Der junge Mann im weißen Slim-Fit-Oberhemd und der blauen Jeans wirkt - jedenfalls äußerlich - wenig überrascht. Offenbar ist er durch seine Anwälte auf den Moment und das nun verkündete Ergebnis vorbereitet worden. Acht Jahre und zehn Monate muss der Mann in Haft. Ein deutliches Urteil. Für das Gericht bestehe kein Zweifel, so erklärt der Vorsitzende Gerd Rackwitz, dass der 23-Jährige seinen Kumpel im Trinkgelage erwürgte - ohne nachvollziehbares Tatmotiv. Ein weiterer 30 Jahre alter Bekannter, der bei der privaten Feier in einem Keller auf der Rheinau dabei gewesen und zunächst mitangeklagt war, hatte Sequenzen der Tat mit dem Handy gefilmt. Das Verfahren gegen ihn wegen unterlassener Hilfeleistung, Unterschlagung und Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, ist abgetrennt worden und wird im Januar fortgesetzt.
Frage nach dem Warum bleibt
Für den 23-jährigen nun Verurteilten hat die Kammer außerdem die Anordnung auf Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung angeordnet. Er müsse lernen, dem Alkohol konsequent und am besten für immer zu entsagen. Ein Zukunftsprojekt für den jungen Mann, der sich in der Nacht zum 17. April, an seinem 23. Geburtstag, sein Leben vorerst verbaut und das seines Bekannten ausgelöscht hat. Diese bittere Erkenntnis trifft auch die Familie des 23-Jährigen schwer. Weinend stehen Eltern und Bekannte nach der Urteilsverkündung im Foyer des Landgerichts und können nicht fassen, dass ihr Sprössling, der bereits mehr als acht Monate lang in Untersuchungshaft saß, nun ein wegen Totschlags verurteilter Krimineller ist. Bis zum Abitur, das er mit 1,6 bestand, sei alles in Ordnung gewesen, hatte er vor Gericht berichtet. Dann, nach abgebrochenem Studium, habe sein Selbstwertgefühl gelitten, seine Minderwertigkeitskomplexe habe er mit Alkohol betäubt.
Die Familie des Getöteten ist in dem Prozess als Nebenkläger aufgetreten. Doch weder die Schwester noch die Eltern des 28-Jährigen hatten es sich zugetraut, an der Verhandlung teilzunehmen. Die Wunden seien zu tief, zu schmerzhaft, sagt deren Anwältin Sabrina Hausen, die ihren Mandanten die Nachricht über das Urteil am Telefon übermittelt. „Es ist kein Trost“, sagt sie, „es kann kein Trost sein“. Und die verzweifelte Frage der Eltern nach dem Warum werde dadurch leider auch nicht beantwortet.
Richter Gerd Rackwitz schildert in seiner Urteilsbegründung, welches Bild sich in der Hauptverhandlung von der Tatnacht ergab. Demnach hätten die drei Kumpels in dem Keller zusammengesessen und Whiskey getrunken. Zwischen dem späteren Opfer und dem nun Verurteilten sei es zu einem „Dominanzgehabe“ gekommen, das zunächst verbal ausgetragen worden sei, sich dann steigerte. Im Verlauf habe der Angeklagte dem späteren Opfer eine Whiskyflasche auf den Kopf gehauen. „Er wollte einer Vergeltung für diesen Schlag zuvor kommen“, so Rackwitz, deshalb habe der 23-Jährigen den 28-Jährigen später in den Unterarmwürgegriff genommen.
Verminderte Schuldfähigkeit
Eines der Videos zeige, wie der Angegriffene in dieser Situation nach Luft röchelte und sagte, dass er keine Luft bekomme. „Spätestens jetzt wusste der Angeklagte, dass sein Vorgehen zum Tod führen könnte“, ist Rackwitz überzeugt: „Und er hat dennoch nicht vom Opfer abgelassen“. Der psychiatrische Gutachter hatte bei dem Angeklagten von verminderter Schuldfähigkeit aufgrund des hohen Alkoholpegels gesprochen. Dem folgte die Kammer, was sich strafmildernd auswirkte.
Am Morgen hatten die Verteidiger des 23-Jährigen ihre Plädoyers gehalten. Sie zielten auf eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und damit auf ein niedrigeres Strafmaß ab, was die Kammer allerdings nicht berücksichtigte. Ein Tötungsvorsatz sei, so hatte Verteidigerin Andrea Combé erklärt, nicht zweifelsfrei festgestellt worden. Die Gesamtschau auf die Tatumstände würden letztlich kein nachvollziehbares Tatmotiv zeigen, sagte sie. Verteidiger Manfred Zipper betonte, dass sein Mandant auf keinen Fall gewollt habe, „dass das Opfer zu Tode kommt“. Die Verteidigung sei der Auffassung, dass aufgrund der verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt kein Tötungsvorsatz vorgelegen habe. Beide Anwälte hatten eine Strafe unter sieben Jahren angeregt.
Bereits in der vergangenen Woche hatten der Staatsanwalt und die Anwältin der Nebenklage ihre Plädoyers vorgetragen. Der Staatsanwalt war in seinem Schlusswort wie nun auch die Kammer von Totschlag ausgegangen. Neuneinhalb Jahre Haft lautete die Forderung, eine Strafmilderung aufgrund der erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit eingeschlossen. Die Anwältin, die in der Nebenklage die Familie des Getöteten vertritt, hatte sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft angeschlossen.
Die Verteidigung kündigte noch am Mittwoch an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.
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