1905 beginnt die Geschichte der Mannheimer Justizvollzugsanstalt (JVA) im Herzogenried. Weil es in den Gefängnissen in der Innenstadt zu eng wird, entsteht dort ein neues „großherzogliches Landesgefängnis“. Es besticht durch seine Architektur: ein sternförmiger Bau - bestehend aus vier Zellflügeln und einem Verwaltungsgebäude. Alle münden über lange Gänge in eine Zentralhalle, die „Zentrale“, das Herzstück des Baus, über der eine Kuppel thront.
Nun - fast 120 Jahre später - stehen wieder große Baumaßnahmen im Herzogenried an. Das Land plant Bauinvestitionen von rund 85 Millionen Euro. Bis 2029 sollen mehrere Gebäudeteile des Gefängnisses modernisiert werden. Andere sollen abgerissen und neu gebaut werden.
30 bis 35 neue Plätze nach dem Umbau
„Aktuell befinden wir uns im zweiten Bauabschnitt des sogenannten Frauenbaus“, sagt Johannes Gürlich, Baudirektor beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Die Bauarbeiten dazu haben bereits 2015 begonnen. 2017 wurde ein erster Gebäudeteil fertiggestellt, in dem perspektivisch weibliche Gefangene untergebracht werden sollen. Nun haben Anfang des Jahres in der Nähe des Eingangs zum Verwaltungstrakt die Bauarbeiten für ein zweites Gebäude begonnen, das zum sogenannten Frauenbau gehört.
Mit dem eingeschossigen Neubau sollen 15 weitere Haftplätze für weibliche Gefangene in der JVA Mannheim entstehen - insgesamt können beide Gebäudeteile künftig je nach Nutzung der Zellen 30 bis 35 Menschen beherbergen. Auf dem Dach des neuen Gebäudes, für das rund sechs Millionen Euro veranschlagt sind, soll eine Photovoltaikanlage umweltfreundlich Strom produzieren.
Keine weiblichen Gefangenen in der JVA Mannheim
„Bislang sind aber noch keine weiblichen Gefangenen bei uns in der JVA untergebracht“, sagt der Leiter des Gefängnisses, Holger Schmitt. Dies liege vor allem daran, dass das Gefängnis mit seinen 611 Haftplätzen aktuell schon mit den männlichen Gefangenen „deutlich überbelegt“ sei.
Dies hat verschiedene Gründe, zum Beispiel, „dass die Vollstreckungsaufschübe in der Corona-Zeit ausgelaufen sind“, erklärt Schmitt. Wer eine Geldstrafe nicht bezahlt, kann dafür ins Gefängnis kommen, um eine Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten. Während der Corona-Pandemie wurde die Vollstreckung zeitweise zurückgestellt - und wird nun nachgeholt. Während die Frauengefängnisse im Land noch Kapazitäten hätten, gerieten die Einrichtungen mit männlichen Insassen zunehmend an ihre Grenzen, so der Leiter der Mannheimer JVA.
Deshalb würden die Plätze, die in Mannheim ursprünglich für weilbliche Gefängnisinsassinnen angedacht gewesen seien, aktuell noch für männliche Häftlinge genutzt. „Im fertiggestellten Teil des Frauengebäudes sind aktuell die Gewalt- und Sexualstraftäter untergebracht“, sagt Schmitt.
Die anderen Gefängnisinsassen verteilen sich auf die vier Flügel des Sternbaus. Zwei von ihnen sollen ab Mitte des kommenden Jahres saniert werden. „Wir rechnen mit zweieinhalb Jahren Bauzeit und insgesamt zehn Millionen Euro Baukosten“, sagt Baudirektor Gürlich.
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Die größte Baumaßnahme der kommenden Jahre auf dem Areal dürfte etwas später beendet werden, wenn alles nach Plan läuft im Jahr 2029. Dann nämlich soll auf dem Gefängnisgelände ein neues Werkstatt-Gebäude entstanden sein. Dazu soll das bestehende Werkhofgebäude aus den sechziger Jahren abgerissen und als Dreigeschosser neu aufgebaut werden. Der Grund: „Der Baugrund ist denkbar schlecht, es gibt bereits Schäden am Gebäude“, so Gürlich. „Wir haben auch lange eine Sanierung untersucht, aber es wären aufwendige Maßnahmen notwendig, um den Baugrund unter dem Bestand zu stabilisieren.“
Photovoltaikanlage für Strom
Daher habe man sich „schweren Herzens“ für den Neubau entschieden.
Um ähnliche Probleme künftig zu verhindern, soll der Neubau auf einer Bohrpfahlgründung erfolgen, auf Bohrpfählen mit einem Durchmesser von einem Meter.
„Auf dem Dach soll ebenfalls eine Photovoltaik-Anlage angebracht werden, außerdem auch an der Fassade“, sagt Gürlich. Um Strom für ein Areal zu produzieren, dass 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich beträchtliche Mengen an Energie benötigt.
„Für das neue Werkgelände rechnen wir mit Kosten in Höhe von 69 Millionen Euro“, sagt der Baudirektor. Darunter fallen der Abriss des alten langgezogenen Gebäudes und der Neubau, der nur auf dem vorderen Teil des bisherigen Grundstücks geplant ist. Was den Bau auch so teuer macht, sind die besonderen Anforderungen für Bauvorhaben innerhalb eines Gefängnisses.
Bau sehr aufwendig - wegen Ausbruchsschutz
Alles muss ausbruchsicher gebaut werden. Und weil Handwerker auf dem Areal aufwendig kontrolliert werden und nur zu bestimmten Zeiten arbeiten können, haben sich die Verantwortlichen auch aus Kostengründen dazu entschieden, das Werkhof-Gelände während der Bauphase „auszulagern“. Dafür soll eine neue Mauer eingezogen werden, um die Baustelle vom restlichen Gefängnis-Areal abzutrennen. Die bestehende Gefängnismauer wird in Teilen aufgebrochen, damit die Handwerker von der Straße aus die Baustelle befahren können und hier wie auf einer ganz normalen Baustelle ihre Arbeit aufnehmen können.
Weitere Pläne für neue Gebäude
„Dadurch, dass wir das neue Gebäude in die Höhe bauen, gewinnen wir neue Flächen, die man künftig vielleicht auch für eine Erweiterung des Gefängnisses nutzen kann“, sagt Baudirektor Gürlich. Aber dies sei bislang noch Zukunftsmusik. Und doch denken die Verantwortlichen längst weiter.
Die aktuellen Baumaßnahmen, über die sich Mitarbeiter des Landesbetriebs jahrelang Gedanken gemacht haben, sind Teil eines „Masterplans“, der auch andere Baumaßnahmen vorsieht - wenn sie denn perspektivisch im Haushalt bewilligt werden. So könnten im nächsten Schritt etwa Baupläne für das Krankenrevier auf dem Gefängnisareal vorgelegt werden. Und für das Wirtschaftsgebäude, in dem die hauseigene Metzgerei und Bäckerei, die Anstaltsküche und die Wäscherei befinden.
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