Mannheim. Es war der mit Abstand überraschendste Punkt in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. CDU-Fraktionschef Claudius Kranz stellte in seiner Rede zum Haushalt für 2022 den schon lange geplanten Neubau der Stadtbibliothek im Quadrat N 2 infrage (wir berichteten). Nicht nur wegen der finanziellen Folgen der Corona-Pandemie, wie Kranz betonte. Sondern auch wegen des erlassenen Denkmalschutzes für das Stadthaus, in dem sich die Hauptbibliothek aktuell befindet. Mit ihrem Vorstoß findet die CDU aber keine Mehrheit im Gemeinderat.
Die Fraktionen von Grünen, SPD, LI.PAR.Tie sowie von FDP/Mittelstand für Mannheim betonten am Tag danach, dass am Neubau unbedingt festzuhalten sei. Lediglich von AfD und Freien Wählern/Mannheimer Liste (ML) bekommen die Christdemokraten Unterstützung.
Das Projekt
Im Quadrat N 2 – dort, wo sich aktuell noch das Parkhaus befindet – soll ein neues Gebäude für die Stadtbibliothek entstehen. Im April hatte der Gemeinderat die Architekten mit der Umsetzung des mehrgeschossigen Neubaus beauftragt, zu dem unter anderem ein Dachgarten, ein Café und eine Tiefgarage mit drei Ebenen gehören.
In dem Neubau sollen die Hauptbibliothek aus dem Stadthaus sowie die Kinder- und Jugendbibliothek und die Musikbibliothek aus dem Dalberghaus (N 3) einen gemeinsamen Platz finden. Der Gemeinderat hatte sich mehrfach mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen.
Bücherei-Leiter Yilmaz Holtz-Ersahin erklärte, das neue Gebäude solle „ein Informations- und Wissenshaus für alle Generationen sein, klassische Bibliotheksinhalte bereitstellen, aber vor allem auch neue Medien zugänglich und verständlich machen und vielfältige Kompetenzen für alle Altersgruppen vermitteln“.
Der Neubau sollte ersten Planungen zufolge 2023 fertig werden – nach aktuellem Stand dürfte er aber nicht vor 2026 bezugsfertig sein.
Als Kosten wurden in einer frühen Phase einmal 33 Millionen Euro genannt. Es ist aber allen Beteiligten klar, dass der Bau am Ende deutlich teurer werden dürfte.
Kranz hatte in seiner Rede betont, dass auch seine Fraktion den Neubau seinerzeit „absolut unterstützt“ habe. Doch die Rahmenbedingungen hätten sich inzwischen erheblich verändert, unter anderem wegen Baupreissteigerungen „von mindestens fünf bis zehn Millionen Euro“, mit denen zu rechnen sei. Er nannte aber auch noch einen anderen Grund: „Der Denkmalschutz für das Stadthaus N 1 sorgt dafür, dass es dort keinerlei Perspektive für eine Neuentwicklung des gesamten Quadrates gibt.“ Durch den Neubau der Bücherei würden zwei Etagen des Stadthauses leer und blieben ungenutzt. Und wegen der offenen Bauweise, die über den Denkmalschutz ebenso geschützt sei wie das Gebäude selbst, gebe es keine Nutzungsperspektive für diese Flächen im Stadthaus. „Die Bürger würden die Verwaltung und auch uns zurecht für verrückt erklären“, so Kranz. Darüber hinaus verschwinde durch den Neubau auf N 2 das dortige Parkhaus, die Stellplätze müsse man anderswo schaffen - gerade wenn man, wie in der Innenstadt geplant, Parkbuchten am Straßenrand für Außengastronomie nutzen wolle.
Die grün-rot-rote Mehrheit im Rat kann die Argumentation nicht nachvollziehen. „Der Neubau der Stadtbibliothek ist von allergrößter Bedeutung, denn es geht darum, Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche in Mannheim zu fördern“, betont Stefanie Heß, die gemeinsam mit Melis Sekmen die Grünen-Fraktion führt. „Die jetzige Situation mit den unterschiedlichen Standorten und teilweise nicht barrierefreien Zugängen dauert schon viel zu lange an.“
Auch die SPD-Fraktion hält den Vorstoß der Christdemokraten „nicht für diskussionswürdig“, wie sie mitteilt. Die bildungspolitische Sprecherin Heidrun Kämper erklärt, eine moderne Bibliothek „als Lernort, Kulturraum und Ort der Begegnung, aber auch des Rückzugs“ sei im Stadthaus in N 1 schlicht „nicht umsetzbar“. Für ihren Fraktionschef Thorsten Riehle greift das Parkplatz-Argument der CDU ebenfalls nicht. Auch unter dem Bücherei-Neubau würden Stellplätze geschaffen.
LI.PAR.Tie-Fraktionschef Dennis Ulas verweist auf das viele Geld, das bereits in das Neubau-Projekt geflossen sei. Mit Blick auf die rasant steigenden Baukosten plädiert er für eine rasche Umsetzung. Für seine Fraktion habe die Stadtbibliothek in N 1 „keine Zukunft mehr“, betont Ulas, „egal was mit dem Gebäude passieren wird“.
Ziemlich heftig schießt die Fraktion von FDP/Mittelstand für Mannheim in Richtung der Christdemokraten: „Es ist bezeichnend, dass die CDU gerade ein Projekt für Jugend und Bildung infrage stellt.“ Da mache man nicht mit. „Wieso hinterfragt man nicht die Multihallen-Millionen, die teure Ersatzspielstätte für die Oper oder den Stellenaufwuchs im Ordnungsamt?“
Unterstützung für den CDU-Vorschlag kommt von AfD-Fraktionschef Bernd Siegholt: Durch die „überraschende und unverständliche Entscheidung“ der Denkmalschutzbehörde für den Schutz des Stadthauses seien alle Vorgaben verändert worden. „Deshalb halten wir die vorläufige Zurückstellung der Neubaupläne der Stadtbibliothek für angebracht und sehr vernünftig.“
Für die ML besteht zwar kein Zusammenhang zwischen dem Bücherei-Neubau und einer eventuellen Neubebauung von N 1, wie Stadtrat Holger Schmid betont. Seine Fraktion war aber schon immer gegen den Standort N 2 für eine neue Bibliothek - wegen des beliebten Parkhauses dort. Seine Fraktion begrüße es daher, dass die CDU ihre Meinung geändert habe.
Der Förderkreis der Stadtbibliothek hat dagegen die CDU-Aussagen „mit Entsetzen zur Kenntnis genommen“, wie es in einer Mitteilung heißt. Der Förderkreis verweist auf ein Gutachten von 2018. Dieses sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das für die Bibliothek nötige Raumprogramm im Stadthaus nicht umgesetzt werden könne und die Umbaukosten nahezu denen eines Neubaus entsprächen. Und die nun hinzugekommene Denkmalschutzauflage, so der Förderkreis, schränke ohnehin jeglichen Umbau ein.
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