Vor Koalitionsverhandlungen mit der Union

Mannheimer SPD blickt mit gemischten Gefühlen nach Berlin

Der Absturz auf den dritten Platz bei der Bundestagswahl war für die SPD sehr schmerzhaft. Doch in ihrer Hochburg Mannheim ist man nun auch auf manches stolz.

Von 
Steffen Mack
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Kreisparteitag der Mannheimer SPD im Bürgerhaus in der Neckarstadt-West. © Steffen Mack

Mannheim. Die Frau, um die es vor allem gehen soll, ist gar nicht da. Dabei habe die Mannheimer SPD auf ihren Wunsch hin für diesen Kreisparteitag extra einen für sie auf alle Fälle passenden Abendtermin gesucht, bedauert Sitzungsleiter Stefan Fulst-Blei bei der Begrüßung. Doch nun herrsche im Bundestag ja plötzlich Anwesenheitspflicht. Während die heimischen Genossen nun im Bürgerhaus in der Neckarstadt-West über ihr Wahlergebnis diskutieren, muss sich Isabel Cademartori mit ihrer Fraktion auf die Sondersitzung zur Grundgesetzänderung am Donnerstag vorbereiten. Oder eher darf, je nach Sichtweise.

Ihr Büroleiter Kai-Uwe Herrenkind berichtet jedenfalls, man werde „die Isa“ nun wohl eine ganze Weile hier nicht mehr sehen. Voraussichtlich gehöre sie zu jenen, die für ihre Partei ab Ende dieser Woche Koalitionsverhandlungen mit der Union führen sollten. Man meint, da schon auch Stolz herauszuhören.

Wichtige Punkte durchgesetzt, aber auch „Kröten“ geschluckt

Das zieht sich dann quasi wie ein roter Faden durch diesen rund zweistündigen SPD-Abend. „Die Bundestagswahl ist für unsere Sozialdemokratie schmerzlich verlaufen“, so Fulst-Blei. Daran ändere auch nichts, dass es eine Niederlage mit Ansage gewesen sei. Aber jetzt wollten die Menschen in diesen schwierigen Zeiten möglichst schnell eine handlungsfähige Regierung. Und so schmerzlich es sei, dem Christdemokraten Friedrich Merz ins Kanzleramt verhelfen zu müssen, habe die SPD in der Sondierung doch viel Wichtiges durchsetzen können.

An erster Stelle nennt der Kreisvorsitzende das 500-Milliarden-Investitionsprogramm. Dann das damit verbundene Bekenntnis zum Industriestandort, für Mannheim besonders wichtig. Es folgen die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro, das Festhalten an Sprach-Kitas und am Startchancen-Programm, dem größten Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik.

58 Delegierte und einige Gäste sind zum Kreisparteitag gekommen. Auffällig ist diesmal die große Harmonie zwischen Establishment und Jusos. © Steffen Mack

In der Jahreszeit der Krötenwanderung habe man zwar auch die eine oder andere „Kröte schlucken“ müssen, räumt Fulst-Blei ein. So den restriktiveren Kurs in der Migrationspolitik. Aber mit einem Wahlergebnis von nur 16,4 Prozent ließen sich Zugeständnisse nun mal nicht vermeiden. Das klingt in fast allen Redebeiträgen durch. Klar überwiegt indes der Stolz: Zum einen darauf, für die Geschicke des Landes wieder gebraucht zu werden. Zum anderen auf das deutlich bessere Abschneiden in Mannheim, wo die Sozialdemokraten 18,2 Prozent der Zweit- und mit Cademartori sogar 22,5 Prozent der Erststimmen holten.

„Der Spitzenkandidat war diesmal kein Grund, SPD zu wählen“

Als Hauptredner konnte Fulst-Blei kurzfristig den Karlsruher Europaparlamentarier René Repasi gewinnen. Der scherzt: „Wenn der Kreisverband Mannheim ruft, kommt man natürlich.“ Seine überzeugende Analyse, woran es der Partei aktuell mangele (vor allem an Wählerinnen), beinhaltet manche Spitzen: Unabhängig von dem, was man selbst von Olaf Scholz halte, sei Folgendes festzustellen: „Dass die Person des Spitzenkandidaten kein Grund war, SPD zu wählen.“

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Später drückt das Ulrike Kahlert, Ortsvereinsvorsitzende auf der Rheinau, drastischer aus: „Für einen der unbeliebtesten Politiker Wahlkampf zu machen, war eine Zumutung!“ Viel schöner sei es gewesen, Plakate mit Cademartori aufzuhängen.

Als deren Vertreter und Wahlkampfleiter – als solcher wird man bei der SPD seit Gerhard Schröders fulminantem Sieg 1998 „Kampa-Chef“ genannt – analysiert Herrenkind die Mannheimer Zahlen. Die Partei habe zwar in keinem Stadtteil besonders gut abgeschnitten, aber anders als die Konkurrenz auch in keinem besonders schlecht. Hier seien sie somit die einzig verbliebene Volkspartei. Das bedeute eine gute Voraussetzung, um in vier Jahren das Direktmandat wieder zu gewinnen.

Auch für die mahnenden Worte von Peter Kurz gibt es Applaus

Dass man dieses Wahlziel nun trotz des negativen Bundestrends und mancher Unkenrufe nur knapp verpasst habe, führt Herrenkind neben den Verdiensten seiner Chefin auch auf den herausragenden Einsatz vieler an der Basis zurück. In dieses Lob fällt Fulst-Blei mit ein: „Starke Kandidatin, klasse Kampagne, klasse Kampa-Chef!“

Als neutraler Beobachter ist schon beeindruckend, wie lieb sie sich in der Mannheimer SPD offensichtlich wieder haben. Vor einem Dreivierteljahr flogen, ebenfalls im Bürgerhaus in der Neckarstadt-West, zwischen Establishment und Nachwuchs noch öffentlich die Fetzen. Diesmal bleiben selbst versteckte verbale Giftpfeile aus. Für die Jusos ist Cademartori – obwohl mit 37 mittlerweile zwei Jahre über der Altersgrenze – ja auch eine der Ihren. Herrenkind sowieso. Sie konnten sich im Wahlkampf diesmal auch sehr einbringen, wie ihre Kreisvorsitzende Klara Scheffler lobt.

58 Delegierte sind gekommen, dazu einige Gäste. Der Prominenteste heißt Peter Kurz. Der langjährige Oberbürgermeister gießt in der Aussprache etwas Wasser in den Berliner Wein. Einige vereinbarte Punkte wirkten so, als hätten Union und SPD einfach ihre bewährten Programme aus der Schublade geholt. Beispielhaft nennt Kurz die von der CSU gewünschte Mütterrente. Beim rasanten Takt der Weltlage stelle sich generell die Frage, ob ein klassischer, auf vier Jahre angelegter Koalitionsvertrag noch zeitgemäß sei. Auch für diese Überlegungen gibt es Applaus, wie für fast alles an diesem Abend.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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