Mannheim. Lange überlegen oder abwägen brauchten Brigitte Rech aus Mannheim und Claudia Schiller, die in Mannheim aufgewachsen ist und nun in Ketsch lebt, nicht. Als die ersten Nachrichten über den Krieg und die Situation in der Ukraine sie erreichten, aktivierten sie ihr Netzwerk in der Region, hauptsächlich im Raum Mannheim. „Wir sind beide nicht mehr praktizierende Ärztinnen und haben uns über den Einsatz als Impfärztinnen im Impfzentrum kennengelernt und schnell ein sehr engagiertes Netzwerk in Mannheim aufgebaut. Gemeinsam mit dem Sanitäter Dominik Bach und Sebastian Müller als IT-Fachmann haben wir beschlossen, Spenden zu sammeln und diese selbst an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen. Uns ist es persönlich ganz wichtig selbst zu sehen, was benötigt wird, wohin Spenden kommen und wie die Verteilung organisiert ist“, erklärt Claudia Schiller im Telefonat mit dieser Redaktion.
Innerhalb von zehn Tagen gelang es dem Team, zwei Sprinter als Transportfahrzeuge zu organisieren, wobei hier die Firma Baumann Dach und Wand aus Mannheim die Kosten übernahm. Spenden wurden generiert, Artikel zugekauft und die Sprinter beladen. „Wir haben vorwiegend Medikamente, Verbandsmaterial, Babynahrung, Hygieneartikel und Wasser besorgt und wurden von Apotheken mit Spenden unterstützt“, ergänzen die Ärztinnen Am 15. März machte sich die kleine Gruppe dann auf, um alles zu einer Caritas-Organisation im Grenzgebiet in Polen zu transportieren. Auf die Frage, ob sie dabei Bedenken hatte, antwortet Claudia Schiller entschlossen: „Wir sind nicht blauäugig, aber uns war klar, wir werden uns nur im EU-Raum bewegen. Wäre uns dort etwas passiert, dann hätte es auch hier passieren können.“

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Apokalyptische Zustände
Natürlich seien die Ärztinnen dabei zu jeder Zeit darauf vorbereitet, auch vor Ort ärztliche Hilfe zu leisten. 15 Stunden nonstop sei man dann unterwegs gewesen. „Bei der Fahrt hatte man wirklich den Eindruck von apokalyptischen Zuständen. Viele Lkw waren unterwegs und auch Kriegsgerät war zu sehen, etwa Panzer, die sich Richtung Grenze bewegten. Auf der Gegenspur sah man Pkw, in denen Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet mitgenommen wurden“, schildert die Ärztin ihre Eindrücke. Im Caritas-Lager in Polen sei alles gut organisiert gewesen, die Sprinter wurden entladen, und früh morgens kamen 44 Tonner aus der Ukraine, um Hilfsgüter einzuladen. „Die Lkw-Fahrer hatten kleine europäische Flaggen im Fahrzeug und seien, so berichtete man es uns, über Nebenwege zum Lager gefahren, alles andere sei zu gefährlich.“
Erst später hätten sie erfahren, dass ihre Spenden nach Charkiw in den Nord-Osten der Ukraine weitertransportiert wurden. Während des Aufenthalts im Lager kamen auch ein Sprinter mit Spenden aus Schweden und einer aus Litauen an. Auch drei junge Spanier lernten die Mannheimerinnen kennen. Die hatten sich aufgemacht, um im Caritas-Lager ehrenamtlich zu helfen. „Bei allen solchen Hilfsaktionen ist es sehr wichtig, ein gutes Netzwerk im Hintergrund zu haben, denn man muss auf vieles vorbereitet sein, auch in rechtlichen Belangen“, betonen Brigitte Rech und Claudia Schiller. Sie wollen ihr Engagement fortführen, denn sie beobachten mit Sorge, dass sich die Situation in der Ukraine, gerade auch bei der Grundversorgung und der Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern, mit jedem Tag weiter anspannt.
Noch bei der Rückfahrt habe das Team deshalb entschieden, dass die nächste Fahrt sofort wieder geplant werde.. „Zunächst war angedacht, Ende April wieder einen Transport zu fahren, dann aller Voraussicht nach an die rumänisch-ukrainische Grenze, dort unterhalten die Malteser ein Lager. Aber nun ist ein weiteres Projekt entstanden, und wir fahren los, sobald wir genug Material haben“, lässt das Team wissen.
Dabei gehe es um die Hilfe für den Kinderchirurgen Yurij Kruk aus Tscherwonograd. Über dessen Patenkind, welches bei der BASF als Dolmetscherin beschäftigt ist, sei der Kontakt entstanden. „Die Klinik, in der Kruk tätig ist, verfügt über keinerlei Material mehr.“ Da es sich um eine kleine Klinik handle, kämen dort keine Hilfsgüter mehr an, denn das Versorgungssystem sei zusammengebrochen. „Konvois mit Hilfsgütern erreichen noch die großen Kliniken in Kiew, aber zu den kleinen Krankenhäusern kommt nichts mehr durch“.
Dabei seien gerade die kleinen Kliniken für die Bevölkerung noch zu erreichen. „Der Oberarzt teilte uns mit, dass er viele verletzte Kinder aktuell nicht behandeln kann, weil eben alles fehlt.“ Deshalb benötigt das Team dringend Spenden aus dem Bereich Medikamente, Verbandsmaterial oder Medizintechnik. Der Aufruf geht vor allem an Arztpraxen, Apotheken oder Krankenhäuser.
„Wir werden, sobald wir die Sprinter voll haben, an die Grenze fahren, und Yurij Kruk wird uns mit seinem Team entgegenkommen“, erzählen die ehemaligen Ärztinnen. Zudem hätten sie für alle, die helfen wollten, ein Spendenkonto eingerichtet und könnten so auch Spendenquittungen erstellen. Unter dem Verwendungszweck „Medizinische Hilfe Ukraine“ und der Angabe der eigenen Adresse für den Versand der Spendenquittung freut sich das Team über jede finanzielle Unterstützung unter IBAN: DE22 6705 0505 0030 1586 52.
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