Oberlandesgericht Stuttgart

Mannheimer Messerattentat: Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess

Das Messerattentat auf dem Mannheimer Marktplatz und der Tod des Polizisten Rouven Laur hat ganz Deutschland bewegt. Heute beginnt der Prozess gegen Sulaiman A. Alle wichtigen Infos.

Von 
Agnes Polewka
Lesedauer: 
Der Prozess um das Mannheimer Messerattentat wird in Stuttgart-Stammheim am Oberlandesgericht verhandelt. © picture alliance/dpa

Stuttgart/Mannheim. Am 13. Februar beginnt einer der wichtigsten Prozesse der Mannheimer Geschichte: das Staatsschutzverfahren gegen den Afghanen Sulaiman A., der sich wegen des Messerattentats auf dem Marktplatz am 31. Mai 2024 vor Gericht verantworten muss. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Prozess im Überblick.

Was passierte am 31. Mai auf dem Mannheimer Marktplatz?

Bei Vorbereitungen zu einer Kundgebung des rechtspopulistischen Vereins „Bürgerbewegung Pax Europa“ griff ein Mann – offenbar gezielt – den Chef des rechtspopulistischen Vereins, Michael Stürzenberger, mit einem Messer an. Er stach mehrere Male auf ihn sowie Mitstreiter und herbeigeeilte Passanten ein. Den Polizisten Rouven Laur, der in das Tatgeschehen eingriff, verletzte er so schwer am Kopf, dass der 29-Jährige wenig später starb. Der Schuss eines Polizisten stoppte den Mann schließlich. Weil die „Bürgerbewegung Pax Europa“ ihre Kundgebung via Live-Stream ins Netz übertrug, kursierte schon bald ein Video von der Tat, das zigfach in den sozialen Medien geklickt, angesehen und geteilt wurde.

Was wirft die Bundesanwaltschaft dem mutmaßlichen Täter Sulaiman A. vor?

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage wegen Mordes, fünffachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung erhoben. Es gebe Hinweise darauf, dass der Angeschuldigte mit dem „Islamischen Staat“ – kurz IS – sympathisiere und dass er dessen Ideologie teile, hieß es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft Anfang November. Und: Spätestens Anfang Mai 2024 entschloss sich der Mann dazu, in Deutschland einen Anschlag auf „vermeintlich Ungläubige“ zu begehen.

Warum führt die Bundesanwaltschaft die Anklage?

Bereits wenige Tage nach der Tat zog die oberste deutsche Anklagebehörde die Ermittlungen zur Tat an sich. Dies passiert nur in schwerwiegenden Fällen, die den Staatsschutz beeinträchtigen, die die innere und äußere Sicherheit gefährden könnten. Die oberste deutsche Anklagebehörde geht bei dem tödlichen Messerangriff in Mannheim von einer Straftat aus, die „geeignet ist, die innere Sicherheit in Deutschland“ zu gefährden, sagte eine Sprecherin der Behörde im Sommer auf Anfrage.

Woraus ergibt sich die besondere Bedeutung des Verfahrens?

Nach Abschluss der Ermittlungen soll sich die Annahme erhärtet haben, dass es sich hierbei um einen Fall von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung handelt – erstens, weil das Attentat einen Angriff auf die Meinungsfreiheit darstelle. Zweitens: Die Behörde befürchtet, dass diese Tat eine Signalwirkung haben könnte und Nachahmer auf den Plan rufen könnte. Tatsächlich folgten in den vergangenen Monaten weitere Anschläge, die aber – bis auf Solingen – nur wenige Gemeinsamkeiten zu dem Mannheimer Fall aufweisen. Diese Tat – so die Annahme der Bundesanwaltschaft – besitzt das Potenzial, ein Klima der Angst zu schaffen und die Gesellschaft in Deutschland zu spalten. Denn nach der Tat – und vor allem nach dem Tod von Rouven Laur am 2. Juni 2024 – überschlagen sich die Ereignisse in der Stadt. Über das Mannheimer Messerattentat entbrennt eine hitzige Debatte über die Migrationspolitik im Land.

Was unterscheidet ein Staatsschutzverfahren von einem „normalen“ Strafverfahren?

Das Staatsschutzstrafrecht dient dem Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Geschützte Rechtsgüter sind unter anderem der Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die äußere und innere Sicherheit, aber auch die Verfassungsgrundsätze wie die Volkssouveränität und die Gewaltenteilung, das Rechtsstaatsprinzip oder die Unabhängigkeit der Gerichte. In Staatsschutzverfahren werden die Strafsenate des Oberlandesgerichts in der Regel als Bundesgericht tätig. Anklagebehörde ist nicht die Staatsanwaltschaft oder die Generalstaatsanwaltschaft als Landesbehörde, sondern der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof.

Wo findet der Prozess statt?

Der Prozess findet am Hauptstadt-Oberlandesgericht in Stuttgart statt. An den Hauptstadt-Oberlandesgerichten sind die sogenannten Staatsschutzsenate angesiedelt. Sie sind in erster Instanz zuständig für Staatsschutzdelikte wie Hochverrat, Landesverrat, Gefährdung der äußeren Sicherheit oder auch Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Daneben – und so auch in dem vorliegenden Verfahren um den Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz – sind sie auch bei besonderes schweren Straftaten wie Mord und Totschlag zuständig, wenn der Generalbundesanwalt das Verfahren wegen des staatsgefährdenden Charakters und der besonderen Bedeutung an sich gezogen hat. Das Verfahren findet im Prozessgebäude des Oberlandesgerichts in Stuttgart-Stammheim statt, das über zwei Gerichtssäle verfügt, die für Hochsicherheitsverfahren geeignet sind. Seit fast fünfzig Jahren werden hier Staatsschutzverfahren verhandelt. Unvergessen sind die Prozesse gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) in den siebziger Jahren. Sulaiman A. wird sich vor dem 5. Strafsenat unter dem Vorsitz von Richter Herbert Anderer verantworten müssen. Der Senat ist in der Hauptverhandlung mit fünf Richtern – einschließlich des Vorsitzenden Herbert Anderer – besetzt. Dieser führte in den vergangenen Jahren etwa im Strafprozess gegen die Mitglieder der mutmaßlichen Rechtsterrorgruppe S. den Vorsitz.

Wann könnte ein Urteil fallen?

Wegen der Komplexität der Verhandlung sind über 50 Prozesstage angesetzt. Ob der Prozess tatsächlich acht Monate andauern wird, früher endet oder sich noch länger hinziehen wird, hängt vom Gang der Verhandlung ab. Für den ersten Prozesstag ist zunächst die Anklageverlesung vorgesehen.

Sind Prozessbeobachterinnen und -beobachter zugelassen?

Die Hauptverhandlung ist öffentlich und soll regelmäßig im Sitzungssaal 1 des Prozessgebäudes in Stuttgart-Stammheim stattfinden. Dort gibt es laut Gericht insgesamt 95 Sitzplätze, 45 davon sind für Journalistinnen und Journalisten reserviert, die sich für den Prozess akkreditiert haben. Insbesondere beim Prozessauftakt ist mit einem hohen Besucheraufkommen zu rechnen. Deshalb öffnet das Gebäude bereits zwei Stunden vor Beginn der Verhandlung, die am 13. Februar um 10.30 Uhr beginnen soll.

Welche Regelungen und Einlasskontrollen gibt es?

Die Verfügung des Vorsitzenden Richters sieht vor, dass keinerlei Gegenstände, die zur Demonstration, die geworfen, gesprüht oder mit deren Hilfe geschlagen werden könnte, mit in den Gerichtssaal genommen werden dürfen. Gleiches gilt für Schreibgeräte, Taschen, Telefon- und Funkgeräte, Laptops und Tablets. Auch Geräte, mit deren Hilfe Ton- oder Bildaufnahmen gefertigt werden können, sind verboten. Neben einer Durchsuchung (Abtasten der Kleidung, unter anderem mit einem Metallsuchgerät) müssen sich Besucherinnen und Besucher darauf einstellen, dass ihre Ausweise kontrolliert und eingescannt werden. Auch im Sitzungssaal gelten strenge Regeln. So sind Kontaktaufnahmen zum Angeklagten untersagt. Und: Wer den Saal für länger als 15 Minuten verlässt, verliert seinen Platz. Sobald alle Plätze belegt sind, werden keine weiteren Zuschauerinnen und Zuschauer mehr eingelassen.

Redaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke