Rotary-Austausch

Ein Jahr Taiwan: Was einen Mannheimer Schüler erwartet

Der 16-jährige Clarel fliegt am 25. August nach Taiwan, wo er bei einer Gastfamilie leben wird. Möglich macht das der Rotary-Club. Auf der Highschool will er schnell Anschluss finden und seinem Hobby nachgehen

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Stefanie Ball
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Clarel hofft, in Taiwan auch seinem Hobby, dem Gitarrespielen, nachgehen zu können. © privat

Mannheim. Die Zeugnisse sind vergeben, die Schüler können einfach mal die Füße hochlegen. Dagegen dürfte bei dem Feudenheimer Gymnasiasten Clarel Gerards so langsam der Puls steigen: Auf ihn wartet ein Abenteuer. Während seine Klassenkameraden im September in die Kursstufe I gehen, besucht der 16-Jährige eine Highschool in Taiwan.

Möglich macht dies ein Austauschprogramm von Rotary International und vor Ort der Rotary-Club Mannheim-Amphitrite. Der Service Club sorgt seit vielen Jahren dafür, dass junge Menschen durch einen Schüleraustausch andere Kulturen kennenlernen und damit für die Völkerverständigung eintreten. Mannheim-Amphitrite entsendet zum ersten Mal einen Jugendlichen.

„Ursprünglich wollte ich eigentlich nach Japan. Aber der Rotary-Distrikt konnte dort nur einen Platz anbieten - und den hat ein Mädchen bekommen, das seit vielen Jahren Karate macht“, berichtet Clarel. Als klar war, dass es für ihn nicht nach Japan gehen kann, setzte er sich mit seinen Eltern zusammen und überlegte Alternativen. Eine rotarische Bedingung: Clarel musste für das Austauschprogramm drei Länder angeben, von denen nur eines englischsprachig sein durfte. Das schlussendliche Zielland wird dann von Rotary ausgewählt.

Politische Situation bereitete der Mutter Sorgen

Dass es Taiwan wurde, schmeckte seiner Mutter zunächst nicht. „Die politische Situation mit der aggressiven Außenpolitik Chinas gegenüber Taiwan hat mir am Anfang schon Sorgen gemacht“, gesteht Valerie Gerards. Doch am Ende setzte sich Clarel durch. Er wollte zu gern nach Fernost und definitiv nicht nach Kolumbien oder Südafrika, die noch zur Wahl standen. Und seine Mutter hat Taiwan inzwischen auch Positives abgewonnen: „Taiwan ist mit Sicherheit nicht so hierarchisch in den Familien konstituiert wie Japan. Das müsste Clarel entgegenkommen. Er liebt einfach zu sehr seine Freiheit und seinen Punk-Rock.“ Nachdem es nicht Japan wurde, kam vor wenigen Wochen ein kleiner Dämpfer: „Es geht für mich nach Zhudong Township. Jemand hat im Internet geschrieben, dass sei eine hässliche Stadt am Ende der Welt“, berichtet Clarel. Gehofft hatte er, dass er in die Hauptstadt Taipei oder nach Neu-Taipei kommt. Immerhin liegt Zhudong Township nur rund 75 Kilometer von Taipei entfernt - und die Nachbarstadt Hsinchu ist mit rund 500 000 Einwohnern um einiges größer als Mannheim. Als er das gelesen hatte, war die Nachricht mit Zhudong Township auch schnell gar nicht mehr so wild, denn Hsinchu liegt nur wenige Minuten mit dem Zug entfernt. Er hätte schließlich auch eine Gastfamilie 200 Kilometer weiter südlich bekommen können - und damit wäre für ihn Taipei im Alltag fast unerreichbar.

„Natürlich werde ich meine Familie vermissen. Und noch mehr meine Freundin Venezia“, sagt Clarel. Wenn er an sie denkt, würde er am liebsten doch hier bleiben. „Wenn ich das Auslandsjahr nicht machen würde, würde ich es vermutlich ein Leben lang bereuen.“ Die Trennung ist bisher nur ein Gedanke, greifbar wird sie erst, wenn er am 25. August in Frankfurt in den Flieger nach Taiwan steigt. Dort erwartet ihn dann seine erste Gastfamilie: „Ich habe mit dem Sohn schon länger Kontakt, und er hat mir mit einem Video schon gezeigt, wo ich leben werde. Er ist dann aber gar nicht vor Ort: Er geht in dieser Zeit mit Rotary für ein Jahr nach Frankreich.“

Wie die taiwanesische Gastfamilie Clarel aufnimmt, während ihr eigener Sohn einen Austausch in Frankreich macht, so werden auch Clarels Eltern in Mannheim im Gegenzug ein Gastkind aufnehmen: eine weitere rotarische Bedingung. Durch dieses System und den Einsatz zahlreicher Ehrenamtlicher ist der finanzielle Aufwand für eine Teilnahme im Gegensatz zu kommerziellen Austauschorganisationen vergleichsweise gering. In Clarels Fall tragen seine Eltern die Kosten für Flug, Versicherungen, Visum und Rotary-Ausstattung wie Blazer, Visitenkarten und Pins. Der aufnehmende Club in Taiwan bezahlt die Schuluniform und extra Sprachunterricht und leistet finanzielle Unterstützung bei einer Rundreise durchs Land mit allen rotarischen Austauschschülern in Taiwan. Die Gasteltern übernehmen Verpflegung und Unterkunft für ihr Austauschkind unentgeltlich.

Programm ist unabhängig von einer Mitgliedschaft

Das Programm ist für alle Jugendlichen offen, unabhängig einer Mitgliedschaft von Familienangehörigen bei Rotary. Während also eine junge Japanerin in Mannheim in die deutsche Kultur eintauchen wird, so wird Clarel Taiwan kennenlernen.

Clarel hofft, dass er in der Highschool schnell Anschluss an eine AG findet, in der er seinem Hobby nachgehen kann: Gitarrespielen. „Es ist schon schade, dass ich meine Instrumente nicht mitnehmen kann. Aber dafür werde ich eine Lösung finden“, blickt er voraus. Und was gibt es Besseres für die Völkerverständigung als gemeinsam zu musizieren?

„Ich freue mich für meinen Bruder, dass er das Abenteuer auf sich nimmt. Das wird der Hammer“, sagt seine Schwester Zoë, die 2019/20 für einen einjährigen Austausch in Paraguay war und damit genau weiß, was für eine spannende Zeit vor Clarel liegt: „Zu Beginn eines Austauschs gibt es so viele neue Eindrücke. Das wirkt manchmal schon erschlagend. Aber wenn man sich eingelebt hat, dann taucht man in die Familie und die Kultur ein. Dann wird es richtig gut.“

Weitere Infos unter https://www.rotary-austausch.de

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