Mannheim. Hier ein lautes Aufheulen der Motoren, dort die Geräusche von durchdrehenden Reifen oder wummernde Bässe - Lärm, der in Mannheims Innenstadt durch Poser besonders in den Abendstunden häufig zu vernehmen ist. Nun soll das aber bald möglicht der Vergangenheit angehören. Helfen soll dabei die Kampagne „Muss nicht sein“, mit der die Stadt zusammen mit dem FutuRaum, ein Projekt zur Innenstadtentwicklung, dem Poserlärm den Kampf ansagen will.
Seit etwa zehn Jahren wird versucht, gegen das Verhalten der Poser anzugehen. Jetzt aber wählt die Stadt einen anderen Ansatz und holt die Poser-Szene mit ins Boot. Auf Augenhöhe will man sich so begegnen, betonen alle Beteiligten bei der Vorstellung der Kampagne im Cineplex am Montag. Statt nur zu bestrafen, wird auf den Dialog gesetzt: „Die repressive Seite ist die eine , aber es ist auch wichtig, dass wir die Menschen sensibilisieren, die den Lärm verursachen“, sagt CDU-Sicherheitsdezernent Volker Proffen.
Mannheims Poser-Szene an Kampagne beteiligt
Zuvor wurde der Kampagnenfilm auf der Leinwand des Kinos präsentiert. Dabei wurde versucht, die Szenen so lebensnah wie möglich darzustellen. Rücksichtslose Poser lassen zum Leid ihrer Mitbürger die verschiedenen Muskeln ihrer Autos spielen. Daraufhin lässt eine Kellnerin zum Beispiel vor Schreck ein Glas fallen und fragt: „Muss das sein?“ Die Mutter eines Kleinkindes, das aufgrund des Lärms nicht schlafen kann, fragt das ebenso. Und zum Schluss ebenso ein Poser, dessen Fahrzeug gerade von der Polizei sichergestellt wird. Neben dem Film, der unter anderem im Internet auf dem Youtube-Kanal der Stadt ausgespielt wird, werden in der Stadt Plakate zu der Kampagne zu sehen sein.
„Wir als Funktionäre hatten ein bisschen Sorge mit der Geschichte“, gibt Benjamin Hopkins zu, der für die Poser-Szene Mannheims an der Kampagne beteiligt ist. „Die Resonanz aus der Community sei aber positiv gewesen. „Wir stehen hinter dem, was wir zusammen mit dem FutuRaum aufbauen“, sagt Hopkins. Er begreift den Dialog zwischen der Poser-Szene und der Stadt als große Chance. „Ich bin optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um hier Ruhe rein zu bringen.“
Alternative Standorte für Poser-Szene werden geprüft
Die Stadt fordert die Poser in der Kampagne zu mehr Respekt und Rücksicht auf. Ein Ansatz, den Benjamin Hopkins vieles abgewinnen kann. Schließlich wohnt er selbst in der Innenstadt. „Von daher kann ich den Stress der Anwohner verstehen, wenn einer um 3 Uhr nachts meint, mit Vollgas durch die Straße zu fahren“, sagt er. Hopkins organisiert regelmäßig Treffen für die Szene, erzählt er: „Da kommen über 550 Fahrzeuge. Wir sagen jedes Mal: ,Kommt gesittet an und fahrt gesittet davon.’ Und es funktioniert“, betont der Poser und spricht von schwarzen Schafen, die es in jeder Szene gebe, und die es gelte herauszufiltern.

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Hopkins hofft, dass das bald gelingen könnte. Er deutet an, dass Stadt und Poser-Szene in Gesprächen sind, was alternative Plätze angeht, wo sich die Poser treffen können - und dürfen. Hopkins betont aber auch, dass noch nichts in trockenen Tüchern ist. Dennoch denkt er, dass es für die Polizei dann einfacher wäre, an die „schwarzen Schafe“ heranzukommen. „Wenn wir da unsere 500 Fahrzeuge auf unseren Plätzen stehen haben, ist in der Stadt mehr Ruhe, und die Polizisten haben mehr Zeit, die einzelnen schwarzen Schafe herauszupicken.“ Schließlich würden dann statt wie bisher mehrere hundert nur noch wenige Autos durch die Innenstadt fahren, so seine Rechnung. „Es wäre eine Win-win-Situation für alle.“
Petar Drakul, Berater des Oberbürgermeisters Christian Specht (CDU) für Innenstadtentwicklung und Leiter des FutuRaums, sieht in den alternativen Plätzen ebenfalls eine gute Option. „Wir prüfen derzeit zwei Standorte. Offene Gespräche dazu haben stattgefunden“, erklärt er. Erste Skizzen sollen nun ausgetauscht werden, um zu sehen, welche Infrastruktur es für die Orte brauche. Dabei baut er auch auf die Erfahrung aus der Poser-Szene. Drakul ist optimistisch: „Ich glaube, dass wir das bewerkstelligen können.“
Die vom Poser-Problem betroffenen Bürgervereine in der Innenstadt hätten sich neben der Kampagne mehr erhofft. Daniel Barchet, 1. Vorstand des Bürger- und Gewerbevereins Östliche Innenstadt, spricht von konkreten Maßnahmen, wie etwa Bodenschwellen oder Tempo-20-Zonen in der Fressgasse. Volker Proffen stellt lediglich Plateaus in der Kunststraße in Aussicht, die die Poser ausbremsen sollen. „Grundsätzlich wird überlegt, weitere Maßnahmen zu veranlassen.“ Petar Drakul ergänzt, dass zudem geprüft werde, ob die Fressgasse mäandriert werden könnte. Auch die Einfahrt zur Fressgasse soll umgebaut werden.
Bis Ruhe einkehrt, wird es wohl noch etwas dauern
Zudem wird wohl noch ein weiteres Problem, worüber sich die Bürgervereine aufregen, vorerst bleiben. Denn nicht nur die Motorengeräusche ärgern die Anwohner, sondern auch laute Musik aus den Autos. Bei Staus etwa in der Marktstraße wird von Party-Events gesprochen, Proffen nennt es „Party auf vier Rädern“. Es handele sich dabei nicht um Poser, sondern um eine neues Szene. „Da müssen wir andere Mittel ergreifen.“ Wie die aussehen sollen, lässt Proffen offen. So wird es wohl noch etwas dauern, bis wirklich Ruhe in der Innenstadt einkehrt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Kampf gegen Poserlärm: Worten der Stadt Mannheim müssen Taten folgen