Mannheim

Mannheimer Maritim-Hotel seit Sonntag geschlossen

Es galt einst als "einziges Hotel ersten Ranges" in Mannheim: das Parkhotel am Wasserturm. Bekannt ist es längst als Maritim-Hotel - seit vergangenem Sonntag ist es nun geschlossen. Ein Rückblick auf Glamour, Kriege und einen Juwelen-Diebstahl

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
Lesedauer: 
Ein Blick auf das Maritim Hotel am Wasserturm. © Thomas Troester

Mannheim. „Mit den Gefühlen freudigen Stolzes haben die Mannheimer den Pfälzer-Hof-Neubau verfolgt, sie sehen in ihm ein Stück von Neu-Mannheim entstehen - würdig der Bedeutung unserer Stadt.“ So stellt der General-Anzeiger anno 1901 das von einer Kuppel gekrönte Hotel am Wasserturm vor. 122 Jahre später sorgt der Prachtbau im Renaissancestil erneut für Schlagzeilen: Es steht nämlich eine Zäsur an, weil der Pachtvertrag mit der Kette Maritim ausläuft. Seit 15. Oktober 2023 ist das Hotel nun geschlossen. Da drängt sich auf, die Geschichte der Immobilie mit den wechselnden Namen an exponiertem Standort auszuleuchten.

Das Bild zeigt den Friedrichsring im Februar 1955, als die Fahrbahndecke ausgebessert wurde. Im Hintergrund steht das Parkhotel. © Leppink

Um die 80 Gasthöfe und Hotels gibt es, als Mannheim 1907 jubiliert und 300 Jahre Stadtrechte feiert. Als eines der damals „vornehmsten Häuser“ bezeichnet Marchivum-Historiker Andreas Schenk den Pfälzer Hof, der bereits 1750 am Paradeplatz eröffnet und mehrfach umgebaut wird. Mit der Entwicklung zur Handels- und Industriestadt, so der Wissenschaftler, steigt die Zahl der Geschäftsreisenden. Und so beschließen Eigentümer des Pfälzer Hofs, eine gastliche Dependance mit höchsten Ansprüchen in der Oststadt, dem neuen Viertel des Großbürgertums, zu errichten.

Mehr zum Thema

Innenstadt

Gebäude des Maritim in Mannheim soll Hotel bleiben

Veröffentlicht
Von
Esther Lehnardt
Mehr erfahren
Innenstadt

Ein Stück Geschichte geht zu Ende: Maritim Hotel in Mannheim schließt

Veröffentlicht
Von
Esther Lehnardt und Marco Pecht
Mehr erfahren
Immobilien

Früheres BBC-York-Gebäude: Uneinigkeit um neues Hotel in Mannheim

Veröffentlicht
Von
Valerie Gerards
Mehr erfahren

Das Konsortium erwirbt das Areal am Friedrichsplatz auch deshalb, weil es prestigeträchtig an der Wasserturm-Jugendstilanlage und fußläufig zum Hauptbahnhof liegt. Die renommierten Architekten Georg Anton Karch und Joseph Köchler bekommen den Auftrag, für das Parkhotel ein repräsentatives Eckgebäude zu entwerfen. Das Mannheimer Planer-Duo wird in der aufstrebenden Quadratestadt eindrucksvolle Spuren hinterlassen: Von Karch und Köchler stammen beispielsweise die Villa des Industriellen Paul Giulini in L 5, 3, das neubarocke Domizil der einstigen Produktenbörse (heute Musikschule) in E 4 und die Pakheiser-Villa in der Werderstraße (wunderbar von der „Räuberhöhle“ saniert).

110 behagliche Fremdenzimmer

In einem Aufsatz schildert Architekt Karch das Innere hinter der hellgelben Fassade aus Heilbronner Sandstein: „Von dem in verschiedenfarbigen Marmor ausgeführten Vestibül führen eine Treppe aus Carrara-Marmor und ein elektrisch betriebener Personenaufzug zu den oberen Stockwerken, welche ausschließlich zu Hotelzwecken dienen.“

Die 110 „Fremdenzimmer“ mit jeweils doppelten Türen seien „elegant und behaglich ausgestattet“. Ein Foto von dem schlossähnlichen Festsaal mit gewölbter Decke (acht Meter Höhe!) kündet von pompösen Feiern und Empfängen. Zur Historie gehören auch Geschichten aus dem prallen Leben: So soll der umjubelte russische Opernsänger Georges Baklanoff 1912 bei einem Gastspiel am Mannheimer Nationaltheater als Rigoletto im Parkhotel seine spätere Frau kennengelernt haben.

Ein Blick in die Lobby des Maritim Hotels in Mannheim. © Maritim

Mitte der 1920er wird die Hotelimmobilie an einem „der schönsten Plätze Deutschlands“, wie Publikationen schwärmen, modernisiert. Als kleine Sensation gilt, dass alle Zimmer „Fernsprecher“ erhalten. Allerdings machen schon bald zunehmende Konkurrenz und nachlassende Wirtschaftskraft zu schaffen. Und so fragen Zeitungen 1930: „Was wird aus dem Parkhotel?“ Damaligen Artikeln ist zu entnehmen: Das 1929 an der Augustaanlage von der Stadt im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtete „Palasthotel“ ist auf kommunale Zuschüsse angewiesen, was ihm den Spottnamen „Ballasthotel“ einbringt.

Die Pianobar im Mannheimer Maritim Hotel. © Maritim

Seinerzeit ahnt niemand, dass in weniger als einem Jahrzehnt der Zweite Weltkrieg ausbricht. Das Parkhotel trotzt zwar Bombenhagel und Brand - verliert aber seine Dachkuppel, einst jener des Hauptbahnhofes nachempfunden. Immerhin steht bereits 1950 fest: Das Gebäude soll wieder als Hotel dienen, allerdings weniger prunkvoll. So wird der Flügel mit dem Festsaal und kleineren Empfangsräumen zugunsten des neuen Amerikahauses samt kulturellem Angebot aufgegeben. Als 1956 die erste russische Gesellschaft des sowjetischen Reisebüros „Intourist“ im Parkhotel Quartier nimmt, sorgt dies für Schlagzeilen.

„Kein Winkel blieb verschont“, titelt der „MM“ , als das Gebäude 1969 nach einer Generalüberholung wie neu erstrahlt. Allerdings ist jetzt nicht mehr von einem Grand-Hotel, sondern einem Mittelklasse-Hotel die Rede. Schon drei Jahre später verkauft die Parkhotel-GmbH „Mannheims Visitenkarte am Wasserturm“ für sechs Millionen D-Mark an die Karlsruher Lebensversicherungs AG. Und die sagt zu: Bis mindestens zum Ende der ersten Mannheimer Bundesgartenschau, nämlich 1975, soll der Betrieb weitergehen.

Umbau in 18 Monaten

Als Anfang der 1980er die Hotelkette Maritim als Pächter einsteigt und neuen Luxus hinter alten Mauern ankündigt, kommt Bewegung in die Branche: Im N 6-Quadrat entsteht ein Neubau mit dem „Holiday Inn“. Gleichzeitig beginnt beim Parkhotel ein 18-monatiger Umbau: Dabei wird das provisorische Nachkriegsdach abgetragen und durch ein Mansardendach ersetzt, das die einstige Kuppel samt Ecktürme modifiziert aufgreift - nach einem Entwurf des Mannheimer Architekten Andreas Plattner, der übrigens 2016 seinen 90. Geburtstag feierte.

So sieht ein Superior Zimmer im Mannheimer Maritim Hotel aus. © Maritim

„Ein sieben Meter langer Cadillac rollt vor. Bell-Boys im Livree reißen den Schlag auf. Die Kammersänger Jean Cox und Franz Mazura steigen aus.“ So beschreibt der „MM“ 1984 den Promi-Aufmarsch zur Eröffnung des Hotels, jetzt „Parkhotel Maritim“. Und weil Direktor Luigi Guarneri ein Abkömmling der berühmten italienischen Geigenbauerfamilie ist, organisiert dieser ein Jahr später eine Violinen-Ausstellung, bei der sogar zwei „Stradivaris“ hinter Glas zu bestaunen sind.

Juwelendiebstahl sorgt für Aufsehen

Edles präsentiert das Hotel fortan in einem Schaukasten. Allerdings ist damit Schluss, als es Dieben 1995 zu später Stunde gelingt, das Panzerglasbehältnis im Foyer aufzuhebeln und Juwelen im Wert von 80 000 Mark auszuräumen. Ob die Sicherungsanlage funktioniert hat, bleibt ungeklärt. Vermutlich hätte der Nachtportier den Alarm ohnehin nicht gehört, weil er von einem der unter falschen Namen einquartierten Profi-Ganoven mittels Getränkebestellung aufs Zimmer ins obere Stockwerk gelockt worden war.

Kurz vor der Jahrtausendwende erhält die Fassade erneut eine Verjüngungskur, nach Denkmalschutz-Kriterien versteht sich. Als 2019 die Pro Concept AG das Gebäude kauft, bleibt vorerst alles beim Alten - weil der Maritim-Pachtvertrag noch bis Ende 2023 läuft. Auf seiner Homepage präsentiert sich das Immobilienunternehmen beispielsweise mit dem Neubau der Ludwigshafener Pfalzwerke, der Mannheimer Stadtvilla „Luisenpark Nr. 4“, dem Luzenberg-Wohnkomplex „Joy am Ufer“. Die Gruppe, die am Wasserturm - mit Blick aufs Maritim - residiert, hat (wie berichtet) gegenüber dem „MM“ erklärt: Das Traditionshaus, das sich in den 1920ern als „einziges Mannheimer Hotel ersten Ranges“ rühmte, soll auch in Zukunft Gäste beherbergen. Welches Hotel einziehen wird, ist nicht bekannt.

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen