Mannheim. Im Mannheimer Klinikum geht Besonderes vor sich. Das sieht man schon beim Vorbeiradeln am Neckarufer, wo jetzt eine lange Reihe weißer Zeltpavillons steht. Die wurden für den Tag der offenen Tür an diesem Samstag aufgebaut, am Freitagnachmittag sind sie noch verwaist. Dafür spielt die Musik buchstäblich auf der anderen Flussseite einen halben Kilometer landeinwärts, bei einer Feier im Rosengarten. Das Streichquartett des Nationaltheaters heißt die rund 200 Gäste vorwiegend aus Medizin und Politik willkommen. Dann folgt ein launiger Begrüßungsdialog der Geschäftsführer Hans-Jürgen Hennes und Freddy Bergmann. Sie preisen - wie später selbstredend alle Redner - die Fertigstellung der Krankenhaus-Gebäude vor exakt 100 Jahren. Die seien seinerzeit die europaweit modernsten gewesen.
Neubau „elementar wichtig“
Heute ist der Zustand weniger gut, es besteht ein gewaltiger Sanierungsbedarf. Auch sind die vielen, weit auseinander liegenden Häuser längst nicht mehr zeitgemäß. Ein Komplett-Umbau muss her, die „Neue Mitte“. Dies werde „nicht ganz billig“, so Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in ihrem Grußwort - grob veranschlagt ist mehr als eine halbe Milliarde Euro. Aber es sei „elementar wichtig“, bald damit zu beginnen. Das Geld dazu soll teils von Bauers Grünen-Parteifreund Manne Lucha kommen, der Gesundheitsminister hütet den Fonds für kommunale Krankenhäuser.
Weil neben Lucha vor allem Ministerpräsident Winfried Kretschmann keineswegs als Befürworter der in der Region einhellig gewünschten Fusion des Mannheimer Uniklinikums mit dem Heidelberger gilt, ist das F-Wort offiziell vom Tisch. „Wir reden zunächst mal von einem Verbund und nicht mehr von der Fusion. Oder noch nicht, das ist noch offen“, sagt Bauer. Da sie bald aus dem Kabinett ausscheidet, um in Heidelberg als Oberbürgermeisterin zu kandidieren, kann sie selbst nicht mehr viel zur Durchsetzung des von ihr mitinitiierten Projekts tun.
Minister Lucha spricht vom Band
Lucha sendet derweil sein Grußwort aus der Ferne. Ein vorab aufgezeichnetes Video zeigt ihn in Berlin: „Ich bin hier auf der Stallwächterparty.“ Das jährliche Fest in der baden-württembergischen Landesvertretung war indes bereits am Donnerstag. Am Freitag hat Lucha zu einer Experten-Anhörung darüber geladen, was wegen Corona wohl im Herbst und Winter für besonders vulnerable Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung getan werden muss. Der Termin ist zeitgleich zur Feier im Rosengarten, stand mutmaßlich aber später fest als das 100-jährige Bestehen des Mannheimer Klinikums am 8. Juli.
Doch trägt auch der Gesundheitsminister zum Gelingen der Feier bei. Seine Videobotschaft, in der er das Klinikum etwa als „größtes Krankenhaus in Mannheim“ preist, ist nur wenige Minuten lang. Weil eine Viertelstunde vorgesehen war, ist die von seinen Vorrednern angehäufte Verspätung auf einen Schlag getilgt.
Tag der offenen Tür
- Zur Feier seines Jubiläums lädt das Klinikum an diesem Samstag von 11 bis 17 Uhr zum Tag der offenen Tür ein.
- Auf einer Medizin-Meile auf dem Dach der Tiefgarage am Neckarufer präsentieren sich die Kliniken und Bereiche mit interaktiven Ausstellungen. Interessierte können etwa ihren Blutzucker messen lassen oder in einer Live-Simulation erleben, wie Schwerstverletzte im Schockraum versorgt werden.
- Eine Übersicht aller Attraktionen gibt es online unter www.umm.de/100jahre.
Wäre Lucha gekommen, hätte er sich anschließend womöglich von Matthias Weidemüller angesprochen fühlen müssen. Der Prorektor der Uni Heidelberg warnt vor einem politischen „Verzetteln“ und vor einem „destruktiven Ausspielen von Zuständigkeiten“. Und Oberbürgermeister Peter Kurz macht deutlich, dass das Universitätsklinikum der Stadt einfach über den Kopf gewachsen sei. Mannheim komme seiner Verantwortung zwar weiter nach, aber auf Dauer sei ein „Zusammenschluss“ mit Heidelberg unter dem alleinigen Dach des Landes richtig.
Chako Habekost, der Moderator, will von Kurz wissen, ob der sich in seiner 15-jährigen Amtszeit nicht auch mal heimlich nur ein kleines Kreiskrankenhaus gewünscht habe. „Schwierige Frage“, antwortet das Stadtoberhaupt. „Ich weiß nicht, wie hoch der Anteil des Klinikums an meinen grauen Haaren ist.“
Bruder des Bundeskanzlers spricht
Dann folgt der eigentliche Festredner Jens Scholz, Bruder von Kanzler Olaf Scholz. Geladen wurde er in seiner Eigenschaft als Chef des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Das ist 2019 aus einer Fusion zwischen Kiel und Lübeck entstanden. „Eine dolle Sache“, schwärmt Scholz und schildert, wie reibungslos alles geklappt habe und wie enorm davon alle profitierten, nicht zuletzt das Land. Warum hier plötzlich nur von einem Verbund die Rede sei, verstehe er nicht. Dass beide Klinika eine Fusion wollten, sei doch für die Politik wie ein Elfmeter, den sie jetzt nur noch verwandeln müsse.
Scholz spricht klar, viel und schnell. Auch äußerlich ähnelt er seinem Bruder kaum, abgesehen nur vom leicht hanseatischen Zungenschlag. Dafür umschreibt Klinikum-Geschäftsführer Bergmann den Tatendrang der Akteure in gepflegtem Hessisch: „Da wird ma’ im Nodde gugge, was de Süde auf die Füß’ stelle kann.“ Aber nur, wenn in Stuttgart keiner auf der Bremse steht.
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