Gemeinderat

Mannheim sperrt nachts die Quadrate für Autos

Eigentlich geht es aktuell um eine Umgestaltung der Fressgasse. Doch überraschend gibt es nun noch eine weitergehende Initiative für die Quadrate.

Von 
Steffen Mack
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In den Mannheimer Quadraten sind auch nachts aktuell viele Autos unterwegs. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Mannheim. Es sind zwei Lunten, die Christian Specht schnell löscht. Der Hauptausschuss des Gemeinderats befasst sich mit einer Beschlussvorlage, die leichte Veränderungen in der Fressgasse vorsieht. Sechs Kurzzeitparkplätze sollen im Bereich P5/Q5 wegfallen. Dafür sind eine 30 Quadratmeter große Grünfläche, ein Baum und eine Neuordnung des Handwerker- und Lieferverkehrs vorgesehen. Außer der AfD stimmen am Ende alle einträchtig dafür.

Strittiger bis hochumstritten sind zwei Themen: Nächtliche Durchfahrt-Sperren für Autos zum Lärmschutz für die Anwohner sowie eine „Brötchentaste“ an Parkautomaten, mit der man für schnelle Besorgungen sein Fahrzeug kostengünstig oder gar gratis abstellen kann. Das Erste sagt der CDU-Oberbürgermeister überraschend schnell zu, das zweite vertagt er.

In der Innenstadt nächtliche Sperren einzuführen oder zumindest zu prüfen, haben vier Fraktionen gefordert. Zunächst stand nur ein entsprechender Antrag der SPD auf der Tagesordnung, doch wurden – auf Proteste hin – kurzfristig auch ältere Anträge von Mannheimer Liste, Grünen und LTK hervorgeholt. Es geht um die Zeit zwischen 22 beziehungsweise 23 Uhr und 5 Uhr morgens. Das hatte die Stadt im Kampf gegen Poser schon ab April 2021 in der Fressgasse zeitweise erprobt.

In Mannheim geht es um Lärm durch „Poser, Partyfahrer und Huper“

Die Leiden der Anwohner verdeutlicht Jutta Schroth aus dem Bezirksbeirat Innenstadt/Jungbusch. Der Lärm, den „Poser, Partyfahrer und Huper“ nachts verursachten, werde auch laut Polizei immer schlimmer. Wenn nichts geschehe, „werden wir im nächsten Jahr zwischen Fastenbrechen und Weltmeisterschaft keine Pause haben“. So schnell dürfte es aber kaum gehen. Der Ramadan endet 2026 am 19. März, die Fußball-WM in Kanada, Mexiko und den USA beginnt am 11. Juni. Specht sagt, es werde mindestens ein halbes Jahr bis ein Dreiviertel dauern, eine rechtssichere Teilsperrung auf den Weg zu bringen. Das Verfahren sei sehr aufwendig, weil es sich um einen erheblichen Eingriff in die Rechte von Anwohnern und sonstigen Anliegern handle.

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FDP-Fraktionschefin Birgit Reinemund zeigt sich sehr skeptisch. Den Betroffenen müsse es nachts weiter möglich sein, zu ihren Wohnungen zu fahren. In dieses Horn stößt auch Einzelstadtstadt Julien Ferrat („Die Mannheimer“). Er lehnt die Sperren ebenso klar ab wie AfD-Fraktionschef Jörg Finkler. Der argumentiert, wer sich auskenne, finde immer Wege durch die Quadrate.

Finkler ist auch als Einziger gegen die Veränderungen in der Fressgasse. Er wittert dahinter einen Versuch, die Innenstadt „scheibchenweise autofrei“ zu machen. Auch die neue kleine Grünfläche, eine Maßnahme zum Klimaschutz, hält er nicht für erforderlich. In dieser Straße gebe es bereits relativ viel Schatten.

Dagegen nennt Grünen-Fraktionschefin Gabriele Baier die im FutuRaum-Prozess entwickelten Veränderungen der Fressgasse ein „enttäuschend mageres Ergebnis“. Es sei löblich, alle Betroffenen mitreden zu lassen. Aber je größer der Kreis, desto kleiner der Kompromiss. Ihre Grünen hätten den umstrittenen, vor zweieinhalb Jahren beendeten Verkehrsversuch mit permanenten Durchfahrtsperren gerne fortgesetzt.

Vor diesem Restaurant im Quadrat P5 in Mannheim sollen fünf Kurzzeitparkplätze nebeneinander wegfallen. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Ähnlich äußert sich Jessica Martin von der Klimaliste. Sie habe zwar Verständnis, dass bei der angespannten Haushaltslage derzeit keine weitergehenden Schritte möglich seien. Aber die jetzigen dürften nur ein Anfang sein. Sehr verärgert zeigt sich die Stadträtin über die Industrie- und Handelskammer, die in letzter Minute „missbräuchlich“ erreicht habe, dass die „Brötchentaste“ in der Beschlussvorlage stehe. IHK-Präsident Manfred Schnabel, Hendrik Hoffmann vom Handelsverband Nordbaden und Lutz Pauels von der City-Werbegemeinschaft sprachen sich in einer Stellungnahme sehr deutlich für dieses Mittel aus, um die Quadrate für kurze Einkäufe mit dem Auto attraktiver zu machen.

Auch Reinemund nennt eine „Brötchentaste“ ebenso sinnvoll wie ihre Fraktionsvorsitzenden-Kollegen Holger Schmid (Mannheimer Liste) und Claudius Kranz (CDU). Letzterer sagt, er wäre bei dem Thema „gern schon weiter“. Die Drei äußern zwar Bedauern über den Wegfall von sechs Kurzzeitparkplätzen, tragen ansonsten aber die Umgestaltungen in der Fressgasse mit. Die Grünen dagegen würden am liebsten sämtliche Kurzzeitparkplätze dort abschaffen, für einen entsprechenden Antrag stimmt aber außer ihnen nur die LTK. Die wiederum hat beantragt, dass die „Brötchentaste“ nur in Parkhäusern kommt. Auch SPD-Fraktionschef Reinhold Götz nennt sie am Straßenrand „kontraproduktiv“.

Bei der „Brötchentaste“ für Mannheim soll der Prüfauftrag abgewartet werden

Hier verläuft somit eine klare Trennlinie zwischen dem bürgerlich-konservativen Teil und dem linken Teil des Gemeinderats. Eine Abstimmung über die Brötchentaste vertagt Specht mit der Bitte, man möge erst den Prüfauftrag für die Verwaltung abwarten und dann entscheiden. Angedacht ist eine Einführung zum nächsten Frühjahr.

Für weitergehende Veränderungen in der Fressgasse, wie sie manche im Mannheimer Gemeinderat gern hätten, hat die Stadt aktuell kein Geld. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Einhellig gelobt wird der städtische Beauftragten Petar Drakul, der den FutuRaum-Prozess sehr gut moderiert und Konflikte befriedet habe. Schmid erinnert daran, wie tief die Gräben nach dem Verkehrsversuch waren („Man hat nicht mehr miteinander geredet, man war stinksauer“). Drakul räumt ein: Dass er signalisiert bekommen habe, für bauliche Veränderungen sei kein Geld da, sei „ein bisschen frustrierend“ gewesen. Zum Glück gebe es nun zumindest „behutsame Veränderungen“.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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