Wenn Günter Gauer einen Kindergarten besucht, ist seine erste Frage: „Welche Farbe haben die Bienen?“ Die Kinder rufen dann (meistens): „Schwarz-Gelb.“ Und Gauer sagt mit großer Deutlichkeit: „Nein!“ Zum Leidwesen des Vorsitzenden des Mannheimer Bienenzüchtervereins werden Bienen und Wespen oft verwechselt. Tatsächlich sind Wespen schwarz-gelb mit Zacken in den Linien, Bienen braun-gelb gestreift. Angst haben viele Menschen so oder so, weiß Gauer, dabei sei es die Wespe, die im Sommer Gefallen findet an süßen Getränken und Kuchen. Bienen ernähren sich von Nektar und Pollen, und den finden sie in Gärten, auf Wiesen und Feldern.
Eigentlich. Monokulturen und der Einsatz von Pestiziden haben den Bienen in den vergangenen Jahren zugesetzt, wie der Deutsche Imkerbund warnt. Monokulturen lieferten den Tieren nicht die abwechslungsreiche Nahrung, die sie bräuchten. Die Raps- und Maisfelder blühten außerdem nur kurz, Bienen benötigten aber Nektar und Pollen von März bis Oktober.
Auch die Entwicklung in Gärten sehen Umweltschützer kritisch - gemeint sind nicht nur die in Verruf geratenen Schottergärten, sondern auch Zierpflanzen. „Die sind schön anzusehen, für die Bienen aber völlig nutzlos“, betont der Imkerbund. So bildeten Zierpflanzen von vorneherein keinen Nektar, oder aber die Eigenschaft sei durch Züchtung verloren gegangen. Das Gleiche gelte für den „Englischen Rasen“, der sehe zwar gepflegt aus, biete Bienen aber keine Nahrung. Die Varroamilbe, ein aus Asien nach Europa eingeschleppter Parasit, tut ein Übriges, um die Bienenpopulationen zum Schrumpfen zu bringen. Neben den Honigbienen sind auch die Wildbienen gefährdet, die zwar keinen Honig herstellen, aber mitbestäuben. Von den mehr als 500 in Deutschland beheimateten Wildbienen sind 30 akut vom Aussterben bedroht.
Und das hat unmittelbare Auswirkungen auf den Menschen - denn ohne Honig- und Wildbienen ist die Ernte von Nutzpflanzen, Obst und Gemüse nicht möglich. Wie dramatisch sich das Ausbleiben dieser sogenannten Bestäuber auswirkt, wird auf dem Honigbienen-Lehrpfad deutlich, der sich im Zentralen Mannheimer Lehrgarten befindet, einem grünen Kleinod in der Lilienthalstraße in Sandhofen. Dort hängt an einem Schuppen ein Schaukasten, der anhand mal mehr, mal weniger mit (Plastik-)Obst gefüllten Röhren die Leistung der Bienen bei der Bestäubung der Nutzpflanzen demonstriert. 80 Prozent aller heimischen Blütenpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Die Erträge reduzieren sich teils beträchtlich, wenn die Bienenbestäubung ausfällt.
„Beim Apfel sinken sie auf 40 Prozent, bei der Birne gar auf zehn Prozent“, erklärt Wolfgang Blumtritt. Er ist seit mehr als vier Jahrzehnten in der Imkerei tätig, im Lehrgarten arbeitet er ehrenamtlich. Aufklärung sieht er als eine der wichtigsten Aufgaben, um die Bienen zu schützen.
Gauer von den Mannheimer Bienenzüchtern fordert zudem mehr Flächen, wo Imker ihre Bienenvölker aufstellen können. „Freie Flächen zu finden, ist nicht einfach in einer Stadt.“ Zumal Felder im Mannheimer Norden mit Chemikalien belastet sind, die vor drei Jahren erstmals auch im Honig festgestellt wurden. Die Ernte damals musste vernichtet werden, so dass viele Imker auf andere Gebiete ausgewichen sind.
Daneben sieht Gauer die Stadt in der Pflicht, für mehr blühende Vielfalt auf öffentlichen Plätzen zu sorgen. „Die Tendenz geht zum Zupflastern.“ Er verweist auf verlorengegangenes Grün etwa im Innenhof des Schlosses sowie gar nicht erst erschaffenes Grün auf dem neu gestalteten Lindenhofplatz. „Dabei sollte die Stadt Vorbild sein für die Bevölkerung.“
Imker-Kurs wichtig
Die Stadtverwaltung verweist darauf, in den vergangenen 15 Jahren 46 Hektar naturnahe Wiesen angelegt zu haben, was in etwa 63 Fußballfeldern entspreche. Zudem habe Mannheim in diesem Jahr für einen insektenfreundlichen Grünstreifen entlang der Herzogenriedstraße einen Preis beim Wettbewerb „Blühende Verkehrsinseln“ des baden-württembergischen Verkehrsministeriums „Die Goldene Wildbiene“ gewonnen.
Wer selbst etwas für Bienen tun will, dem rät Gauer, nicht jedes Gänseblümchen auf dem Rasen auszurupfen, beim Anlegen von Wiesen Samen aus der Region zu verwenden und sich nicht einfach ein Bienenvolk zuzulegen. „Erstens reicht ein Volk nicht, wenn, dann braucht man zwei, und zweitens sollte jeder zuerst einen Kurs mitmachen, um entscheiden zu können, ob das wirklich etwas für einen ist.“ Wer sich vor allem für das Endprodukt interessiert, dem muss Gauer mitteilen, dass die Ernte in diesem Jahr wetterbedingt schlecht ausfällt. „Pro Bienenvolk kommen 15 bis 20 Kilogramm Honig zusammen.“ In normalen Jahren sind im Schnitt bis zu 60 Kilogramm.
Fleißige, aber gefährdete Helfer
In Deutschland sind rund 45 Prozent der Insektenarten in ihrem Bestand rückläufig oder vom Aussterben bedroht. Besonders dramatisch ist die Situation bei den Wildbienen. Fast 60 Prozent aller Wildbienenarten sind gefährdet.
EU-Agrarerzeugnisse im Wert von beinahe 15 Milliarden Euro jährlich sind direkt auf die Tätigkeit von Bestäuberinsekten, darunter maßgeblich der Bienen, zurückzuführen.
Die EU hat 2018 eine Initiative für Bestäuber gestartet, im Mai dieses Jahres wurde erstmals Bilanz gezogen. Fazit: Gegen den Verlust von Lebensräumen und die Auswirkungen von Pestiziden auf Insekten müsse mehr getan werden.
Im Mannheimer Lehrgarten finden ab Frühjahr wieder regelmäßig Führungen mit Imker Wolfgang Blumtritt statt. Daneben können sich auch Gruppen und Schulklassen melden (lehrgarten@gemeinschaftswerk-mannheim.de)
Der Bienenzüchterverein Mannheim ist zu finden in Käfertal: bienenzuechterverein-mannheim.de. sba
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