Mannheim. Statt eines „gesamtorganisatorischen Versagens“, wie es im Januar hieß, soll die jahrelang „zu kleinteilig“ organisierte Verwaltung maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Fahrlachtunnel im August 2021 vollständig gesperrt werden musste. Das hatte die Verwaltung vergangene Woche in einer Vorlage für den Gemeinderat mitgeteilt. Am 25. Mai soll nun erstmals der Ausschuss tagen, der die Akten zum Tunnel einsehen darf. Wir haben die Fraktionen des Gemeinderats befragt, wie sie die Vorlage bewerten, welche Fragen es noch gibt und was sie vom Ausschuss erwarten.
Grüne
Für die Grünen sitzen Gabriele Baier und die Fraktionsvorsitzende Stefanie Heß im Ausschuss. Sie sehen in der Vorlage eine „Arbeitsgrundlage“, die einen „komplexen Sachverhalt“ strukturiere und Anhaltspunkte „für eine tiefere Betrachtung der Umstände“ gebe. Man wolle nun auch klären, ob Entscheidungen, die zur Schließung des Tunnels geführt hätten, aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus falsch getroffen worden seien. Außerdem interessiert sie, warum nach ihrem Kenntnisstand Betriebsprüfungen und Bewertungen aus den Jahren 2016 und 2020, „die kurzfristige Eingriffe für nötig hielten“, nicht angegangen worden seien. Zudem wolle man die Struktur der Verwaltung hinterfragen. Bis 2020 sind zwei Ämter und Fachbereiche für Bauwerk und technische Anlagen zuständig gewesen. Seitdem liegt die Verantwortung im inzwischen von Diana Pretzell (Grüne) geführten Dezernat für technische Betriebe. Aufgabe des Ausschusses sei es, mögliche Fehler zu identifizieren und „Maßnahmen zu definieren, wie diese zukünftig verhindert werden können“, sagen Heß und Baier.
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SPD
Für die SPD sitzen Reinhold Götz und Heidrun Kämper im Ausschuss. Auch sie sehen in der Vorlage eine „gute Grundlage für eine strukturierte Arbeit“. Sie stört aber, dass sich Ergebnisse des Zwischenberichts im Januar und der Vorlage widersprechen. Es wäre sinnvoll gewesen, Gemeinderat und Öffentlichkeit erst nach der Vorlage zu informieren. „Einige wesentliche Schlussfolgerungen von damals waren wohl voreilig und lassen sich aufgrund der Faktenlage nicht aufrechterhalten.“ Für Kämper und Götz stellen sich unter anderem die Fragen, ob eine vollständige Schließung hätte verhindert werden können, wenn „frühzeitiger gehandelt worden wäre“, und ob Vorgaben einer wichtigen Richtlinie von 2006 beim Fahrlachtunnel hätten umgesetzt werden müssen. Auch wollen sie klären, ob beim Bau „alle damals gültigen Vorschriften eingehalten“ wurden. „Der Ausschuss sollte dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit einen schriftlichen Bericht über seine Arbeit vorlegen und eine Stellungnahme zur von der Verwaltung vorgelegten Informationsvorlage abgeben.“
CDU
Die CDU wird von Fraktionschef Claudius Kranz vertreten. Auch er verweist auf den „völlig anderen Sachstand“, zu dem die Vorlage im Vergleich zum Januar kommt. Laut Verwaltung sind die am Bericht Beteiligten nach der Präsentation im Januar auf weitere knapp 170 Ordner aufmerksam geworden. Kranz erklärt, eine „endgültige Bewertung der Vorlage“ könne erst erfolgen, „wenn der Akteneinsichtsausschuss überprüft hat, dass das, was in der Vorlage dargestellt ist, auch tatsächlich durch die Dokumente nachgewiesen werden kann“. Er will klären, wann sich das damals zuständige Hochbauamt und das Tiefbauamt mit der Richtlinie von 2006 beschäftigten. Zudem erschließt sich ihm noch nicht, warum der Zwischenbericht von einem „gesamtorganisatorischen Versagen“ ausgegangen ist, während die Vorlage von einer „kontinuierlichen Überwachung und Funktionsfähigkeitsprüfung des Tunnels“ spricht. Er hofft, dass mögliche Fehler in der Organisation der Verwaltung herausgearbeitet werden können, um „wirksame Maßnahmen“ zu ergreifen.
LI.PAR.Tie
Hanna Böhm vertritt die LI.PAR.Tie. Ihre Fraktion frage sich, „wie es zu einem solchen Versagen kommen konnte“, das zur Schließung des Tunnels geführt hat. Vom Ausschuss erwartet sich die Fraktion, „dass mindestens selbstkritisch auf das Geschehene geschaut wird und Versäumnisse klar benannt werden, damit diese in Zukunft verhindert werden können“, sagt Böhm. „Falls ein Versäumnis die unklaren Zuständigkeiten in der Verwaltung sein sollten, müssen diese strukturell überdacht und Konsequenzen im Ablauf gezogen werden.“

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AfD
Rüdiger Ernst sitzt für die AfD im Ausschuss. Gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Bernd Siegholt hebt er hervor, dass der Tunnel laut Vorlage regelmäßig geprüft, gewartet und in Teilen erneuert worden sei. „Dennoch erweckt die Vorlage mit ihrer unerwarteten Neubewertung der Vorgänge bei uns erst einmal den Eindruck, dass etwas verschleiert werden soll.“ Außerdem sei es „problematisch“, dass die Vorlage Fragen und Erklärungen vorwegnehme, die im Ausschuss geklärt werden sollten. „Damit ist eine gewisse Beeinflussung des Ausschusses im Sinne der Verwaltung zu befürchten.“ Ernst und Siegholt sei nicht klar, wer die Verantwortung für die Missstände im Tunnel trage. Auch interessiert sie, „was genau in den Akten stand, die zu einer völligen Neubewertung der Sachlage gegenüber dem Stand vom Januar geführt haben“. Die Fraktion kritisiert die Einsetzung des Ausschusses. „Die ehrenamtlich tätigen Stadträte sind zeitlich gar nicht in der Lage, die große Anzahl von Akten zu sichten und fachlich die internen Vorgänge in der Verwaltung einzuordnen und zu beurteilen“, teilen Ernst und Siegholt mit. Das müssten „unabhängige Fachleute“ untersuchen.
FDP/MfM
Für die FDP/MfM sitzt Wolfgang Taubert im Ausschuss. Die Fraktion lobt die Vorlage als „erfrischend sachlich und transparent“ aufgrund Verweisen auf Originaldokumente. Die Vorlage stelle eine gute Grundlage dar. Auch die FDP/MfM fragt sich, warum die Richtlinie von 2006 nicht zeitnah umgesetzt worden sei, „obwohl sie nach den neusten Erkenntnissen rechtzeitig in der Verwaltung bekannt war“. Zudem müsse geklärt werden, welchen Anteil an den Vorgängen die häufig wechselnden Zuständigkeiten hatten. „Wir erwarten umfassenden Zugang zu allen Akten, um zum einen die in der Vorlage vorgestellten Bewertungen der Verwaltung zu überprüfen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen.“
ML
Die ML hatte den Ausschuss beantragt. Für sie wird Holger Schmid im Gremium sitzen. Er kritisiert dass die Verwaltung vergangene Woche erst recht kurzfristig zur ersten Sitzung Ende Mai eingeladen habe. „Wie sich die Verwaltung die ehrenamtliche Arbeit eines Stadtrats vorstellt, ist manchmal interessant“, sagt er und verweist auf die umfassende Vorlage, die man ohne Fachkenntnis nicht mal eben durcharbeiten könne. „Es ist befremdlich, eine Vorlage Mitgliedern des Gemeinderats zur Verfügung zu stellen, die nicht dem Ausschuss angehören“, kritisiert er. „Der Akteneinsichtsausschuss verkommt dadurch zur Makulatur“, sagt Schmid und spricht von einem „alles in allem befremdlichen Vorgang, der kein guter Start für den Ausschuss ist“. Wie schon in der Vergangenheit fordert er Unterstützung durch Experten, um die Vorgänge fachlich zu bewerten. „Wenn das nicht der Fall ist, verkommt der Ausschuss zum zweiten Mal zur Makulatur. Wir sind ja alle keine Tunnel-Experten.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer Verwaltung macht es sich beim Fahrlachtunnel zu einfach!