Gesundheitsamtschef Peter Schäfer befürchtet, dass in diesem Winter die Kapazitäten der Mannheimer Krankenhäuser nicht für alle hier zu versorgenden Patienten ausreichen und einige wieder in anderen Städten untergebracht werden müssen.
Herr Dr. Schäfer, der Anstieg der Corona-Zahlen scheint - in Mannheim wie bundesweit - gebremst. Ist das auch Ihr Eindruck?
Peter Schäfer: Es sieht in der Tat auf hohem Niveau nach einer gewissen Stabilisierung aus. Allerdings muss man bedenken: Die Entwicklung in den Krankenhäusern hinkt dem immer zwei, drei Wochen hinterher.
Die Lage auf den Intensivstationen wird sich also weiter zuspitzen?
Schäfer: Davon ist leider auszugehen. Wir haben jetzt 36 Covid-Patienten auf den Intensivstationen, diese Zahl dürfte weiter zunehmen.
Wie viele Intensivbetten stehen denn derzeit insgesamt bereit?
Schäfer: Eine genaue Zahl haben wir nicht definiert. Deutschlandweit ist das dafür ausgebildete Pflegepersonal weniger geworden. Und generell sind das Problem ja nicht die Betten, sondern die hochqualifizierten Teams, die man dafür braucht. Da die sonst in den Krankenhäusern für Operationen zuständig sind, geht das zwangsläufig zu Lasten von anderen Bereichen.
Vorige Weihnachten mussten Intensivpatienten aus Mannheim nach Ulm oder Tübingen gebracht werden. Droht das nun wieder?
Schäfer: Ich fürchte, wir werden auch diesmal wieder nicht alle stationär versorgungsbedürftigen Patienten in Mannheim hier unterbringen können. Ende 2020 lag die Zahl der Intensivpatienten bei knapp über 40, die haben wir ja jetzt schon fast wieder erreicht.
Da man auf Intensivstationen in der Regel einige Zeit bleiben muss, wird sich die Lage in den nächsten Wochen kaum bessern, oder?
Schäfer: Damit ist frühestens Anfang nächsten Jahres zu rechnen. Weil die Patienten auf den Intensivstationen immer jünger geworden sind, ist auch ihre Verweildauer höher.
Zurück zum Infektionsgeschehen. Da heißt es jetzt immer wieder, die tatsächlichen Zahlen könnten deutlich höher liegen, weil die Gesundheitsämter nicht mehr hinterherkämen. Sie auch nicht?
Schäfer: Wir haben das Geschehen noch gut im Blick. Auch wenn wir - gemäß den Vorgaben auf Bundes- und Landesebene - nicht mehr alle Infektionsketten nachverfolgen, so erfassen wir doch nach wie vor alle per PCR-Test bestätigten Fälle und geben sie weiter.
Wissen Sie auch noch, wie viele der Neuinfizierten geimpft sind?
Schäfer: Bei etwa zwei Dritteln erfassen wir das nach wie vor.
Aber wenn ein Drittel durchs Raster fällt, ist die Dunkelziffer bei Impfdurchbrüchen sicher hoch?
Schäfer: Das glaube ich nicht. Impfdurchbrüche treten eher bei Älteren auf, deren Impfung länger zurückliegt und die ein schwächeres Immunsystem haben. Über 50-Jährige kontaktieren wir noch alle. Infektionsketten, denen wir nicht mehr nachgehen, sind vor allem einzelne Infizierte im Bereich Schule/Kitas. Dort gibt es deutlich weniger Geimpfte und viel seltener Impfdurchbrüche.
Hatten Sie schon „Geboosterte“, die sich noch infiziert haben?
Schäfer: Bislang waren es drei. Und in diesen Fällen wurde die Infektion schon ganz kurz nach der letzten Impfung festgestellt.
Wann stellt sich nach dem Boostern die volle Wirkung ein?
Schäfer: Nach zehn bis 14 Tagen. Aber stärker geschützt ist man laut Studien schon nach fünf Tagen.
Bei hohen Fallzahlen fühlen sich immer mehr Menschen bei einer Infektion oder einem Verdachtsfall vom Gesundheitsamt alleingelassen. Was lässt sich dagegen tun?
Corona in der Region
Schäfer: Dafür haben wir die Corona-Hotline 0621/293 22 53 . . .
. . . nur montags bis freitags von 9 bis 17, am Wochenende bis 14 Uhr.
Schäfer: Wir haben auch einen Online-Helpdesk, das Kontaktformular ist unter www.mannheim.de/corona. Dort sind vergangene Woche fast 1200 Bürgeranfragen eingegangen und alle beantwortet worden.
Wie schnell denn?
Schäfer: Normalerweise spätestens am nächsten Tag, auch am Wochenende. Das sind dann meistens Fragen wie: „Mein Schnelltest ist positiv, was muss ich jetzt machen?“
Was ist da die Antwort?
Schäfer: Dann sollte man sich absondern und Kontakte vermeiden, bis ein PCR-Testergebnis vorliegt.
Bei PCR-Tests soll es aktuell aber bundesweit Engpässe geben.
Schäfer: Stimmt, das ist derzeit ein Nadelöhr. In Mannheim haben wir daher nun weitere Testzentren beauftragt, von uns angeordnete PCR-Tests vorzunehmen. Diese sind dann auch gratis für die Betroffenen.
Aber ohne Anordnung kann man vorm Klinikum keinen PCR-Test machen und muss bei privaten Anbietern selbst bezahlen, richtig?
Schäfer: Das ist so, aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, sich bei seinem Hausarzt testen zu lassen.
Was ist mit Verdachtsfällen? Ein Leser erfuhr, dass er mit einem Infizierten mehrere Stunden im Auto gesessen hatte. Bei der Corona-Hotline sagte man ihm: Solange er keine Symptome habe, müsse er als Geimpfter nichts machen.
Schäfer: Wurde keine Maske getragen, würde ich zu Schnelltests raten, etwa an Tag drei, fünf und sieben. Zudem sollte man gut auf sich achten, ob keine Symptome auftreten. Und besser überall eine FFP2-Maske aufsetzen, keinen einfachen medizinischen Mund-Nasen-Schutz.
Wie verhält man sich bei Risikomeldungen auf dem Handy?
Schäfer: Bei einer Meldung über die Corona-Warn-App würde ich in gleicher Weise verfahren. Generell kommt es immer auf die Art des Kontakts an. Wir haben uns vor einem Weihnachtsmarktbesuch in Neckarau testen lassen. Da war auch eine Nachbarin, die sich als Infizierte herausstellte. Die Begegnung bekamen wir später über die Warn-App angezeigt, aber da wir ausreichend Abstand und FFP2-Masken getragen hatten, mussten wir nichts machen.
Wenn man im Carl-Benz-Stadion war, wurden einem immer wieder Risikokontakte am Haupteingang angezeigt. Durfte man ignorieren?
Schäfer: Sofern Mindestabstände eingehalten und FFP2-Masken getragen wurden sowie alles an der frischen Luft war, ja. Mit der Luca-App haben wir zudem die Möglichkeit, per Push-Nachricht zur Achtsamkeit zu raten und zum Schnelltest aufzufordern, wenn ein Risiko besteht.
Aus einigen anderen Gesundheitsämtern ist auch immer wieder mal Ärger über die Luca-App zu hören. Sie sind zufrieden?
Schäfer: Ja, wir sind wir froh, dass wir sie zur Kontaktverfolgung haben.
Bei manchen Handys gibt es beim Einchecken mit Luca aber immer wieder Probleme, dann muss man Zettel ausfüllen. Schaut sich die überhaupt noch jemand an?
Schäfer: Die analoge Variante muss angeboten werden, weil die Dokumentationspflicht unverändert besteht. In Einzelfällen schauen wir da schon drauf, können uns aber nicht durch riesige Papierberge wühlen. Viele machen auch falsche Angaben.
Hören Sie auch von gefälschten Impfpässen und Schnelltests?
Schäfer: Ja, werden uns Verdachtsfälle etwa aus Apotheken gemeldet, geben wir die an das Ordnungsamt und an die Polizei weiter, damit sie konsequent geahndet werden. Leider gibt es in dieser Hinsicht fast nichts, das es nicht gibt.
Noch eine persönliche Frage: Sehr viele wollten, dass Karl Lauterbach Bundesgesundheitsminister wird, und freuen sich jetzt. Sie auch?
Schäfer: Ich war nicht Teil dieser Bewegung. Ich muss auch gestehen, dass ich Herrn Lauterbach noch nie in einer Talkshow gesehen habe.
Wirklich? Da sind Sie vermutlich der Einzige in Deutschland . . .
Schäfer: Das liegt nicht an Herrn Lauterbach, sondern am Format: Ich mag generell keine TV-Talkshows.
Was wünschen Sie sich vom neuen Bundesgesundheitsminister?
Schäfer: Eine klare Kommunikation, gerade was die Impfstrategie angeht, auch bei den Impfstoffen. In Mannheim haben wir klar definiert: Unter 30-Jährige erhalten Biontech, alle anderen Moderna. Das würde ich mir bundesweit wünschen. Einheitlichkeit, Verlässlichkeit - auch, was Corona-Regeln angeht - damit würde die Politik uns generell helfen.
Ist denn das Impfangebot in Mannheim ausreichend?
Schäfer: Noch nicht. Aber das wird sich in den nächsten Wochen ändern. Wir bauen das Angebot ja gerade aus, künftig sollen beispielsweise auch Apotheken mitimpfen. Dann können wir auch nochmals vermehrt - etwa in Quartieren - Angebote machen, die sich stärker an Ungeimpfte richten.
Bitte noch ein Blick in die Glaskugel: Spielt die Pandemie 2022 hoffentlich eine geringere Rolle?
Schäfer: Wenn wir zu einer allgemeinen Impfpflicht kommen, ja. Ansonsten laufen wir 2022 in die nächste Welle hinein, und das wäre niemandem mehr erklärbar.
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