Start-ups

Mannheimer Start-ups Replique und rightflow: Gründer erzählen von den Anfängen

Die Mannheimer Start-ups Replique und rightflow haben vor Kurzem den Existenzgründungspreis MEXI gewonnen. Was macht sie so erfolgreich? Zwei Porträts.

Von 
Stefanie Ball
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Die beiden Gründer von Replique, das digitale Ersatzteilfertigung anbietet: Max Siebert und Henrike Wonneberger. © Replique

Mannheim. Henrike Wonneberger und Max Siebert wären weich gefallen, wenn sie sich anders entschieden hätten. Die beiden ehemaligen BASF-Mitarbeiter hatten drei Jahre lang ihre Geschäftsidee im Chemovator, dem Inkubator der BASF, entwickeln und testen können. Doch irgendwann, das war klar, würde die Entscheidung anstehen: weitermachen oder zurück zum Konzern? „Es gibt drei Wege aus dem Chemovator: Die Idee funktioniert nicht, man kehrt in den alten Job zurück. Oder die Idee ist so gut und passt zur BASF, dass eine Geschäftseinheit sie übernimmt. Oder die Idee ist kein Kerngeschäft, aber trotzdem gut, dann wird ausgegründet“, erklärt Wonnewerber.

Sie ist Mitgründerin von Replique, so der Name des Start-ups, das 2020 im Chemovator geboren und drei Jahre später auf eigene Füße gestellt wurde. Seitdem ist es weiter gewachsen, aufseiten der Kunden: inzwischen mehr als 100, und aufseiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: aktuell 18. In Finanzierungsrunden wurde Kapital gesichert, und als Krönung jetzt noch der MEXI, der mit 10.000 Euro dotierte Mannheimer Existenzgründungspreis, gewonnen.

Replique aus Mannheim baut Fertigteile für Industriebetriebe

Was die Replique GmbH macht, steckt schon im Namen: replizieren, verdoppeln oder nachbilden. Das Unternehmen fertigt Bauteile für Industriebetriebe, seien es Teile, die kaputt sind und ersetzt werden müssen, oder andere Kleinserien, bei deren Entwicklung Replique mitunter auch unterstützt. Braucht ein Kunde nur ein Bauteil, erhält er auch genau eins, und braucht er es in wenigen Tagen, soll auch das möglich gemacht werden. Für die Produktion greift das Mannheimer Start-up auf ein weltweites Netzwerk zurück, wobei das meiste per 3D-Druck gefertigt wird. „Der Kunde kauft bei uns, und wir kaufen beim Lieferanten, das hat den Vorteil, dass der Kunde mit uns nur einen Ansprechpartner hat, und der Lieferant hat den Vorteil, dass wir die Rückfragen erledigt haben, er nur noch nach genauen Vorgaben das Bauteil herstellen muss“, so Wonneberger.

Dass sie mit der BASF Sicherheit und Komfort verlassen, war den Gründern klar. Beide hatten mehr als zehn Jahre bei dem Chemiekonzern gearbeitet, waren zufrieden mit ihren Jobs, haben Familie und Kinder. „Wir wollten das, was wir aufgebaut hatten, weiter nach vorne bringen, es hat sich also eher die Frage gestellt: Warum sollten wir das nicht tun?“, sagt Wonneberger. Trotzdem war die Ausgliederung aus dem geschützten Raum des Chemovators eine herausfordernde Zeit, das will die Jung-Unternehmerin nicht verhehlen. Replique war damals noch nicht profitabel, und viele Dinge wie Buchhaltung und rechtliche Fragen erledigte der Inkubator, die Gründer sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Die Strukturen bis hin zu IT- Systemen mussten aufgebaut, neue Mitarbeitende gefunden werden.

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Bis heute hilfreich sei die Start-up-Community im Mafinex, Mannheims Zentrum für tech-orientierte Neugründungen. „Die Location ist zentral gelegen, zum Beispiel für unsere Mitarbeiter, die nicht aus Mannheim kommen, da ist die Nähe zum Hauptbahnhof perfekt“, sagt Wonneberger. Daneben profitiert Replique von der vergünstigten Miete und anderen Start-ups, mit denen sie Tür an Tür arbeiten. „Man findet immer jemanden, mit dem man sich austauschen kann.“

Was sich Wonneberger wünschen würde, wäre eine (noch) bessere Vernetzung in der Metropolregion. „Wir haben viele Kunden, in Deutschland und auch im europäischen Ausland, in der Rhein-Neckar-Region sind es dagegen bislang vergleichsweise wenige.“ Sie ist überzeugt, dass zahlreiche Unternehmen und Start-ups mit guten Ideen um sie herum existierten. „Doch der eine weiß nichts vom anderen.“

Wollten auf jeden Fall ein eigenes Unternehmen führen: Jascha Quintern (von links), Tim Glockner und Anna Hüttl. © rightflow

Eines dieser anderen Start-ups ist die rightflow GmbH, ebenfalls diesjähriger MEXI-Preisgewinner. Hier stand nicht die Idee am Anfang, sondern der Wunsch, sich selbstständig zu machen. „Wir saßen nicht da und dachten: ,Das ist das Problem, jetzt legen wir los‘. Sondern wir saßen da und dachten: ,Wo ist das Problem, das wir lösen können?‘“, erzählt Tim Glockner, einer der Mitgründer des Start-ups. Die Idee, sich auf Prozessabläufe in Kanzleien zu konzentrieren, kam schließlich über ein erstes Kundenprojekt.

Zehn Kanzleien hat rightflow schon als Kunden

„Wir haben gesehen, dass es bei der Bearbeitung von Verkehrsschadensfällen viele manuelle Schritte gibt, die getan werden müssen, die aber erstens zeitaufwendig und zweitens stupide-langweilig sind“, so Glockner. Hier setzt die Lösung von rightflow an, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) die Dokumentenverarbeitung, Korrespondenz mit den Beteiligten und viele weitere repetitive Aufgaben übernimmt. Am Ende dauert die Bearbeitung eines Schadenfalls nicht mehr einen halben Tag, sondern der Prozess kann im besten Fall automatisch ablaufen.

Zehn Kanzleien hätten sie schon für rightflow gewinnen können. „Das waren Anwältinnen und Anwälte, die digital affin sind“, weiß Glockner. Nun müsse es darum gehen, auch weitere Kanzleien von dem Programm zu überzeugen. Dass dies gelingt, ist Glockner optimistisch. „Eines der Hauptargumente für die Anwälte, die bereits mit uns zusammenarbeiten, ist der Mangel an Fachpersonal.“ rightflow soll nicht nur schneller sein, sondern auch Ressourcen für kreative Aufgaben und kniffligere Fälle freisetzen. „Wenn wir mit interessierten Kanzleien sprechen, sagen sie oft: ,Ich will mein Team nicht durch KI ersetzen, ich will meine Mitarbeitenden entlasten‘.“

Hürden vor allem für Frauen

Zum Team von rightflow gehört auch Anna Hüttl. Selbst ein Unternehmen zu gründen, stand lange nicht auf ihrem Lebensplan. Ihre Eltern waren beide selbstständig. „Ich wusste, wie viel Arbeit das ist“, sagt Hüttl. Doch in die Gründungsszene zieht es sie nach dem Studium trotzdem, sie betreut bei Next Mannheim, die für Gründerinnen und Gründer zuständige Tochtergesellschaft der Stadt Mannheim, junge Unternehmen.

Dass Frauen in der Start-up-Szene vor besonderen Herausforderungen stehen, erfährt sie in den Beratungen immer wieder. „Viele haben super Ideen, doch sie werden weniger ernst genommen.“ So würden Frauen in Pitches, bei der Präsentation ihrer Geschäftsidee, immer wieder nach ihrem Privatleben und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefragt. Daneben mangelt es Gründerinnen häufig an der Anschubfinanzierung. „Da gelten Frauen vor Investoren oft als naiv und überambitioniert, während ein Mann eher als visionär wahrgenommen wird“, erzählt Hüttl.

Hilfe durch das Mafinex oder Mannheims Gründerinnenzentrum Gig7

Doch dann trifft sie Tim Glockner und Jascha Quintern, das dritte Mitglied im Gründerteam, und sie weiß: „Das ist die richtige Zeit, und das sind die richtigen Menschen, jetzt traue ich mich und springe.“ Viele springen nicht, hat Hüttl oft genug erfahren. „Wer gründet, gibt ein gewisses Maß an Sicherheit auf, und man verzichtet auf ein regelmäßiges Gehalt, das muss man finanziell erst einmal stemmen können.“ Doch dafür gebe es Förderprogramme, und es gebe Räume wie das Mafinex oder das Gig7, Mannheims Gründerinnenzentrum, und damit Ökosysteme mit Gleichgesinnten, die ähnliche Hürden zu überwinden hätten. Am Ende, sind Glockner und Hüttl überzeugt, lohne es sich: „Wir haben die Freiheit, selbstbestimmt zu handeln, und durch das eigene Unternehmen aktiv die Zukunft zu gestalten.“

Freie Autorin

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