Mannheim. „Ich komme Zuhause noch ganz gut zurecht“, sagt die alte Dame mit sichtlichem Stolz. Und ihre aus der Schweiz angereiste Tochter nickt zustimmend. Aber dann schiebt die 86-Jährige leise nach, dass der schwere Schlaganfall des Ehemannes gezeigt habe, wie schnell sich alles zu ändern vermag. Die beiden Frauen wollen sich beim 6. Mannheimer Pflegeforum, das der „Mannheimer Morgen“ in der Abendakademie mit veranstaltet, über Unterstützungsmöglichkeiten informieren.
Mutter und Tochter lassen sich an verschiedenen Ständen beraten. Die beiden erstaunt, dass es eine 24-Stunden-Pflege in den eigenen vier Wänden gibt. Motto: „Die beste Seniorenresidenz ist das eigene Zuhause.“ Der zertifizierte Pflegedienst betont, dass seine Kräfte sozialversicherungspflichtig angestellt sind, und er berechtigt ist, direkt mit der Pflegekasse abzurechnen. „Für mich ist beruhigend, dass es so etwas gibt“, kommentiert die Tochter und erzählt, dass sie wegen ihres Lebensmittelpunktes in der Schweiz immer nur zu Besuch komme. „Aber ich will aus meinem Mannheim nicht weg“, ergänzt die Mutter. Der Seniorin macht aber zu schaffen, dass sie seit dem Tod ihres Mannes die Tage als lang und meist langweilig empfindet. Aber mit dem Rollator sei sie nur ungern allein unterwegs.
Hörgeräte rechtzeitig einsetzen
Die Mittachtzigerin sucht das Gespräch an dem Stand eines privaten Dienstes, der gewissermaßen Zeit anbietet - ob bei Spaziergängen, Kartenspiel oder einfach in Form von Zuhören. Als eher am Rande zur Sprache kommt, dass Alltagsbegleiterinnen vor einem gemeinsamen Ausflug, ob in eine Konditorei oder in den Luisenpark, auf Wunsch die Haare frisieren und das Gesicht dezent schminken, zeigt sich die gepflegte alte Dame beeindruckt. „Das wäre was für mich“, raunt sie der Tochter zu.
Am Stand der Alzheimer Gesellschaft mag die Mittachtzigerin hingegen nicht stehen bleiben - sie informiert sich lieber einen Tisch weiter, was es mit dem Schreiben einer eigenen Biografie auf sich hat. Sie greift zu einem Flyer, in dem auch erläutert wird, wie ein Hörbuch mit der eigenen Lebensgeschichte hergestellt werden kann. Währenddessen studiert die Tochter nebenan ausliegendes Material über die Krankheit des Vergessens und den Umgang damit. Gleichzeitig lauscht sie einem Beratungsgespräch. Eine erfahrene Beraterin der „Selbsthilfe Demenz“ klärt Angehörige auf, wie ein Pflegegrad beantragt wird und später eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst vor sich geht.
Zwei Stände weiter bestaunt ein älteres Paar ein winziges Hörgerät, dessen Technologie verspricht, Stimmengewirr in anregende Gruppengespräche zu verwandeln. Eine jüngere Ratsuchende berichtet, dass ihr Vater zwar eine moderne Hörhilfe besitzt, diese aber vorwiegend in der Schublade liege. Die Hörakustikerin kennt das Phänomen. Manchmal habe dies damit zu tun, dass Senioren erst zum Arzt gehen, wenn sie kaum noch etwas verstehen und ein auf hundert prozentiges Hören eingestelltes Gerät fast als Schock empfinden. Dazu komme, dass selten bis fast nie getragene Hörgeräte dem Hirn keine Chance geben, wieder zu lernen, unterschiedliche Geräusche einzuordnen.
Die Mittachtzigerin, die bestens auf ihre Hörhilfe eingestellt ist, zieht es zu der kleinen Rollatoren-Schau. Das Sanitätshaus ermöglicht, die Demo-Exemplare praxisnah auszuprobieren - auf einer Platte mit Unebenheiten und einer anschließenden Stahlwippe. Die Journalistin testet sowohl das Standard-Kassenmodell, das 10,5 Kilogramm schwer ist, und das gut halb so leichte Carbon-Modell der Luxusklasse. Zwischen dem Roll-Komfort liegen Welten. Allerdings auch im Preis. Beim Rolls-Royce unter den rollenden Leichtgewicht-Gehhilfen gilt es um die 500 Euro aufzuzahlen. Inspiziert werden kann außerdem ein kompaktes wie zusammenklappbares Elektromobil, das damit wirbt, für Flugreisen und Meeres-Kreuzfahrten tauglich zu sein.
Zu den Ausstellern gehören auch Anbieter, die das Zuhause im Blick haben. Und so möchte ein betagtes Ehepaar von einem spezialisierten Bauunternehmen wissen, wie sich nachträglich ein altes Bad barrierefrei umgestalten lässt. Und ganz nebenbei gibt es Tipps für das Ummodeln der Küche, weil die Frau nach einer Rückenoperation immer mal die Körperhaltung wechseln muss. Von Arbeitsflächen mit flexibel verstellbaren Höhen und von Liftsystemen, die bei Oberschränken einen bequemen Zugriff aus stehender und sitzender Position ermöglichen, hört sie zum ersten Mal.
Infostände und Vorträge
An jenem Tisch, wo mit einem mobilen Scanner strahlenfrei die Wirbelsäule vermessen wird, geht es um Matratzen, Lattenroste und Nackenkissen, die geeignet sind, schmerzbedingten Schlaf- und Liegebeschwerden entgegenwirken. Angesichts jüngster Schlagzeilen über eine Bettwanzen-Plage in Frankreich kreist so manch ein Gespräch um Spannbetttücher, die mit Zinkoxid behandelt sind und so das Wachstum von Bakterien hemmen sollen - und möglicherweise auch von Parasiten.
Dass während des sechsstündigen Pflegeforums die Beratungsstände mal umlagert sind, dann wieder verwaist erscheinen, kommt nicht von ungefähr: Im ersten Obergeschoss ziehen nämlich unterschiedliche Kurzvorträge zwischendurch viele der Besucher und Besucherinnen an. Als begehrt erweisen sich ausliegende Stofftaschen. Und die präsentieren sich beim Verlassen der Abendakademie nicht selten prall gefüllt. Auch die 86-jährige Mannheimerin und ihre Tochter haben sich mit Flyern und Broschüren eingedeckt.
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