Mannheim/Zhudong Township. Der Taifun entlässt das Land auch am Freitag noch nicht aus seinem Griff. Clarel Gerards öffnet das Fenster, dreht das Smartphone um und hält es im sechsten Stock einmal kurz ins Freie: Der Wind dröhnt ins Mikrofon, Regen peitscht gegen Hauswände. Seit Tagen versetzt „Krathon“ Taiwan in einen Ausnahmezustand. Und der 17-jährige Clarel Gerards vom Feudenheim-Gymnasium ist mehr oder weniger mittendrin.
Dass sein Austauschjahr auf der kleinen Insel vor der großen Küste Chinas aufregend wird, war ja klar. Dass er aber schon nach wenigen Wochen einen echten Taifun miterleben würde, war nicht absehbar. Erst seit Ende August ist der Jugendliche aus Mannheim in Taiwan, wo durch „Krathon“ offiziellen Angaben zufolge mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen sind und mehr als 200 verletzt wurden.
Taifun in Taiwan wütete im Osten und im Süden
Was Eltern, Freundin und Bekannte in der Heimat jedoch beruhigt haben dürfte: Der 17-Jährige lebt in der Stadt Zhudong Township in der Nähe von Hsinchu – und damit an der nordwestlichen Küste der Insel, etwa 20 Kilometer vom Meer entfernt. Am schlimmsten gewütet hat der Taifun jedoch im Osten und Süden des Landes. So stellt der Jugendliche beim Videotelefonat am Freitag ziemlich gelassen fest: „Es war weniger spektakulär als erwartet.“
Aufregend war es aber schon, als die ersten Warnungen vor „Krathon“ kamen: „Jedem war klar, dass was auf ihn zukommt“, erzählt Clarel Gerards. Entsprechend hätten sich alle vorbereitet: Seine Highschool fiel am Mittwoch und Donnerstag aus. Viele Besitzer verbarrikadierten ihre Läden, die normalerweise großzügig ins Freie geöffnet sind. Das öffentliche Leben wurde heruntergefahren. Denn auch dort in der Region seien in der Vergangenheit bereits Menschen bei Taifunen ums Leben gekommen, wurde dem Austauschschüler erzählt.
Welche Kraft der Wind haben kann, erlebte dieser dann sogar am eigenen Leib: Am Mittwochabend, ehe der Sturm in der Nacht seinen Höhepunkt erreichen sollte, ging er noch kurz mit einem Sohn seiner Austauschfamilie aus dem Haus, um etwas zu Essen zu holen. Und als er sich zum Spaß auf sein Skateboard stellte, blies der Wind ihn („Ohne, dass ich was gemacht habe“) die Straße entlang – obwohl es sogar leicht bergauf ging.
Mannheimer bei Taifun in Taiwan: „Man hat den Wind richtig gespürt“
Nachts wurde es noch heftiger. Zumal die Gastfamilie des Mannheimers in einem Haus lebt, das höher ist als die meisten in der Umgebung. Und so hat Gerards sein Zimmer im sechsten Stock, kurz unterm Dach. „Man hörte den Sturm die ganze Nacht pfeifen“, erzählt er. „Man hat den Wind richtig gespürt. Das war ein komisches Gefühl.“
Passiert sei jedoch nichts, sagt er. „Ab und zu hat man einen lauten Knall gehört, weil irgendwo etwas runtergefallen ist. Aber es war nichts Wildes, zumindest habe ich nichts dergleichen mitbekommen.“
Die Einwohner in seiner Gegend seien routiniert mit der Situation umgegangen, so der 17-Jährige: „Die Leute hier waren recht entspannt.“ Auch seine Gastfamilie sei nicht in Panik verfallen. Sie habe ihn lediglich gebeten, am Donnerstag nicht rauszugehen. Und wenn, dann bitte nicht allzu weit weg.
So dürfte der Taifun eine Anekdote in den Erinnerungen des Feudenheimer Gymnasiasten bleiben – zu der in den nächsten zehn Monaten sicherlich noch etliche hinzukommen werden. Denn insgesamt darf Clarel Gerards dank des Rotary-Austauschprogramms – das unabhängig von einer Mitgliedschaft von Angehörigen allen Jugendlichen offensteht – ein Jahr in der asiatischen Inselrepublik bleiben.
Seine Eindrücke nach den ersten sechs Wochen fasst er so zusammen: „Es wirkt manchmal überraschend normal – das ist sehr komisch.“ Aber natürlich dauert es noch, ehe sein Chinesisch so gut ist, dass er dem Unterricht richtig folgen kann. Auch das Englisch vieler Mitschüler sei teilweise eine Herausforderung, sagt er. Aber wer bereits einen Taifun überstanden hat, kommt sicherlich auch damit zurecht.
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