Nachtleben

Mannheim tanzt durch: Ein Jahr ohne Sperrzeit für Clubs

Stadt und Fraktionen haben sich auf eine Testphase ohne Sperrzeit geeinigt. Warum Clubbetreiber nun eine Sondergenehmigung beantragen müssen und mit welchen Herausforderungen die Partyszene in Mannheim zu kämpfen hat

Von 
Lisa Uhlmann
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Barbetreiber wünschen sich volle Räume, wie hier 2017 in der Onkel Otto Bar. © Troester

Mannheim. Ohne Ende am Wochenende feiern und tanzen: Ein Jahr lang soll das nun in Mannheim möglich sein - mit einem Probelauf, bei dem die Sperrzeit für zwölf Monate ausgehebelt wird. Darauf haben sich die Stadträte im vergangenen Sicherheitsausschuss mit der Verwaltung unter Sitzungsleiter und Sicherheitsdezernent Volker Proffen (CDU) geeinigt.

Stadtverwaltung Mannheim arbeitet Maßnahmenkatalog aus

Denn auch die Verwaltung will den wirtschaftlich durch die Pandemie angeschlagenen Clubbetreibern helfen. Das Problem: Einzig die rechtliche Lage des Landes Baden-Württemberg macht das zu einem schwierigen Unterfangen. „Zwar ist es aktuell rechtlich nicht möglich. Aber wir haben den Wunsch nach dem Wegfall der Sperrzeit aus allen Ecken deutlich vernommen. Und diesen wollen wir sehr gerne unterstützen“, erklärt Proffen.

Dazu hat die Verwaltung einen Maßnahmenkatalog ausgearbeitet: Zunächst will sich die Stadt mit dem Deutschen Städtetag austauschen und sich auch auf Landesebene für eine Gesetzesänderung stark machen. Außerdem fordert die Verwaltung nun alle Clubbetreiber auf, eine sogenannte Sondergenehmigung zu beantragen. „Wir werden die Anträge sehr großzügig bewilligen“, so Proffen.

Infoveranstaltung für Mannheimer Club- und Bar-Betreiber

Zudem lädt die Stadt Club- und Bar-Betreiber zu einem Treffen im Beisein von Nachtbürgermeister Robert Gaa ein. Dabei soll erklärt werden, wie man die Anträge stellt und was es dafür genau braucht. „Außerdem wollen wir mit Oberbürgermeister Christian Specht dabei auch über die wirtschaftliche Situation der Ausgehstadt Mannheim sprechen“, trägt Proffen vor.

In den darauffolgenden Wortmeldungen zeigen sich die Stadträte zwar enttäuscht über die gesetzliche Handbremse. „Es ist ein Riesenaufwand, den wir da für eine Stunde betreiben. Aber er lohnt sich. Solange es keine andere Regelung vom Land gibt, müssen wir uns mit den Sondergenehmigungen behelfen“, meldet sich Achim Weizel (Frei Wähler/ Mannheimer Liste) zu Wort.

Die Initiative beim Land zu ergreifen kann zeigen, dass wir Kommunen etwas anderes wollen. Und klar machen: Ihr Schwaben könnt das gerne so machen, wir Badener haben ein größeres Feierbedürfnis.
Volker Beisel FDP

Auch Volker Beisel (FDP) zeigt sich enttäuscht darüber, findet den Vorschlag der Stadt aber gut: „Dass die Stadt nun ihren lokalen Spielraum großzügiger nutzt, ist richtig und wichtig. Die Initiative beim Land zu ergreifen kann zeigen, dass wir Kommunen etwas anderes wollen. Und klar machen: Ihr Schwaben könnt das gerne so machen, wir Badener haben ein größeres Feierbedürfnis.“

Es ist Bernhard Boll (SPD) der erneut den Vorschlag einer Probezeit ins Spiel bringt: „In der Informationsvorlage werden viele Behauptungen aufgestellt, die so gar nicht der Realität entsprechen. Daher schlage ich eine Probezeit vor, in der die Sperrzeit am Wochenende für ein Jahr wegfällt - samt Auswertung, wie das gelaufen ist.“ Solche handfesten Erfahrungen würden dann vielleicht auch die Verhandlungsposition gegenüber dem Land verstärken, wenn sich die Stadt für eine Gesetzesänderung starkmacht.

Belange der Anwohner in Jungbusch und Innenstadt berücksichtigen

Stadträtin Christina Eberle (Grüne) verweist außerdem auf die Anwohnenden: Besonders im Jungbusch sowie in der Innenstadt müssten die Ruhezeiten eingehalten werden, diese Viertel sollten weiterhin lebenswert bleiben - das schließt auch ein leises und sauberes Umfeld in den Ausgehvierteln mit ein. „Der Wunsch der Gastronomen und Clubbetreibenden ist sehr deutlich geworden. Aber gleichzeitig dürfen wir die Belange der Anwohnenden nicht vergessen“, sagt Eberle. Um beiden Seiten gerecht zu werden, hätten die Grünen deshalb vor längerer Zeit bereits einen Antrag gestellt, der das Aufheben der Sperrzeit für ein Jahr auf Probe vorschlägt. „Das würde die Tatsachenlage schaffen, die die Stadt in der Vorlage vermisst und eine Aufhebung rechtfertigen“, so die Grünen-Stadträtin. Eberle hofft darauf, dass die Probezeit ein realistisches Lagebild vom Mannheimer Nacht- und Partyleben ermöglicht.

Kritik am Mannheimer Nachtbürgermeister

Stadtrat Claudius Kranz (CDU) kritisiert zuerst den aus seiner Sicht einseitigen Einsatz des Nachtbürgermeisters allein für die Clubbetreibenden. „Ich dachte, der Nachtbürgermeister wäre dafür da, sich für einen Interessensausgleich für alle stark zu machen“, sagt Kranz. Die einjährige Probezeit hält er nicht für nötig, schließlich reichen für ihn die Sondergenehmigungen, mit denen sich die Stadt rechtlich „nicht auf dünnes Eis“ begebe. Anhand der Anzahl der Anträge könne man ebenfalls gut für eine Gesetzesänderung argumentieren, so Kranz.

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Die Li.Par.Tie schließt sich dagegen der Forderung von SPD und Grünen nach einem Jahresversuch an. Die Antwort der Verwaltung: Zwar lässt sich an der Rechtslage wenig rütteln. Allerdings könne man die Ausnahmegenehmigungen für die Sperrzeit, die aktuell für sechs Monate gilt, auf zwölf ausweiten, so der Vorschlag. Mit dieser Ausweitung will die Stadt rechtlich auf der sicheren Seite bleiben. Die dadurch gesammelten Erkenntnisse könnten dann die Grundlage bilden für einen Antrag zur Gesetzesänderung.

Clubsterben auch in Mannheim erkennbar

Dadurch lasse sich laut Verwaltung auch besser abschätzen, wie viele Clubbetreiber tatsächlich dieses Angebot annehmen - und wie hoch der Bedarf nach einer Stunde längerer Öffnungszeit am Ende wirklich ist. „Wir werten das aus und besprechen das mit dem Nachtbürgermeister. Dann können wir auch in einem Jahr genau sagen, wie sinnvoll diese Reglung war“, besiegelt Proffen die Entscheidung, die auch bei den Grünen und der SPD auf große Zustimmung trifft.

Wie geht es den Clubs, der Branche in Mannheim gerade? Das wollten die Freien Wähler von der Verwaltung wissen. Auch darauf gibt es im Ausschuss direkt im Anschluss eine Antwort. Bundesweite Tendenzen von Clubsterben lassen sich auch in Mannheim erkennen. So gebe es keine Neugründungen von Diskotheken, teils gebe es Schließungen von Clubs, die unter anderem Namen wieder eröffnen. Bei einem Treffen im Musikpark mit der Szene mit Landesvertretern berichten die Betroffenen von Problemen bei der Finanzierung solcher Neueröffnungen und wünschen sich dabei Hilfe von Stadt und Land.

Standortsuche für Clubs in Mannheim gestaltet sich schwierig

Ein weiteres Problem ist die Standortsuche: Vom Schallschutz bis zu Sicherheitsbedenken seien die Auflagen hoch. Laut Clubbetreibern mangelt es auch an Hauseigentümern, die bereit sind, ihre Räume zu vermieten. Aktuell kämpften die Clubs mit steigenden Preisen und Personalmangel. Durch die Inflation sparten sich einige auch den teuren Gang zum Tanzen.

Laut Nachtbürgermeister Gaa engagieren sich dafür immer mehr jungen Menschen für das Nachtleben, besonders, wenn es um elektronische Musik geht. Da gebe es Veranstaltungskollektive und mehr Clubnächte mit lokalen Acts. Zudem habe die Stelle des Nachtbürgermeisters dazu beigetragen, die Partyszene besser zu vernetzen. Was aber weiterhin fehle, sei die Förderung der Clubkultur.

In Mannheim gibt es seit Jahren mehr Diskotheken als Musikclubs. Was der Unterschied ist? Discos seien kommerziell geprägt. Dort können lokale Musiker nicht auftreten, was wiederum die Clubs möglich machen. Die im Sommer durchgeführten Open-Air-Konzerte an verschiedenen Standorten, darunter der Neckarwiese, sollen auch 2024 weitergehen, dafür suche man noch feste Flächen.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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