Mannheim. „Land unter an den Mannheimer Schulen“: So formuliert es der geschäftsführende Schulleiter der Gymnasien und Direktor des Moll-Gymnasiums auf dem Lindenhof, Gerhard Weber. Denn er kann keine weiteren aus der Ukraine geflüchteten Kinder in den Regelklassen seiner Schule mehr aufnehmen und versucht, die eingehenden Nachfragen weiterzuvermitteln. Dabei erfährt er, dass auch die anderen Mannheimer Gymnasien am Ende ihrer Kapazitäten sind. Es ist kein einziger Platz mehr frei.
„Das Ziel ist, dass die Kinder möglichst rasch Deutsch lernen.“
Alle Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind und in Mannheim eine Schule besuchen, gelten als Gastschüler. „Das Ziel ist, dass sie möglichst rasch Deutsch lernen. Die Kinder sind extrem lernwillig“, berichtet Weber. Am Moll-Gymnasium gibt es aktuell 24 ukrainische Kinder und Jugendliche, einige von ihnen sind bei den Familien von Mitschülern untergekommen. Der Rektor würde gern noch weitere Kinder aufnehmen. Voraussetzung für die Aufnahme ist jedoch, dass in der Klasse noch Plätze frei sind – bei 30 Schülern ist Schluss. Mehr gehe nicht, auch im Sinne der anderen Schüler. „Die Klassen im Regelunterricht sind alle voll, das ist ein Hilferuf ans Regierungspräsidium Karlsruhe“, sagt Weber.
„Manche Kinder werden immer noch aus der Heimat im Fernunterricht beschult.“
Viele Kinder seien traumatisiert. Das aufzuarbeiten, könne die Schule nicht leisten. Aber den Kindern einen Schulalltag zu bieten und Freunde zu finden, das sei das Ziel. „In fast jeder Klasse gibt es Kinder die Russisch, Polnisch oder Ukrainisch sprechen. Wir wussten gar nicht, dass so viele zweisprachig aufwachsen“, sagt Weber. Die Schüler helfen beim Übersetzen, wenn etwa ukrainische Mütter in die Schule kommen, um ihre Kinder anzumelden.
Für die Kinder, die schon einen Platz in einer Klasse ergattern konnten, läuft es ziemlich gut. Bei den Formalitäten gebe es keine Schwierigkeiten, berichtet Weber. Das Kultusministerium habe Informationen an die Schulen verschickt, wie das ukrainische Schulsystem funktioniert. Außerdem hat es die Anmeldebögen für die Eltern in drei Sprachen – Deutsch, Russisch und Ukrainisch – zur Verfügung gestellt.
In Vorbereitungsklassen wird Schülern Deutsch beigebracht. In einer solchen unterrichtet am Moll-Gymnasium Smoliana Tetiana. Sie ist in der Ukraine Deutsch-Dozentin und musste mit ihrer 16-jährigen Tochter vor dem Krieg aus Charkiw fliehen. „Wir haben 17 Tage lang im Keller gewartet. Mein Mann sagte, es könne hier das zweite Mariupol werden. Da sind meine Tochter und ich gegangen“, berichtet sie. Nun unterrichtet sie vier Mal pro Woche für jeweils zwei Stunden im Lesen und Erlernen der lateinischen Schrift. In den übrigen Stunden nehmen die Schüler am Regelunterricht teil.
Das Staatliche Schulamt Mannheim kann derzeit keine Gesamtzahlen von ukrainischen Schülern für die Grund-, Werkreal- und Realschulen liefern. „Leider verfügen wir aufgrund der sich fast stündlich verändernden Situation nicht über belastbare Zahlen. Im Grundschulbereich wenden sich die Sorgeberechtigten oder Begleitpersonen zur Aufnahme direkt an die Schulen“, informiert Schulamtsdirektorin Sabine Hamann. Laut der Stadtverwaltung sind etwa 700 Kinder aus der Ukraine in Mannheim angekommen.
„Es werden täglich zusätzliche Vorbereitungsklassen eingerichtet.“
Der geschäftsführende Schulleiter der Werkreal- und Realschulen und Rektor der Humboldt-Werkrealschule, Harald Leber, berichtet, dass an seinen beiden Schularten in Mannheim bereits 65 ukrainische Schüler aufgenommen wurden. Leber hält es für wichtig, die Aufnahmen der ukrainischen Schüler nun zentral zu steuern. Vor allem solle das Bildungsniveau, mit dem die Kinder kommen, unbedingt erfasst werden.
Allerdings wollen nicht alle Kinder eine Schule vor Ort besuchen. „Manche Kinder werden immer noch aus der Heimat im Fernunterricht beschult. Wir sind eher dazu verpflichtet, den Kindern technische Ausrüstung und Räume zur Verfügung zu stellen“, sagt Leber. Die Schulen hätten durch das Homeschooling im Zuge der Corona-Pandemie eventuell Geräte im Schrank, die sie an Kinder aus der Ukraine abgeben könnten. Eine Schulpflicht für die aus der Ukraine geflüchteten Kinder gebe es erst ab einer Anwesenheit von sechs Monaten.
Irene Feilhauer, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe, betont unterdessen, dass jeder zur Schule gehen könne, der das wolle. „Es werden täglich zusätzliche Vorbereitungsklassen eingerichtet. Das ist eher ein Prozess von Tagen als von Wochen“, sagt sie. Man müsse differenzieren zwischen der Teilnahme am Regelunterricht und am Unterricht in Vorbereitungsklassen.
Dass die Regelklassen voll seien, sei im RP noch nicht bekannt, sagt die Sprecherin. Das RP werde weitere Klassen einrichten und sich um die Lehrerversorgung kümmern, wenn die Schulleitungen sich an die Behörde wendeten.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Geflüchtete an Mannheimer Schulen: Alte Probleme zeigen sich!