Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Mannheims Gleichstellungsbeauftragte: Das muss beim Gewaltschutz passieren

Die Stadt Mannheim setzt beim Gewaltschutz auf Vernetzung – und eine neu besetzte Vollzeitstelle ab Oktober. Was dennoch fehlt, und warum die Gleichstellungsbeauftragte Zahra Deilami die Gesellschaft in den Blick nimmt.

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Anna-Lena Stauder
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Wichtige Unterstützung: Das Gewalthilfegesetz wurde im Februar beschlossen. Damit bekommen gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ab 2032 einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. © picture alliance / ZB

Mannheim. Was tut die Stadt Mannheim, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern und gegen Zwangsprostitution vorzugehen? Und wer hält die Fäden dafür künftig in der Hand? Worauf die Stadt Mannheim lange selbst noch keine Antwort hatte, ist jetzt gefunden. Ab Oktober wird es eine neue Sachbearbeiterin für den Bereich Gewalt an Frauen und Prostitution geben: Lena Dunio-Özkan, 40 Jahre alt, die zuletzt Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Speyer war. Sie wird viel auf ihrer Agenda haben. Aber auch auf viele Konzepte zurückgreifen und aufbauen können, die in der Quadratestadt in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon erarbeitet, und von ihren zwei Vorgängerinnen konzeptionell begleitet wurden. Denn die Stadt Mannheim hat seit 2014 eine volle Stelle für dieses Thema bereitgestellt, wie die Gleichstellungsbeauftragte Zahra Deilami im Gespräch berichtet. „Damals gab es die Istanbul-Konvention in Deutschland noch nicht einmal.“

Lena Dunio-Özkan. © Grüne

Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag des Europarates von 2011, mit dem sich unterzeichnende Staaten verpflichten, Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern und sie aktiv zu bekämpfen. In Deutschland ist die Konvention seit 2017 ratifiziert und seit Februar 2018 in Kraft. Sie gilt als umfangreichstes internationales Abkommen, das in 81 Artikeln rechtsverbindliche Standards zu Prävention, Schutz von Frauen und Mädchen sowie Bestrafung der größtenteils männlichen Täter setzt. Die Konvention bekräftigt, dass geschlechtsspezifische Gewalt eine Menschenrechtsverletzung darstellt. Daher werden in dem Vertrag auch Themen wie Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsheirat oder Zwangsabtreibung aufgegriffen.

So wird die Instanbul-Konvention in Mannheim umgesetzt

Im jüngsten Tätigkeitsbericht der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten wird der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Mannheim ein eigenes Kapitel gewidmet. 24 Seiten ist das lang. Denn die Stadt tut einiges. Ein Baustein ist die Netzwerkarbeit. Etwa sechs bis sieben Arbeitsgruppen von jeweils zehn bis 20 Personen arbeiten themenspezifisch zusammen und stimmen sich bei gemeinsamen Treffen zwei bis viermal im Jahr ab. Dort werden dann auch Aufgaben verteilt. Themenbereiche der Arbeitsgruppen sind beispielsweise häusliche Gewalt, Täterarbeit, Bekämpfung von Zwangsprostitution, Kindeswohl. Expertinnen und Experten aus Frauenhäusern, Polizei, Bewährungshilfe, Familiengerichten, Schulen und weiteren Bereichen stimmen sich darin ab.

Kommentar Echter Wandel ist möglich

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Anna-Lena Stauder
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Die Gleichstellungsstelle der Stadt Mannheim koordiniert das Vorgehen der verschiedenen Player, beispielsweise durch ein kommunales Konzept zu häuslicher Gewalt. Das Konzept steckt quasi den Handlungsrahmen für die Akteurinnen und Akteure ab und soll ihnen gleichzeitig Orientierung geben. Bei einem Fachtag kommen Vertreterinnen und Vertreter aller Arbeitsgruppen am Ende eines jeden Jahres zusammen, um sich zu besprechen und ihr Vorgehen abzustimmen. Bei Fachtagen und Schulungen geht es außerdem darum, den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren neuen Input für ihre Arbeit zu geben, wie Deilami erklärt.

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Deilami will agieren statt reagieren. Dazu gehört für sie auch, vorauszudenken. Sie nennt als Beispiel das im Februar beschlossene Gewalthilfegesetz. Damit bekommen gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ab 2032 einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. Die Länder sind im nächsten Schritt dazu verpflichtet, bis 2027 ein flächendeckendes Netz an Schutz- und Beratungsangeboten sicherzustellen. In Mannheim sind die verschiedenen Akteurinnen und Akteure dazu aufgerufen, der Gleichstellungsstelle Statistiken der vergangenen fünf Jahre zuzuliefern, die dann bis spätestens Ende 2026 zu einer Bedarfsanalyse zusammengefasst werden sollen.

Zur Abstimmung sind auch schon vier Treffen angesetzt. Die Gleichstellungsbeauftragte macht immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, dass die Stadt Mannheim beim Gewaltschutz einen fundierten Weg geht. Das heißt, die Bedarfe müssen klar sein, um auf ihrer Grundlage Entscheidungen zu treffen.

Die 62-Jährige schildert viele weitere Projekte oder Aktionen, die die Themen Gewaltschutz, aber auch Gleichberechtigung in der Stadt voranbringen sollen. Da ist das Frauen-Nachttaxi, das bundesweit bekannt sei und zu dessen Umsetzung immer wieder Anfragen aus anderen großen Städten kommen. Da ist der neu aufgesetzte Frauenkulturrat, der im Herbst seine Arbeit wiederaufnehmen soll. Da sind Schulungen für die Polizei zum Umgang mit Zwangsheirat oder häuslicher Gewalt, die wichtig sind, um betroffenen Frauen eine Interventionskette aufzeigen zu können, die ihnen wirklich hilft. Deilami bezeichnet die Zusammenarbeit mit der Polizei als „großartig“.

Wir brauchen mehr Empathie in unserer Gesellschaft.
Zahra Deilami Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Mannheim

Trotz aller Maßnahmen, die Zahra Deilami in den vergangenen zehn Jahren als Gleichstellungsbeauftragte mit auf den Weg gebracht hat, ist sie noch lange nicht zufrieden. „Wir brauchen mehr Empathie in unserer Gesellschaft“, sagt sie. Aber macht gleichzeitig klar, dass die sich nicht per Gesetz anordnen lasse. Die Beteiligung der Bevölkerung ist für sie ein Schlüssel zur Verbesserung der Situation. „Beteiligt man Menschen, werden sie sich bewusster, was sie konkret tun können“, betont Deilami.

Sie nennt eine Aktion, die es während der Corona-Zeit bundesweit gab und die auch in Mannheim für mehr Beteiligung sorgen sollte. Damals wurden über 300.000 Brottüten in Discountern, Bäckereien und anderen Geschäften in der Stadt ausgegeben, die mit dem Slogan des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ bedruckt waren: „Gewalt kommt nicht in die Tüte“.

Zahra Deilami



  • Zahra Deilami ist 1963 in Teheran geboren und lebt seit 1986 in Deutschland.
  • Sie ist Kulturpädagogin und hat „Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation“ mit den Schwerpunkten Psychologie und Prosa sowie Kulturpolitik und Kulturmanagement studiert.
  • Nach einigen Jahren Tätigkeit an der Universität hat sie sich selbstständig gemacht und über 15 Jahre als Expertin, Moderatorin, Mentorin, Fachreferentin und Mediatorin gearbeitet.
  • Seit Juli 2015 ist sie Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Mannheim.

Neben der Empathie wünscht sich Deilami außerdem Lernbereitschaft, und eine bewusstere Frauengeneration, die für sich eintritt. Auf die Frage hin, ob Frauen nicht schon genug machen und, ob nicht Männer mehr Verantwortung übernehmen müssen, um das Gewaltproblem zu lösen, weist Deilami auf ein Missverhältnis hin. Es gebe einerseits Männer, die humanistisch agieren, und andererseits Männer, die sich überkommene Geschlechterverhältnisse zurückwünschen. Um eine Rückentwicklung in Mannheim abzufedern, wurden im Chancengleichheitsplan auch Maßnahmen für Männer beschlossen, erklärt Zahra Deilami - ohne näher auf diese einzugehen.

Abschließend sagt Deilami: „Von Mannheim lässt sich in Sachen Gleichstellung einiges abschauen.“ Dass die Quadratestadt so gut aufgestellt sei, hänge letztlich mit einer Dienstleister-Haltung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zusammen.

Redaktion Redakteurin in der Onlineredaktion

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