Landespreis Werkrealschule

Mannheimer Schüler gewinnen Preis für sozialkritischen Video-Beitrag

Wird die Humboldt-Werkrealschule in der Neckarstadt-West bei Investitionen vernachlässigt, weil sie in einem sozialen Brennpunkt liegt? Dieser Frage ging die Medien AG nach. Dafür erhielt sie einen Preis

Von 
Susanne Merz
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Die Medien AG: Anna Konle (v.l.), Marin Miron, Emmanuel Santos, Martina D’Aguano, Christoph Wolyncewicz, Elza Emilova und Destiny Tack. © Susanne Merz

Mannheim. „Ich war schon stolz auf uns und auch sehr aufgeregt. Das waren viele Emotionen auf einmal“, beschreibt Schüler Emmanuel Santos seine Gefühle, als er in Stuttgart den Preis entgegennahm. Gewonnen haben die Schüler der Humboldt-Werkrealschule in der Neckarstadt-West in der Kategorie Medienbildung. Ausgezeichnet werden mit dem Landespreis Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und 10 an Haupt- oder Werkrealschulen. Der Preis wird in sieben verschiedenen Kategorien vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg verliehen. Besonders nervös sei der Schüler gewesen, „weil ich vor so vielen Menschen sprechen musste“.

Santos war gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Medien AG, wie Marin Miron, am 10. Juli nach Stuttgart zur Verleihung des Landespreises gereist. Begleitet wurden sie von „Fellow“ Anna Konle. Sie ist eine Art Wegbegleiterin der gemeinnützigen Organisation Teach First Deutschland, die an der Humboldt-Werkrealschule tätig ist. Gemeinsam mit Lehrer Christoph Wolyncewicz leitet sie die Medien AG.

Wird die Schule in der Neckarstadt vernachlässigt?

Wolyncewicz hat die Medien AG im Jahr 2018 mit einem ehemaligen „Fellow“ von Teach First gegründet. Über Spenden konnte damals professionelle Ausrüstung angeschafft werden. Daraus hervorgegangen ist das Humboldt TV, für das die Schüler Beiträge produzieren. Wie auch das Gewinner-Video. Dafür haben die Schüler laut Lehrer Wolyncewicz hart gearbeitet: „Es war ein enormer Aufwand, sie waren auch viel in den Ferien hier“. Für ihn steht fest: „Die Schüler haben den Preis verdient.“

Damit sie das Projekt realisieren konnten, musste eine Fahrt nach Berlin organisiert werden. „Um die zu finanzieren, haben die Schüler ein halbes Jahr lang jeden Tag in der Pause Kuchen verkauft“, berichtet der Lehrer. Außerdem konnte über Unterstützung von Teach First ein Teil der Kosten gedeckt werden. Für die Schüler war es ihre erste Reise in die Hauptstadt.

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Und die Fahrt nach Berlin war ein wichtiger Teil des Beitrags: Für das Video besuchten einige Schüler den Bundestag und sprachen mit der Mannheimer SPD-Abgeordneten im Bundestag, Isabel Cademartori. Denn: „Wir wollten wissen, warum unser Schulhof seit 1907 nicht verändert wurde. Wir haben festgestellt, dass andere Schulen, zum Beispiel in Feudenheim, einen viel besseren, ausgebauten Schulhof haben“, erklärt Santos. Dort gebe es auch Bewegungsmöglichkeiten, wie Tischtennisplatten, Basketball- und Fußballplatz.

Im Schulhof der Humboldt-Werkrealschule in der Neckarstadt-West gibt es nichts. Nicht einmal eingezäunt ist das Gelände. Jeder kann den Schulhof betreten. Aber nicht nur das kritisieren die Schüler. Auch die sanitären Anlagen in ihrer Sporthalle werden gezeigt.

Sie wirken marode und verwahrlost. Es geht also um soziale Gerechtigkeit im Beitrag der Schüler. Denn die Neckarstadt-West gilt als sozialer Brennpunkt. Der Verdacht, der im Beitrag geäußert wird: Investiert die Stadt mehr Geld in die Schulen sozial privilegierter Stadtteile? „Wir wollten auch unsere Mitschüler darauf aufmerksam machen, dass hier mal was geändert werden muss“, fasst Santos das Ziel des Videos zusammen. Mit diversen Fragen im Gepäck machten sich die Schüler auf nach Berlin, um die Abgeordnete zu konfrontieren. Ob sie eine Antwort auf ihre Frage erhalten haben? „Eigentlich nicht. Cademartori hat ausweichend geantwortet. Und immer das Gleiche: dass vielleicht in den nächsten zehn Jahren eine Sanierung stattfinden wird. Also an allen Schulen, wenn dafür Geld da sein wird“, sagt Marin Miron, einer der Schüler.

Über den Tellerrand schauen und kritische Haltung einnehmen

Laut einer Pressesprecherin der Stadt Mannheim sollen in den nächsten Jahren 55,4 Millionen Euro in die Umgestaltung der Schule investiert werden. Das angrenzende Areal sei aufgekauft worden, und dort entstehe ein Neubau für den geplanten Ganztagesbetrieb der Grundschule. Zukünftig soll ein zusammenhängender Campus entstehen, auf dem Alt- und Neubau eine größere Hoffläche erhalten. Auch der Bau einer zusätzlichen Sporthalle sei geplant. Derzeit liefen die erforderlichen Vorbereitungen für die Baumaßnahme, und der Umzug sei für das Jahr 2028 geplant. Für die Schüler der Medien AG ist das zu spät.

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Sie thematisieren das Bauvorhaben auch in ihrem Beitrag. Und fordern eine Zwischenlösung, die kurzfristig mehr Bewegungsmöglichkeiten schafft, wie Tischtennisplatten oder Basketballkörbe. Komplett zu sehen ist der 38-minütige Beitrag noch nicht bei Humboldt TV, denn es gebe Probleme bei der Finanzierung. „Wir haben kleine Beiträge von der ZDF-Mediathek und von Welt TV, und um die senden zu dürfen, müssen wir bezahlen“, erklärt Wolyncewicz. Das Geld würden sie wahrscheinlich zusammenbekommen, bis dahin allerdings könne der ganze Film nicht online gestellt werden.

Die Medien AG berichtet viel über schulinterne Angelegenheiten und greift Anregungen und Wünsche der Schüler auf. Es gab aber auch Beiträge, die sich mit anderen Themen beschäftigten. Etwa einen über die Tafel in der Neckarstadt-West. Wolyncewicz ist es wichtig, dass „die Schüler über den Tellerrand schauen und eine kritische Haltung einnehmen“. Deshalb seien auch Recherche und Überprüfung der Aussagen thematisiert worden. Aber natürlich werden auch praktische Kenntnisse vermittelt. „Wir haben sehr viel über Medien gelernt, wie man zum Beispiel schneidet oder wie man Interviews führt“, sagt Emmanuel Santos. Trotzdem plant der 15-Jährige keine journalistische Karriere: „Ich möchte Erzieher werden. Ich habe sogar schon einen Ausbildungsplatz angeboten bekommen.“

Humboldt TV: https://tinyurl.com/276eny5c

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