Kommunalpolitik

Mannheimer Liste äußert sich zur Demo gegen rechts und zum Umgang mit der AfD

Bei der Demo gegen rechts stand die Mannheimer Liste nicht auf der Bühne. Christiane Fuchs und Holger Schmid sprechen über Versäumnisse im Vorfeld und vermissen eine Distanzierung der AfD beim Thema "Remigration"

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Florian Karlein , Sebastian Koch und Timo Schmidhuber
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Vermissen von der Mannheimer AfD eine Distanzierung von den „Remigration“-Plänen: Holger Schmid und Christiane Fuchs im „MM“-Interview. © Thomas Tröster

Mannheim. Frau Fuchs, Herr Schmid, bei der großen Kundgebung gegen Rechtsextremismus am vergangenen Samstag standen Vertreter von Grünen, SPD, CDU, FDP und Linkspartei hinter Oberbürgermeister Christian Specht auf der Bühne, um Position zu beziehen – aber kein Vertreter der Mannheimer Liste. Das hat für Diskussionen gesorgt. Hat die ML da einen Fehler gemacht?

Holger Schmid: Nein.

Christiane Fuchs: Uns ist wichtig, die Angelegenheit sachlich aufzuarbeiten. In den letzten Tagen war die Debatte über die Rolle der Mannheimer Liste bei der Kundgebung sehr emotional. Es wurde so dargestellt, als hätten wir uns der Kundgebung verweigert. Ich kann Sie aber beruhigen: Das ist nicht der Fall. Wir sind gegen Rechtsextremismus, um das mal ganz deutlich klarzustellen.

Stichwort Aufarbeitung. Es geht zwischen der ML und dem Organisationsteam um die Vorsitzende des Migrationsbeirats, Zahra Alibabanezhad Salem, und Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier auch darum, wer wen eingeladen oder über eine Teilnahme informiert hat. Bringen Sie doch mal Licht ins Dunkel.

Fuchs: Am 19. Januar wurde der Aufruf per Mail an drei ML-Stadträte verschickt, am 20. haben wir uns von Vorstand und Fraktion zusammentelefoniert und festgestellt, dass alle verhindert sind für die Kundgebung am 27. Januar. Ich war der Meinung, dass wir da unbedingt dabei sein müssen, und habe versucht, mir Zeit freizuschaufeln, aber das hat nicht funktioniert. Deswegen habe ich mit Christiane Säubert, meiner Stellvertreterin im Vorstand, gesprochen. Und unsere Vorstandskollegin Ully Ginkel hat Herrn Fontagnier auch per WhatsApp darüber informiert, dass jemand von der Mannheimer Liste kommen wird.

Schmid: Die Kundgebung ist ja nicht die erste Veranstaltung, die wir mit grünen Stadträten machen. Es gab etwa Proteste gegen den Krieg in der Ukraine – da war es gemeinsam mit Chris Rihm. Mit ihm ist die Kommunikation eine ganz andere.

Das war ein formloser Aufruf, und wir sind dem formlos gefolgt. Christiane Säubert war unsere offizielle Vertreterin.
Christiane Fuchs

Wie genau wurde Herrn Fontagnier und den Organisatoren der Kundgebung mitgeteilt, dass Frau Säubert die ML vertritt? In der WhatsApp-Nachricht steht das ja nicht.

Fuchs: Es war auch nicht gefordert, dass wir das mitteilen. Ich habe am Freitag vor der Demo noch am Rande mit Chris Rihm gesprochen, der auch an der Organisation beteiligt war, und ihm gesagt, dass Christiane Säubert kommt. Natürlich ist es so, dass die Beteiligten der Kundgebung alle viel zu tun hatten und ich nicht in Abrede stellen will, dass das möglicherweise untergegangen ist.

Aber außer dieser Whatsapp-Nachricht gab es keine schriftliche Rückmeldung vonseiten der ML an die Organisatoren?

Schmid: Ja. Ich sage auch nicht, dass das die optimale Rückmeldung war. Aber dass Herr Fontagnier der Presse gegenüber behauptet, er hätte keine Rückmeldung erhalten, ist falsch.

Fuchs: Um eine Mitteilung darüber, wer kommt oder wer auf der Bühne steht, wurde auch nicht gebeten. Das war ein formloser Aufruf, und wir sind dem formlos gefolgt. Christiane Säubert war unsere offizielle Vertreterin. Wenn ihr jemand ein Mikro in die Hand gegeben hätte, hätte sie was sagen dürfen, und ansonsten war es wichtig, dass sie Präsenz zeigt. Und das hat sie getan, stand sogar weit vorne. Man kann ihr aber nicht vorwerfen, dass sie sich nicht an den Ordnern vorbei auf die Bühne gedrängelt hat.

Christiane Fuchs, Holger Schmid und die ML

  • Die Freien Wähler/Mannheimer Liste (ML) sind aktuell mit vier Stadträten im Mannheimer Gemeinderat vertreten – neben Achim Weizel und Christopher Probst gehören auch Christiane Fuchs und Holger Schmid der Fraktion an.
  • Schmid ist Fraktionschef, der Medienunternehmer aus Seckenheim ist seit 2014 Mitglied des Gemeinderats.
  • Die Schneidermeisterin und Designerin Fuchs ist stellvertretende Fraktionschefin und zugleich auch Vorsitzende der Mannheimer Liste.
  • Die ML ist ein parteiunabhängiger Verein. Er hat aktuell rund 130 Mitglieder. (imo)

 

Wäre es Ihnen denn wichtig gewesen, oben auf der Bühne bei den anderen Parteivertretern zu stehen?

Fuchs: Wenn wir das gewusst hätten, wäre sie oben gewesen. Wir wussten es aber leider nicht.

Schmid: Und lassen Sie mich noch etwas ergänzen, das uns geärgert hat. Laut Ablaufplan hieß es letztlich, es spricht nur der Oberbürgermeister. Dann hat sich da auch jeder daran zu halten, und kein Stadtrat hat ein Statement politischer Art abzugeben. Herr Fontagnier hat dann nicht zu werten: Die Mannheimer Liste sei nicht da. Ich kenne Herrn Fontagnier schon lange. Und das war kein faires Spiel. Für uns drängt sich der Verdacht auf, dass es ihm sogar recht war, dass wir uns nicht gemeldet haben. Als Integrationsfigur im Gemeinderat ist er nicht bekannt.

Von der Positionierung auf der Bühne geht jede Menge Symbolik aus. Da standen hinter dem Oberbürgermeister sämtliche Parteien außer der AfD – und der Mannheimer Liste. Das ist doch für Sie ein verheerendes Bild. Deswegen ist doch der Punkt: Wenn es der ML wirklich wichtig gewesen wäre, Flagge zu zeigen, hätte Sie sich doch mit mehr Eigeninitiative darum bemühen können.

Fuchs: Das ist schon richtig.

Schmid: Ich habe einen anderen Vorschlag. Vielleicht sollte die Organisation bei einer solchen Veranstaltung auf eine breitere Basis gestellt werden. In Ludwigshafen organisiert die Kundgebung der DGB. Und vielleicht könnte man die Organisation bei künftigen Kundgebungen in Mannheim um die beiden Kirchen und den DGB erweitern.

Aber ich bin natürlich trotzdem ganz klar gegen Rechtsextremismus – das würde ich natürlich jederzeit unterschreiben.
Christiane Fuchs

Sie sagen also, sie wären gerne dabei und auf der Bühne gewesen. Wieso steht dann kein prominenter Vertreter – vor allem die Mitglieder der Gemeinderatsfraktion – unter dem Aufruf auf der Homepage von Mannheim sagt Ja, den mehr als 1200 Unterstützer unterschrieben haben?

Fuchs: Möglicherweise habe ich das falsch aufgefasst. Ich dachte, ich kann doch nicht unterschreiben, wenn ich ohnehin nicht zur Kundgebung kommen kann. Aber ich bin natürlich trotzdem ganz klar gegen Rechtsextremismus – das würde ich natürlich jederzeit unterschreiben.

Das wäre wohl die erste Großdemo in Mannheim gewesen, bei der die Anwesenheit überprüft wird. Aber noch eine andere Frage: An diesem Mittwoch haben Grüne, SPD, CDU, FDP und Linke eine „Gemeinsame Erklärung für Demokratie der Mannheimer Parteien“ verschickt. Auch in dieser Erklärung fehlt – neben der AfD – die ML als einzige Partei aus dem Gemeinderat. Warum?

Schmid: Wir haben die Pressemitteilung auch bekommen und uns genauso gewundert wie Sie.

Meine Haltung ist klar: Die ML wird auf allen Podien sitzenbleiben. Man darf in dieser Stadt der AfD kein Podium überlassen.
Holger Schmid

Ein Treffen am 16. Januar, bei dem alle Parteien aus dem Gemeinderat ihren Umgang mit der AfD besprochen haben, hat die ML kurzfristig abgesagt.

Schmid: Das stimmt. Ich halte von gemeinsamen politischen Aktionen gegen die AfD nichts. Wir machen die AfD dadurch zu Märtyrern. Wir können uns doch darauf verständigen, dass wir alle die AfD kleinhalten wollen. Aber wir können unterschiedliche Wege zu diesem Ziel nehmen. Ich würde jeden als verrückt erachten, der sich nicht mit der AfD auf ein Podium setzt und ihr das Feld überlässt. Ich will sie in der Diskussion politisch stellen und erreichen, dass die Menschen sie nicht wählen. Meine Haltung ist klar: Die ML wird auf allen Podien sitzenbleiben. Man darf in dieser Stadt der AfD kein Podium überlassen.

Wie wollen Sie die AfD stellen?

Schmid: Mit guter Politik. Je nach Umfrageinstitut wählen sechs bis sieben Prozent die AfD, weil sie von ihr wirklich überzeugt ist. Diese sechs bis sieben Prozent erreichen wir leider nicht mehr. Je nach Umfrage steht die AfD aber bei 15 bis 20 Prozent. Das bedeutet, es gibt ganz viele, die wir zurückholen können. Da bringt es aber nichts, nach jedem Bericht zu sagen, man dürfe die AfD nicht mehr wählen und jetzt erst recht nicht mehr. Dem Wähler vorzuschreiben, was er darf – das funktioniert garantiert nicht. Wir müssen inhaltlich überzeugen.

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Ist die AfD für Sie eine rechtsextreme Partei?

Fuchs: Wenn die Bundesspitze die Positionen vom Potsdamer Treffen und die Teilnahme daran nach außen nicht explizit stark und deutlich ahndet, ja. Das vermisse ich auch auf kommunaler Ebene.

Sie vermissen von der Mannheimer AfD eine Distanzierung von den „Remigration“-Plänen?

Fuchs: Absolut.

Schmid: Ganz eindeutig. Ich habe in dieser Woche auch Herrn Siegholt …

… dem AfD-Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat …

Schmid: … nochmal gesagt, dass man sich davon distanzieren muss. Ich habe aber die große Hoffnung, dass jetzt viele Menschen aufgewacht sind und erkennen, dass die AfD eben keine harmlose Gruppierung ist.

Ich kann aber auch nicht alles unkommentiert lassen, was die AfD macht. Was die AfD macht, ist brandgefährlich. Für „Wehret den Anfängen“ ist es eigentlich schon zu spät.
Holger Schmid

Man bekommt langsam das Gefühl, dass die Mannheimer AfD sich ständig distanzieren müsste. Kann man dann überhaupt noch in der Partei bleiben?

Schmid: Das müssen die Betreffenden selbst entscheiden. Im Gegensatz zu Herrn Fontagnier gebe ich anderen Menschen keine Ratschläge. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Ist jeder, der in der AfD bleibt, rechtsextrem?

Schmid: Nein.

Fuchs: Das kann man so nicht sagen.

Ist die Mannheimer AfD rechtsextrem?

Schmid: Herr Siegholt ist ein ehemaliger Bezirksbeirat der ML und der CDU. Herr Finkler ist ein ehemaliger Polizist. Herrn Lehnhardt kennen wir auch gut. Die Problematik ist doch, dass wir es uns nicht so einfach machen dürfen. Wir dürfen niemandem raten, wo er auszutreten hat und wo nicht. Ich kann aber auch nicht alles unkommentiert lassen, was die AfD macht. Was die AfD macht, ist brandgefährlich. Für „Wehret den Anfängen“ ist es eigentlich schon zu spät. Wir alle müssen jetzt aufpassen. Aber bleiben wir doch bei der AfD-Fraktion im Gemeinderat.

Gerne.

Schmid: Durch eines fällt die nicht auf: übermäßig viele Wortbeiträge und Anträge. Wissen Sie, wie frustrierend es für alle anderen Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat ist, wenn man sieht, wie wegen der Bundespolitik trotzdem ihre Wahlergebnisse ausschauen?

Und dass sie sich bei den Freien Wählern gehört fühlen, entzieht der AfD ein Stück weit den Boden.
Christiane Fuchs

Die Frage, wie die ML die AfD einordnet, haben Sie jetzt geschickt umgangen.

Schmid: Die drei Kollegen, mit denen wir uns öfter austauschen, halte ich nicht für radikal. Über Rüdiger Ernst (AfD-Stadtrat und Sprecher des Kreisverbands, Anm. d. Red.), den wir nicht so gut kennen, kann ich mir keine Meinung bilden.

Fuchs: Ich habe in Ausschüssen auch schon gemeinsam mit SPD und Linke abgestimmt. Ich habe auch schon gemeinsam mit der AfD abgestimmt.

Ist es für Sie ein Problem, wenn die AfD mit der ML abstimmt?

Schmid: Wir können doch nicht allen Ernstes der AfD die Macht einräumen, dass wir nicht akzeptieren können, wenn sie irgendwo mitstimmt und es dadurch eine Mehrheit gibt. Das geht nicht. Wir stellen unsere Anträge und werben für Mehrheiten. Die bekommen wir, oder wir bekommen sie eben nicht.

Man könnte auch argumentieren, dass man schon im Vorfeld für Anträge Mehrheiten sucht – und so gar nicht erst in die Situation kommt, auf die AfD angewiesen zu sein.

Schmid: Das haben wir nie so gehandhabt und werden das auch in Zukunft so nicht handhaben. Wir stellen Anträge, von denen wir überzeugt sind. In der Praxis ist eine vorherige Absprache auch gar nicht immer möglich, weil Fraktionssitzungen oft erst am Vorabend vor Gemeinderatssitzungen sind.

Sie beraten sich also nicht mit der AfD – Sie haben aber auch kein Problem, wenn die AfD ihren Anträgen zur Mehrheit verhilft.

Schmid: Richtig. Wir hätten auch kein Problem damit, wenn uns die Linken oder die Grünen zur Mehrheit verhelfen.

Bei der Nominierung der ML-Kandidierenden für die Kommunalwahl war häufig der Satz zu hören: Da, wo die Freien Wähler stark sind, ist die AfD schwach. Warum ist das Ihrer Ansicht nach so?

Fuchs: Das Programm der Freien Wähler erreicht die Bürger. Die Bürger fühlen sich gehört. Das ist bei der Bundespolitik aktuell nicht der Fall. Und dass sie sich bei den Freien Wählern gehört fühlen, entzieht der AfD ein Stück weit den Boden.

Schmid: Wir als Freie Wähler sehen uns nicht nur als Bollwerk gegen die AfD, sondern generell gegen Rechtsextremismus. Die AfD ist bei der letzten Landtagswahl in Bayern auf im bundesweiten Vergleich wenige rund 14 Prozent gekommen, dort sind die Freien Wähler sehr stark.

Liegt das AfD-Ergebnis in Bayern nicht auch daran, dass dort jemand wie Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger auch rechtspopulistisch unterwegs ist und der AfD deshalb Stimmen abnimmt?

Schmid: Herr Aiwanger ist da vielleicht die Frontfigur, aber da sind noch einige Leute hintendran und machen eine sehr, sehr gute Politik in den Gemeinden.

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Wodurch zeichnet sich die Politik der Freien Wähler in Bayern Ihrer Ansicht nach aus?

Schmid: Dass sie die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten mitnimmt. Und dass sie ideologiefrei ist. Jemand wie Hubert Aiwanger hat sich zum Beispiel für den Schutz der Bienen eingesetzt, das wäre eigentlich ein typisches grünes Programm.

Dass die Freien Wähler ideologiefreie Politik von unten, also vom Bürger her machen, betonen Sie oft. Das dürfte Ihnen einigen Zuspruch bringen von denen, die sich von der aktuellen Bundespolitik nicht mitgenommen fühlen. Wie wollen Sie verhindern, dass auch Querdenker zu Ihnen kommen, die gleich unser ganzes politisches System ablehnen?

Fuchs: Der Vorstand entscheidet und kann auch ein Mitglied ablehnen. Gewisse Personen würden wir garantiert nicht aufnehmen.

Was rechnen Sie sich für die ML bei der Kommunalwahl aus?

Fuchs: Wir bleiben auf jeden Fall bei vier Sitzen und legen hoffentlich zu.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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