr?
Es gibt auch noch ein Darlehen: Die Europäische Investitionsbank leiht den Städten mit Siegel insgesamt zwei Milliarden Euro zur Umsetzung ihrer Klimaschutzpläne. Wenn man davon ausgeht, dass alle 100 Modellstädte die Bedingungen der EU erfüllen und das Siegel erhalten, wären es also 20 Millionen Euro pro Kommune.
Wie bewertet die Stadt diesen Schritt?
Die Stadtverwaltung findet diese Initiative „sehr positiv“, erklärt ein Sprecher. „Denn Stadtverwaltungen haben in der Regel kein vertieftes Expertenwissen über den privaten Kapitalmarkt und die Möglichkeiten, privates Kapital einzuwerben.“ Die neue Kapitalplattform werde „umfassende Dienstleistungen für Klimaschutz- und Anpassungsprojekte bereitstellen und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Einbindung privaten Kapitals legen“.
Was bringen Mannheim diese Maßnahmen konkret?
„Wir erwarten, dass Fragestellungen zur schnelleren Erschließung des privaten Kapitalmarktes geklärt werden und vor allem auch direkte Zuschüsse in Form eines Kapitalfonds auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene zur Verfügung gestellt werden“, teilt der Sprecher der Stadtverwaltung weiter mit. „Das ist eine Erwartung verbunden mit der Hoffnung, dass der Finanzspezialist maßgeschneiderte Unterstützung und erleichterten Zugang zu Investitions- und Innovationsprogrammen der EU liefern kann.“
Was kostet die Transformation Mannheims zur klimaneutralen Stadt eigentlich?
Ganz genau kann das niemand beantworten. Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) bezifferte alleine die Umsetzung der städtischen Maßnahmen im Klimaschutzaktionsplan auf einen Betrag von mindestens zwei bis fünf Milliarden Euro. „Es wird auch noch eine Preissteigerung mit reinkommen, das wissen wir auch“, sagt sie in einem Interview mit dieser Redaktion. Laut EU haben die Städte, die bislang das Siegel des Modellstadt-Programms erhalten haben, im Durchschnitt Kosten von 3,6 Milliarden Euro pro Kommune ermittelt.
Sind das dann die Gesamtkosten für den klimaneutralen Umbau?
Nein. Denn die Kommune kann ja nur etwa ein Drittel der im Klimaschutzaktionsplan beschriebenen notwendigen Maßnahmen selbst direkt beeinflussen. Ein weiteres Drittel liegt in den Händen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen. Das restliche Drittel wird von Rahmenbedingungen bestimmt, die beispielsweise vom Land, Bund oder der EU vorgegeben werden.
Die von Pretzell genannten zwei bis fünf Milliarden Euro beziehen sich aber lediglich auf die städtischen Maßnahmen im Klimaschutzaktionsplan. Wie viel von den privaten Haushalten und von Unternehmen investiert werden müssen, kann die Stadtverwaltung nicht genau beziffern. Der frühere Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) schätzte im Frühjahr 2022 die Gesamtkosten auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Und wie viel Geld stellt die Stadt bereit?
Bis 2030 maximal pro Jahr zehn Millionen Euro: Das hat der Gemeinderat im Dezember beschlossen. Demnach sollen 5,5 Millionen direkt zur Verfügung stehen. Weitere 4,5 Millionen können für Projekte abgerufen werden, die bereits mit anderen Fördermitteln unterstützt werden. Insgesamt wären es also maximal 70 Millionen Euro bis 2030.
Was muss noch berücksichtigt werden?
Nicht alle Maßnahmen, die das Klima schützen, werden über den Klimafonds der Stadt finanziert. Energetische Verbesserungen an Schulen zum Beispiel laufen über einen anderen Etat. Zudem investieren etliche Unternehmen, etwa die kommunalen Gesellschaften GBG oder MVV, bereits hohe Summen, die nicht im städtischen Kernhaushalt auftauchen, unter anderem für Gebäudesanierungen oder den Umbau der Fernwärmeerzeugung.
Was war das Modellstadt-Programm noch mal?
Es ist eine „Mission“ der EU: Diese hat 100 Vorreiter-Städte gesucht, die bis 2030 klimaneutral werden wollen. Im Frühjahr 2022 ist Mannheim neben acht weiteren deutschen Städte ausgewählt worden.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Klimapläne stehen vor dem Scheitern