Energieversorger

Mannheim: Mutmaßliche Täuschungen durch Vertreter an der Haustür

Durch falsche Behauptungen und Betrug sollen Mannheimer Verbraucher dazu gebracht worden sein, Verträge zu unterschreiben. Was genau passierte, wie sie die Verträge wieder loswurden und was Betroffene tun können

Von 
Susanne Merz
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Oft nutzen Vertreter an der Tür den Überraschungseffekt und überrumpeln die Verbraucher. © dpa

Mannheim. Vertreter von Energieversorgern sollen arglose Kunden an der Haustür getäuscht haben. Durch falsche Behauptungen und Betrug sollen sie in mindestens zwei Fällen Unterschriften ergaunert haben, die sie zum Vertragsabschluss missbraucht haben sollen. Ohne das Wissen der beiden Kundinnen hätten die Vertreter Verträge bei neuen Energieversorgern abgeschlossen. Gleichzeitig wurden die bestehenden Verträge gekündigt. Das berichteten zwei MM-Leserinnen der Redaktion.

Kundin wollte Angebot für einen neuen Tarif

In einem Fall soll eine Kundin von einem Vertreter der Stadtwerke Krefeld (SWK) dazu gebracht worden sein, einen Vertrag zu unterschreiben, indem er vorgegeben habe, es sei für den Datenschutz. „Ich war tatsächlich auf der Suche nach einem neuen Anbieter und gab meine Daten weiter, um ein Angebot für einen neuen Tarif zugeschickt zu bekommen“, sagt die Betroffene, die in der Schwetzinger Vorstadt lebt, aber lieber anonym bleiben möchte.

Einige Tage später bekam die junge Frau auch Post von den SWK, allerdings eine Vertragsbestätigung. „Der Vertreter hat noch gesagt, wenn mich der Tarif nicht interessiere, müsste ich nichts weiter unternehmen. Hätte ich auf den Tipp gehört, wäre ich den Vertrag nicht mehr losgeworden.“ Sie kündigte innerhalb der Widerrufsfrist und beschwerte sich beim Unternehmen.

Vertreter im Namen des Energieversorgers unterwegs

Die SWK reagierte umgehend und bestätigte die Kündigung. In einer Email des Energieversorgers heißt es, dass die SWK „bei der persönlichen Beratung von potenziellen Neukunden auch mit externen Vertriebspartnern zusammenarbeitet. Hierbei handelt es sich um selbstständige Unternehmen, die von uns autorisiert sind, unsere Produkte zu vertreiben. Einer dieser Partner hat uns die Aufträge übermittelt, Sie mit Energie zu beliefern.“ Darüber hinaus entschuldigt sich das Unternehmen und weist darauf hin, dass die in ihrer Mail geschilderte Vorgehensweise nicht ihrem Verständnis einer Beratung entspreche. Die SWK verspricht der Kundin außerdem, der Beschwerde beim Vertriebspartner nachzugehen.

An der Haustür von Vertreter überrumpelt und getäuscht

Dennoch bleibt ein mulmiges Gefühl bei der Betroffenen zurück, über das Verhalten des Vertreters. Sie ist fassungslos „über die Art und Weise des Vorgehens“, denn der Vertreter wirkte seriös. „Er klingelte an der Haustür, stand dann direkt vor meiner Tür und trug eine SWK-Weste und wirkte freundlich. Dann las er die Zähler ab und sagte, er wolle etwas vorschlagen, um Geld zu sparen.“ Im Nachhinein sei ihr aber auch klar geworden, dass alles sehr schnell ging und sie kaum zu Wort kam. Sie fühlt sich überrumpelt. Laut der Verbraucherzentrale ist das der Überraschungseffekt, den Vertreter an der Haustür nutzen und warnt: „Wenn Sie unsicher sind, unterschreiben Sie lieber nicht!“

Wie es rechtlich aussieht

  • Werbegespräche, um neue Kunden für das jeweilige Unternehmen anzuwerben, sind grundsätzlich mit einer Genehmigung erlaubt“, erklärt eine Pressesprecherin der Polizei Mannheim auf Anfrage.
  • Strafbar sei es allerdings, wenn Tatsachen falsch dargestellt oder Informationen vorenthalten werden. „Im Fall der Seniorin könne es sich sogar um Urkundenfälschung handeln, die strafbar ist.“ In einem Fall wie diesem empfiehlt die Polizei, mit allen Unterlagen die örtliche Polizeidienststelle aufzusuchen.
  • Generell gilt: „Handzeichen, Kreuze oder Gekritzel von einzelnen Buchstaben können dazu führen, dass eine Unterschrift als ungültig erachtet werden kann. Der Name soll anhand der Unterschrift erkennbar sein“, wie Alena Vogel, Fachanwältin für Vertragsrecht in der Kanzlei Vogel, sagt.
  • Generell empfiehlt die Polizei, „Verträge oder Schriftstücke vor der Unterschrift sorgfältig durchzulesen und im Zweifel nicht zu unterschreiben“. Selbstverständlich könne Anzeige wegen Betrugs gestellt werden, dies gestalte sich rechtlich jedoch oft schwierig bei abgeschlossenen Verträgen.
  • Das bestätigt auch Vogel: „Den Beweis für die Täuschung muss in einem Gerichtsverfahren der Kläger erbringen. Die Verträge werden meist in einem Vier-Augen-Gespräch geschlossen, so dass der Beklagte den Gesprächsinhalt bestreiten kann.“ Das schmälere die Erfolgsaussichten einer Klage erheblich.
  • Um einen Rechtsstreit zu vermeiden, sollte man so schnell wie möglich von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Denn bei Haustürgeschäften gilt ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. smz

Fassungslos macht die junge Frau, dass sie „so hinters Licht geführt wurde“, denn sie glaubte ja für den Datenschutz zu unterschreiben. „Der Verkäufer hielt mir nur ein großes leeres Feld auf dem Tablet hin, so dass ich nicht mal sehen konnte, wofür ich unterschrieb.“ Dabei gehe sie davon aus, „dass man ehrlich ist und sagen würde, wenn man einen neuen Vertrag macht“. Zu dem geschilderten Vorfall sagt eine Pressesprecherin der SWK, dass „ein neues Berater-Team kürzlich in Mannheim gestartet ist. Für den der Beschwerde zugeordneten Berater wurde eine Nachschulung angeordnet“.

Weiterer Vorfall in der Neckarstadt

Eine Seniorin aus der Neckarstadt hat eine ähnliche Erfahrung gemacht. An ihrer Haustür klingelte ein Vertreter von Energie Baden-Württemberg (EnBW). Nach Angaben ihrer Tochter ließ sie den Vertreter in der Annahme, es sei ein Strom-und Gasableser ihres Energieversorgers, ins Haus. „Er hat dann die Zähler abgelesen und sich Daten notiert, anschließend wollte er meiner Mutter neue Verträge für Strom und Gas aufschwatzen“, sagt die Tochter.

„Meine Mutter sollte einen Kringel auf eine Karte malen“

Als die Mutter sich weigerte, etwas zu unterschreiben, „hat der Vertreter ihr vorgeschlagen, einen Kringel auf eine neutrale Karte zu malen. Um ihn loszuwerden hat sie das gemacht“, sagt die Tochter. Sie habe weder einen Durchschlag noch irgendwelche Unterlagen bekommen. In den folgenden Tagen erhielt die Mutter Begrüßungsschreiben und Unterlagen eines neuen Strom- und Gasvertrags von EnBW.

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Die Tochter verfüge über eine Vollmacht für die Rechtsgeschäfte ihrer Mutter: „Ich habe den Vertrag umgehend bei der EnBW widerrufen, den Vorfall geschildert und verlangt, die Unterschrift meiner Mutter zu sehen. Als Antwort wurde ich zunächst nur aufgefordert, die Vollmacht einzureichen!“, empört sich die Tochter der Betroffenen.

Laut Pressesprecher "ein großes Missverständnis"

Auf Nachfrage erklärt der Pressesprecher, dass „es sich offenbar um ein großes Missverständnis handelt. Der Mitarbeiter unseres Vertriebspartners hat das Gespräch anders in Erinnerung. Es wurde wohl auch kein Kringel auf ein Blatt Papier gesetzt“. Weder Kringel noch Unterschrift lagen dem Pressesprecher vor. „Dennoch möchte sich EnBW ausdrücklich bei der Dame entschuldigen, wir haben den Auftrag storniert und werden Maßnahmen ergreifen, damit so etwas nicht noch mal passiert“, sagt der Pressesprecher. So sollen Vertreter des externen Dienstleisters eine Nachschulung erhalten, um für solche Situationen zu sensibilisieren.

Nachbar berichtet von ähnlichem Vorfall

Die Seniorin hat mittlerweile die Stornierung des Vertrags erhalten, aber die Kündigung bei ihrem vorherigen Anbieter konnte laut ihrer Tochter von EnBW nicht rückgängig gemacht werden. Nach Angaben der Tochter hat auch der Nachbar ihrer Mutter einen unerwünschten Vertrag erhalten. In seinem Fall soll der Vertreter die Unterschrift für einen Nachweis verlangt haben, dass er dort gewesen sei. Der Pressesprecher der EnBW sagt, „dass wir zu dem Fall keine Aussage treffen können, da wir ihn nicht zuordnen können“. Eine Pressesprecherin der Polizei gibt an, dass eine Häufung der beschriebenen Vorfälle der Polizei nicht bekannt sei.

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