Hilfsprojekt

Mannheimer erreicht Nepal mit dem Fahrrad und sammelt dabei Spenden

Der Mannheimer Felix Michalski fährt mit dem Fahrrad vom Wasserturm bis nach Nepal. Mit „Golden Goal Biking“ sammelt er für einen Schul-Neubau. Über 460 Tage, über 14.000 Kilometer und durch 25 Länder führt seine Reise.

Von 
Sebastian Engelland
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Mannheim. Die letzten Kilometer, sie sind wohl die schwierigsten. Nur noch 5000 Meter liegen vor Felix: eine Strecke vergleichbar mit der Distanz vom Jungbusch zum Mannheimer City Airport, für die normalerweise zwischen 15 und 20 Minuten mit dem Fahrrad gebraucht werden. Für Felix Michalski werden sie inmitten des nepalesischen Hochlandes wahrscheinlich zu den beschwerlichsten. Zwei Stunden später kommt er endlich im kleinen Dorf Chiti inmitten von Nepal an. Über 460 Tage, über 14.000 Kilometer und 25 Länder später ist Felix an seinem Ziel.

Einst im August 2023 vom Mannheimer Wasserturm gestartet, liegen hinter Felix gefährliche iranische Gebirgspässe, geradezu apokalyptische Sommergewitter auf dem Balkan, ein Aufenthalt im russischen Gefängnis und wuselige pakistanische Städte.

Follower auf Instagram auf dem Laufenden gehalten

Immer mit dabei: Seine Ausrüstung, um das Abenteuer zu dokumentieren. Über die gesamte Reise hinweg hat Felix seine Follower auf Instagram mit aufwendig gestalteten Kurzvideos auf dem Laufenden gehalten und berichtete etwa vom höchsten Punkt der Fahrradreise (4660 Meter über dem Meeresspiegel), Begegnungen in der usbekischen Steppe oder der Gastfreundlichkeit der türkischen Kultur.

Vor allem jedoch konnte Felix auf diese Weise erfolgreich Spenden für den wichtigen Zweck der Reise sammeln, mit seiner Aktion „Golden Goal Biking“. „In Nepal ist das Kastensystem noch sehr präsent und entscheidet über die Zukunft eines Kindes.“, erklärt Felix. Auch wenn das System offiziell abgeschafft sei, werde einzelnen Kindern der Zugang zu Bildung verwehrt.

Spenden für den Ausbau einer Schule in Chiti gesammelt

Felix entschied sich daher, Spenden für den Ausbau einer Schule im 5000-Einwohner-Dorf Chiti zu sammeln. Vor drei Jahren hatte Shamser, der Direktor der New Marigold School, ein leerstehendes Gebäude gepachtet, um allen Kindern der Region unabhängig von Kaste und Herkunft Bildung zu bieten. „Einigen Leuten im Dorf ist es leider ein Dorn im Auge, dass alle Kinder von Bildung profitieren sollen.“

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Allen voran ein Bauer, dem das verpachtete Gebäude gehöre, sabotiere regelmäßig das Schulprojekt, berichtet Felix. „Nachdem wir unsere Arbeiten gestartet hatten, hat der Bauer beispielsweise einfach eine Mauer errichtet, um uns daran zu hindern, mit dem Traktor bis zur Baustelle vorzufahren.“ Für die letzten Meter bis zur Schule hieß es daher: Schleppen per Schubkarre.

Es sind Begegnungen wie diese, die Felix jedes Mal aufs Neue in Erinnerung riefen, wie privilegiert er ist, in Deutschland aufgewachsen zu sein.

Der Verkehr in Indien war extrem stressig

„Am meisten schätze ich glaube ich die Meinungsfreiheit - überhaupt Freiheit in Deutschland. Ich habe hier so viele Möglichkeiten, das zu machen, was ich will. Und auch wenn ich einige super strikte Regeln ab und an hinterfrage: Ich bin schon ganz froh, dass es manche Regeln gibt“, so der 26-Jährige.

Vor allem mit Blick auf den Straßenverkehr in Indien lässt sich die Sinnhaftigkeit von Straßenverkehrsregeln durchaus nachvollziehen. „Der Verkehr in Indien war wirklich extrem stressig. Manchmal dachte ich, die bringen mich um“, sagte Felix. In Indien merke man, wie unterlegen ein Fahrradfahrer im Straßenverkehr ist. Hinzu kamen weitere widrige Umstände: „Es war heiß, überall wurde die ganze Zeit gehupt. Dann machst du eine Pause, nachdem du knapp einem Unfall entkommen bist und plötzlich stehen zehn Leute um dich herum und wollen Selfies haben.“

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Natürlich überwogen jedoch die schönen und beeindruckenden Momente bei Felix‘ Reise. Seinen Instagram-Videos ist vor allem anzusehen, wie sehr ihm am Austausch mit den Menschen gelegen war. Dabei lernte er beispielsweise die chinesische Provinz Xinjiang kennen, die in Deutschland meist eher durch unrühmliche Schlagzeilen auffällt. In der Provinz wohnen Uiguren, eine muslimische Minderheit im bevölkerungsreichsten Land der Erde. „Ich war überrascht, wie präsent die Kultur der Uiguren in der Region war.“

Ein reger Inlandstourismus finde nach Xinjiang statt. Und auch wenn Felix mitnichten mutmaßliche Verbrechen der Regierung in der Provinz bestreiten möchte, konstatiert er doch: „Ich verstehe jetzt besser, dass es andere Herangehensweisen gibt, einen Staat zusammenzuhalten.“ Die chinesische Kultur sei utilitaristischer ausgeprägt und während man sich auf den Straßen sicherer fühle, sei einem gleichzeitig bewusst, wie „gläsern” man sei.

Jedes Kind erhält in der Schule eine Mahlzeit

Felix stimmt zu, dass auf persönlicher Ebene durchaus der Weg das Ziel war: „Das Wissen, das ich über mich und die Welt erlangt habe, ist unbezahlbar.“ Dennoch legt er den Fokus auf das Schulprojekt: „Es war einfach krass zu sehen, wie die Spendenzahlen beständig stiegen. Dass von dem Geld ein neues Gebäude gebaut werden kann, macht mich richtig glücklich.“ Die Schule, so Felix, sei ein Segen für die Region. Jedes Kind erhalte eine Mahlzeit in der Schule, gleichzeitig werde dort gewaltfrei erzogen.

„Schüler, die auf andere Schulen gehen und von der New Marigold School gehört haben, fragen teilweise ‚Wie machen die Kinder denn die Hausaufgaben, wenn sie nicht mit dem Rohrstock bestraft werden'?‘“ Felix habe besonders viel über das nepalesische Bildungssystem gelernt - und möchte innerhalb der nächsten zwei Jahre zur Schule zurückkehren und den Aufbau weiter begleiten.

Aber auch hierzulande möchte Felix seine Erfahrungen weitergeben. Einen ersten Vortrag am Liselotte-Gymnasium, seiner ehemaligen Schule, hat Felix bereits gehalten. Außerdem sollen ausführliche YouTube-Videos über das Abenteuer folgen. Und auch für die Zukunft kann sich Felix vorstellen, Kulturen zu bereisen und die Geschichten der Menschen dort zu erzählen.

Diese Reise hat ihm viel Hoffnung für die Welt gegeben

Er macht klar: „Die aktuelle Zeit ist eine Zeit, in der viele Menschen hoffnungslos sind. Trotzdem hat mir diese Reise so viel Hoffnung für die Welt gegeben, wie ich sie noch nie hatte.“ Es klinge zwar etwas klischeehaft, aber „wir sind alle Menschen, die dasselbe verfolgen: Eigentlich wollen wir alle nur Frieden - und werden gegeneinander aufgestachelt.“ Bildung sei die Lösung und im Moment bessere es sich. Zwar werde es noch lange dauern, bis angemessene Bildung überall auf der Welt ankomme, aber: „Es gibt Hoffnung.“ Bildung schaffe Wohlstand und „die finanziellen Möglichkeiten, über den eigenen Horizont hinaus zu schauen, zu reisen und zu bemerken, dass wir Menschen im Kern alle gleich sind.“

Um dieses Wissen auch an andere Menschen weiterzugegeben, möchte der 26-Jährige nun an der Uni Mannheim im Master Kultur und Wirtschaft studieren und später eine publizistische Laufbahn anstreben. Von Felix dürfte also in Zukunft weiterhin zu hören sein. Auf die Frage, wann er das nächste Fahrrad-Abenteuer wagen möchte - vielleicht ja von Alaska nach Feuerland? - antwortet Felix nur: „Da musst du meine Freundin fragen. Vielleicht mit 30. In der Midlife-Crisis.“ Noch gehen Felix die Geschichten, die er erzählen kann, nicht aus.

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