Mannheim. Spricht man von stürmischen Zeiten, weht einem dieser Sturm meist von vorne ins Gesicht: „Gegenwind“ heißt das meist ungeliebte Phänomen. Tatsächlich könnte einem dieser Sturm auch in den Rücken blasen – und so für Energie und Geschwindigkeit sorgen. Mit diesem Rückenwind wollen Nina Wellenreuther, Daniel Bockmeyer, Chris Rihm und Gabriele Baier Mannheims Grüne in die Kommunalwahl 2024 führen – trotz der schlechten Stimmung, die die Partei derzeit wegen der Ampel erfährt und die auch SPD und FDP Sorgen bereiten dürfte.
Dennoch spricht Wellenreuther nach der Nominierung am Samstag im Nachbarschaftshaus auf der Rheinau von Rückenwind. Mit großer Mehrheit bestimmen die etwa 100 anwesenden Mitglieder die Vorsitzende der Gemeinderatsfraktion zur Spitzenkandidatin für die Wahl am 9. Juni. Nicht nur Wellenreuther erfährt viel Zustimmung – sondern auch der im Gemeinderat noch unerfahrene Bockmeyer auf Platz zwei sowie die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Baier und Rihm auf drei und vier.
Grüne wollen breites Spektrum abdecken
Alle vier erhalten Ergebnisse zwischen 81 und 88 Prozent, alle vier wollen die Grünen als Quartett gemeinsam in den Wahlkampf führen. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Mitglieder hinter unserem Konzept stehen“, sagt Wellenreuther dieser Redaktion nach der Wahl. Auch Rihm ist überzeugt: „Die Menschen haben signalisiert, dass sie uns vertrauen.“ Der Kreisverband sei trotz der „äußeren Einflüsse“ zusammengerückt und hätte sich zu Zielen bekannt, erklärt Bockmeyer. Der 48-Jährige leitet das Quartierbüro der Schwetzingervorstadt und stellte die Verknüpfung von Ökonomie, Ökologie und Soziales in den Mittelpunkt seiner Rede. Baier sieht „Ansporn und Motivation für einen Wahlkampf, der sicherlich nicht immer einfach wird“.
Die vier sollen – so die Hoffnung der Partei – ein gesellschaftlich und politisch breites Spektrum abdecken. In ihrer Rede erklärte Wellenreuther, dass die Grünen „Treiberin und verantwortungsvolle Partnerin“ im Gemeinderat sein möchten, um Klimaschutz mit sozialen Fragen zu verbinden. Die 27-Jährige äußerte die Sorge, dass ohne starke Grüne der Klimaschutz, die Anpassungen in Folge der Klimaveränderung sowie die Energiewende wegen anderer Krisen aufs Abstellgleis gerieten.
Bekannte Gesichter neben Jugend
Etwas mehr als fünf Stunden benötigt die Partei, um die Liste aufzustellen – eine kurzweilige, aber spannende Versammlung. Die Plätze 6 bis 20 werden fast alle über Kampfkandidaturen zwischen zwei oder drei Interessierten besetzt – in dieser Zahl ungewöhnlich. Politisch bleiben die auf vier Minuten begrenzten Reden noch vage und besinnen sich vor allem auf Klimaschutz, die Verkehrs- und Energiewende, auf Gleichstellung oder den Kampf gegen Rechts. Das Wahlprogramm verabschiedet die Partei am 13. Januar. Einig sind sich die Kandidatinnen und Kandidaten bereits darin, stärkste Fraktion bleiben zu wollen. Im Gespräch mit dieser Redaktion setzt sich das Spitzenquartett zum Ziel, im nächsten Gemeinderat wieder zweistellig vertreten zu sein. Derzeit gehören der Fraktion elf Mitglieder an.
Neben Bockmeyer sind mit Mia Helbig auf Platz fünf und Wanja Pasdzierny auf acht weitere Neulinge unter den ersten zehn. Beide gehören der Grünen Jugend an. Die 18-jährige Helbig ist Schülerin am Moll-Gymnasium und macht 2024 Abitur. Sie erklärt, in Mannheim bleiben und ein Studium an der Universität beginnen zu wollen. Helbig will sich für Bildung und Jugendpolitik engagieren. Auch die Fraktionsmitglieder Gerhard Fontagnier (6), Christina Eberle (7), Regina Jutz (9) und Patric Liebscher (10) sind in den Top Ten. „Mit einer Mischung aus neuen und bekannten Gesichtern haben wir eine Grundlage für einen starken Wahlkampf“, ist Vorsitzende Tamara Beckh überzeugt.
OB-Kandidat Raymond Fojkar auf letztem Listenplatz
Einen schwierigen Mittag erleben Angela Wendt und Matthias Pitz, die in mehreren Kandidaturen – teilweise prominent gegen Fraktionskollegen – unterliegen und auf Platz 13 und 16 gelistet werden. Der frühere Oberbürgermeisterkandidat Raymond Fojkar steht auf dem beliebten – weil mit Aufmerksamkeit verbundenen – letzten Listenplatz 48.
Über die Ampel wird in den Reden kaum gesprochen. In Gesprächen ist aber zu hören, dass die Koalition den Wahlkampf eher belasten als fördern könnte. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass sich bis zur Wahl noch vieles tun kann – zum Negativen wie zum Positiven.
Konkreter wird da schon benannt, dass sich der Mannheimer Norden auf vorderen Plätzen nur spärlich wiederfindet – auch weil mit Pitz ein Vertreter viele Plätze verliert. „Das ist teilweise ein strukturelles Problem, das viele Parteien haben“, erklärt Rihm, der aus dem Norden kommt. Spitzenkandidatin Wellenreuther betont, die Stadt dennoch ganzheitlich zu betrachten. Sie verspricht: „Wir werden mit unserem Programm allen Stadtteilen dezidierte Antworten auf die drängendsten Fragen und Themen geben.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Auftakt der Grünen in Mannheimer Kommunalwahlkampf ist geglückt