Mannheim. Eine rote Hand warnt. „Achtung! Menschliche Überreste“, heißt es auf einem Schild auf dem Karton, dazu „Zustand: fragil“. In solchen Kartons stecken die drei Toi moko, also mumifizierte, tätowierte Köpfe von Maori, die sich im Depot der Reiss-Engelhorn-Museen befinden, und in diesen Kartons bleiben sie auch. Ende Mai sollen sie an das Neuseeländische Nationalmuseum zurückgegeben, aber vorher nicht mehr ausgepackt werden.
Der Termin dafür steht bereits fest, die rituelle - nicht öffentliche - Zeremonie mit einer Maori-Delegation sowie Vertretern der neuseeländischen Regierung ist geplant. Gezeigt werden die Köpfe auch da nicht. Zuvor soll es am 25. Mai um 18 Uhr im Anna-Reiß-Saal im Museum Weltkulturen D 5 eine öffentliche Veranstaltung geben, bei der die Geschichte der Exponate und ihre Rückgabe erläutert werden.
Zwei der Maori-Köpfe waren zwar zuletzt in Mannheim in der Mumien-Ausstellung 2007 zu sehen. Aber das lehnen die Maori strikt ab. Sie billigen weder Ausstellungen noch eigenmächtige Forschungen mit den Köpfen der Toten, und daran halten sich die Reiss-Engelhorn-Museen inzwischen. „Ein Handeln gegen den erklärten Willen der Herkunftsgemeinschaft verstieße gegen die ethischen Richtlinien für Museen“, schreiben Generaldirektor Wilfried Rosendahl und seine Stellvertreterin Sarah Nelly Friedland in einer Information an den Gemeinderat, der am Dienstag formal die Rückgabe beschließen muss.
Mit der Rückkehr in die Heimat erlangen die Verstorbenen ihre Würde zurück
Das gilt, zumal sich der Kulturausschuss bereits zugestimmt hat, indes nur als Formsache. Dennoch ist es ein historischer Schritt, denn es handelt sich um die erste Rückgabe von Kulturgut aus den Reiss-Engelhorn-Museen an Herkunftsländer.
Zuvor mussten Juristen grünes Licht geben. Museumsexponate gelten nämlich als Vermögen der Stadt. Allerdings sind nach Einschätzung des Stuttgarter Wissenschaftsministeriums menschliche Überreste „keine erwerb- oder veräußerbaren Vermögensgegenstände“, sie hätten „keinen monetären Wert“. Und längst haben sich die deutschen Museen verpflichtet, solche menschlichen Überreste zurückzugeben, wenn die Herkunftsländer dies wünschen. Vor ein paar Jahren war dies noch anders. 2009 meldete sich das Karanga Aotearoa Repatriation Programm (KARP) zur Rückführung menschlicher Überreste der Maori bei den Reiss-Engelhorn-Museen und erhielt als Antwort, dass eine Rückgabe „nicht geplant“ sei.
Aber dann kam der Leiter des KARP, Te Herekiekie Herewini, 2022 an die Uni Göttingen - und die Reiss-Engelhorn-Museen nutzten die Chance, ihn einzuladen und das Thema „neu zu bewerten“. Es gab eine religiöse Zeremonie zur Erinnerung an die Ahnen, und Anfang Dezember richtete das Neuseeländische Nationalmuseum (Te Papa Tongarewa) ein formales Gesuch um Rückgabe der drei Köpfe an den Oberbürgermeister. Für Rosendahl und Friedland gibt es „aus moralisch-ethischer Sicht“ keine Zweifel, dass dem schnell stattzugeben ist. Auch andere deutsche Sammlungen, darunter die Charite Berlin oder das Senckenbergmuseum Frankfurt, haben das bereits getan.
„Gemäß den Glaubensvorstellungen der indigenen Gemeinschaften ist mit der Rückkehr der Überreste nach Neuseeland der Gedanke verbunden, dass die Verstorbenen und ihre Nachfahren ihre Würde zurückerlangen“, erläutern die Museumsexperten. Die Tätowierungen der Köpfe, deren Ornamente Auskunft über die soziale und familiäre Herkunft des Trägers innerhalb der Gemeinschaft der Maori geben, seien „Ausdruck der Identität der Person“ und besonders umfangreich bei hochrangigen Stammesführern.
Wie die Exponate vor vielen Jahrzehnten nach Mannheim gelangten, weiß man nicht genau
Zum Brauchtum der Ureinwohner habe das Präparieren und Mumifizieren von tätowierten Köpfen (mokomokai) durch einen aufwendigen Räucherungsprozess gehört. Einmal habe man Köpfe getöteter Feinde als Trophäen und zur Abschreckung aufbewahrt, aber auch Häupter von verstorbenen Verwandten und besonders angesehenen Stammesmitgliedern verehrt. Je mehr Europäer zur Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts nach Neuseeland vordrangen, versuchten sie, tätowierte Mumienköpfe zu kaufen - bis der Handel 1831 verboten wurde, weil wegen der großen Nachfrage Europäer sogar Einheimische gezielt töteten, nur um an tätowierte Köpfe zu kommen.
Wie die drei Maori-Köpfe nach Mannheim gelangt sind, ist nicht ganz klar. Jedenfalls befinden sie sich, so die Reiss-Engelhorn-Museen, „seit vielen Jahrzehnten“ in den Beständen der ethnologischen Sammlung. Ein Toi moko lässt sich einem Maori zuordnen, der um 1820 als Händler nach England reiste und sich dort aus Geldmangel der Truppe von Captain Hancock anschloss, der eine Art Wanderzirkus unterhielt. Dieser Mann starb 1824 in Leeds, sein Kopf wurde in England präpariert und auf einer Figurine mit seinen Kleidern präsentiert. Später war der Schädel bis 1939 in Berlin im Museum. „Wann er nach Mannheim gelangte, ist unbekannt“, so die Reiss-Engelhorn-Museen.
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Zwei der Köpfe seien, zumindest nach derzeitigem Forschungsstand, traditionell in Neuseeland hergestellt und irgendwann nach Europa gebracht worden. Bei einem weiß man, dass er 1935 durch den Ringtausch von Völkerkunde-Exponaten Badischer Museen aus Karlsruhe nach Mannheim kam. Beim dritten Exemplar steht gar kein Eingangszeitpunkt in den Depotunterlagen.
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