Nach zwei Jahren visionärer, aber gleichwohl sensibler Sanierung schwebt über dem Eckhaus der Alten Brauerei an der Käfertaler- und Röntgenstraße der Richtkranz. „Und Dank dem Bauherrn, dessen sinnreich Walten gleich einem Leitstern über allem stand“, verkündet in luftiger Höhe Zimmermann Bernd Sumser und meint damit Eigentümer Jürgen Herrmann.
Und der hat zur Feier des Tages den Chapeau Claque seines Großvaters auf den Kopf gesetzt: Schließlich war es Wilhelm Niderehe, der 1920 die damals schon einige Jahre leer stehenden Gebäude kaufte, um diese zumindest teilweise für die Produktion von Zigaretten und Zigarren statt Gerstensaft zu nutzen. Aber so wie der Erste Weltkrieg und damit verbundene Mangel an Rohstoffen zum Aus der Badischen Brauerei geführt hatte, setzte der Zweite Weltkrieg der Tabakproduktion ein Ende. Obendrein beschädigten Bomben 1943 und 1944 die Hauptgebäude entlang der Röntgenstraße (gegenüber vom Klinikum). Und damit verloren die einst so markanten Fassaden aus gelbem und rotem Klinker- und Sandsteinmauerwerk ihr prägendes Gesicht. Mitte der 1980er Jahre drohte dem zunächst behelfsmäßig und schließlich dauerprovisorisch instandgesetzten Ensemble sogar der Abriss zugunsten einer Fahrbahnerweiterung.
Es sollte glücklicherweise anders kommen: Jürgen Herrmann fasste den Entschluss, das Industriejuwel in Familienbesitz neu in altem Glanz erstrahlen zu lassen und dabei den Denkmalschutz mit an Bord zu holen. In das aufwendig sanierte Mälzereigebäude zogen ab 2005 Unternehmen wie BB-Promotion, außerdem bekam die Mannheimer Medizin-Fakultät einen ungewöhnlichen Hörsaal mit Innentragwerk aus alten gusseisernen Stützen samt Kappendecken.
Jetzt ist der zweite Bauabschnitt des Großvorhabens in Zusammenarbeit mit dem Mannheimer Architekturbüro „Schmucker und Partner“ in die Zielgerade gebogen. „Außen alt, innen neu“ und das Ganze als „Ankerpunkt für die Stadt“ umschreibt Herrmann das Prinzip des etwas anderen Wohnungsbauprojektes. 51 Firmen und Fachplaner waren und sind beteiligt. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg betont Herrmann, dass Männer aus rund einem Dutzend west- wie osteuropäischen Ländern ohne Konflikte bestens zusammengearbeitet haben: „Und alle nicht nur mit Hand und Kopf, sondern auch mit Herz .“ Dass die Bauzeit mit der Corona-Pandemie zusammenfiel, sollte so manche Herausforderungen bringen - von personellen Ausfällen bis zu Lieferschwierigkeiten. Obendrein gab es auch einige Überraschungen: So erwies sich im einstigen Maschinenhaus die Bausubstanz „schlechter als gedacht“.
Das Richtfest bietet im Hof, der demnächst als grüne „Innenoase“ umgestaltet wird, nicht nur Gespräche bei Speis und Trank. Es gibt die Möglichkeit, sich umzuschauen - beispielsweise im Rückgebäude, wo der Judo-Club viele Jahre sein Domizil hatte. Die ersten der insgesamt 16 Appartements in unterschiedlicher Größe - jeweils mit Küche, Einbaukleiderschränken und Glasfasertechnik für die Telekommunikation ausgestattet - sollen ab April vermietet werden. An Studierende, aber nicht nur. Im früheren Maschinenhaus, wo ebenfalls Wohnungen entstehen, nimmt auch das spätere Bistro Gestalt an.
Standort „wohl gelegen“
Vom Eckhaus existiert noch ein Vorkriegsfoto, auf dem die einst vorgelagerte Tankstelle zu sehen ist. Beim Bau anno 1884 - damals wurde auch nebenan das Sudhaus fertig - galt der Standort Käfertaler Straße 162 als super verkehrsgünstig und obendrein sicher vor Hochwasser: „wohl gelegen“ eben, woraus sich später der Stadtteilname Wohlgelegen ableitete. An jener geschichtsträchtigen Straße, wo ab 1887 eine eingleisige Dampfbahn nach Käfertal und von dort Richtung Viernheim und Weinheim ratterte, soll die einstige „Direktorenvilla“, so die volkstümliche Bezeichnung, erneut als Blickfang dienen. Mit Spitzdach auf dem Erker. Und wann wird die Komplettsanierung des mit neuem Leben erfüllten Industrieensembles abgeschlossen sein? Jürgen Herrmann geht von einem großen Fest im nächstjährigen Frühjahr aus. Vermutlich im Mai, wenn die Mauersegler kommen.
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