Betreuung - Verwaltung stellt Kindertagesstätten-Planung für die kommenden Jahre vor / Unterm Strich sollen 3500 Plätze entstehen, doch es gibt zahlreiche Hürden

Mannheim kommt beim Kita-Ausbau kaum hinterher

Von 
Bertram Bähr
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Die Evangelische Kirche wird unter anderem die Kita Mönchwörthstraße in Neckarau im Spätsommer schließen. Das macht den geplanten Kita-Ausbau der Stadt noch einmal schwieriger. © Thomas Tröster

Mannheim. Die Nachricht vor wenigen Tagen war für die Kindertagesstätten-Ausbauplanung der Stadtverwaltung ein Schlag ins Kontor: Überraschend verkündete die Evangelische Kirche Mannheim (Ekma), dass sie ihre Kitas im Füllenweg auf dem Scharhof und in der Mönchwörthstraße auf dem Almenhof in wenigen Monaten schließt. Und im kommenden Jahr soll die Kita Schwarzwaldstraße auf dem Lindenhof folgen. Unterm Strich fallen fünf Gruppen und damit Plätze für bis zu 100 Kinder weg (wir berichteten).

Der Schritt erregte viel Aufsehen und sorgt für anhaltende Kritik nicht nur bei Parteien, sondern vor allem bei betroffenen Eltern. Dennoch ist der kurzfristige Wegfall der Plätze nur eines von vielen Problemen, mit denen die Stadtverwaltung bei der Schaffung neuer Betreuungsplätze zu kämpfen hat. Das machten Bildungsbürgermeister Dirk Grunert und der städtische Kita-Koordinator Andrew Ballantyne am Mittwoch bei einem virtuellen Pressegespräch deutlich.

Bürger-Interessengemeinschaft Lindenhof sieht Versäumnisse in der Vergangenheit

  • Während es bei der Kindertagesstätten-Planung der Stadt um zukünftige Entwicklungen geht, richtet die Bürger-Interessengemeinschaft Lindenhof (BIG) den Blick zurück.
  • Generell sei es „natürlich schön“, dass der Ausbau weiter vorangetrieben werde, so BIG-Vorstandsmitglied Jan Habenicht. Doch die Entwicklung in der Vergangenheit sei ernüchternd.
  • Viele Einrichtungen aus dem Ausbauprogramm 2018 bis 2020 „sollten eigentlich längst eröffnet sein, aber die Inbetriebnahme verzögert sich deutlich“, so Habenicht.
  • Die BIG hat anhand der städtischen Quartalsvorlagen eine Statistik erstellt. Demnach sei die Zahl der unversorgten Kinder zwischen 2015 und heute um 63 Prozent gestiegen. Der prozentuale Anteil von neuen Plätzen liege dagegen um gerade mal etwa fünf Prozent höher.
  • Die BIG kritisiert, dass die Versorgungsquote im Umland deutlich höher sei als in Mannheim.
  • Tatsächlich geht der Rhein-Neckar-Kreis seit langem davon aus, dass im Kita-Bereich eine Versorgungsquote von 105 Prozent notwendig ist, um das ganze Jahr über Plätze für Kinder zur Verfügung zu haben.
  • Die Stadt hat diese Zielmarke erst 2019 festgelegt – ist aber weit davon entfernt. Zum Stichtag 1. Oktober 2021 liegt die Quote bei 83,6 Prozent

580 Kita-Kinder unversorgt

Anlass für den Termin waren nicht etwa die Schließungspläne der Kirche, sondern die langfristige Ausbauplanung. Die Verwaltung hat dazu auf Wunsch der Kommunalpolitiker eine knapp 40-seitige Vorlage für den Bildungsausschuss des Gemeinderats erstellt, Grunert und Ballantyne stellten sie jetzt vor. Demnach sollen in den kommenden Jahren mindestens 3500 Plätze im Krippen- und Kitabereich neu entstehen.

Der Handlungsdruck ist groß. Die Zahl der Kinder, die derzeit keinen Platz erhalten, ist anhaltend groß und liegt im dreistelligen Bereich. Zum Stichtag 1. Oktober 2021 gelten laut Verwaltung 209 Kinder unter und 580 Kinder über drei Jahren als unversorgt. Zwar wurden in den zurückliegenden Jahren immer wieder neue Einrichtungen geschaffen. Aber „die Bedarfe sind in den letzten Jahren sehr, sehr stark gewachsen. Da konnte die Stadt in der Vergangenheit kaum mit dem Ausbau mitkommen – obwohl große Summen investiert wurden“, sagt Bürgermeister Dirk Grunert.

Deshalb forciere man den Kita-Ausbau weiter und treibe ihn voran, „es ist tatsächlich einiges auf dem Weg“. Darüber gibt das Verwaltungspapier detailliert Auskunft. Grundlage für die zusätzlich erforderlichen Projekte sind Standortkonzeptionen für die einzelnen Stadtteile. Sechs von 17 liegen mittlerweile vor, die für Rheinau und Innenstadt/Jungbusch folgten demnächst, kündigt Grunert an.

Die Stadt stellt dabei zwar vor, was sie beabsichtigt. Aber das heißt noch lange nicht, dass alles auch umgesetzt werden kann. Denn vielerorts gibt es Widerstände gegen die jeweiligen Projekte – ein weiteres Problem, mit dem die Verwaltung sich auseinanderzusetzen hat. In unterschiedlicher Intensität ist das an fast allen Standorten der Fall. Beispiel Landteilstraße/Waldparkstraße auf dem Lindenhof. Dort, so Ballantyne, hätten Anwohner mit einer Petition an den Landtag eine Kita verhindern wollen. Der Landtag habe das zwar zurückgewiesen, aber „ich gehe davon aus, dass es auch gegen den Bauantrag Widerspruch gibt“. Gegen ein Vorhaben in der Wilhelm-Leuschner-Straße hätten Anwohner Klagen angekündigt, auch die Erweiterung des Waldorfkindergartens in der Zielstraße oder ein Neubauprojekt am Eisenlohrplatz stoßen auf Widerstände.

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Selbst wenn solche Hürden aus dem Weg geräumt sind, koste „der Bau von Kitas Zeit“, so Grunert. Bei den meisten Projekten sei „eine Zeit von drei bis fünf Jahren realistisch ist, bis eine Kita tatsächlich öffnen kann“. Da liegt auf der Hand, dass – zum Beispiel bei den Parteien – die Frage nach schnelleren oder Übergangslösungen aufkommt. So wollte die CDU im September 2021 wissen, ob eine standardisierte Modulbauweise nicht für Beschleunigungen sorgen könnte. Das sei „immer ein Thema“, sagt Ballantyne – beispielsweise im Taylorpark, wo eine dreigruppige Kita auf diese Weise entstehe. Aber mit einer Bauzeit von „15 bis 18 Monaten“ sei auch in solchen Fällen zu rechnen. Mindestens genauso lang, eher länger, dauere es, wenn Container als Übergangslösungen gestellt würden, denn auch hier, so Grunert, seien etliche bürokratische Hürden zu überwinden.

Für die Kita Mönchwörthstraße, die die Ekma in wenigen Monaten schließt, fordert die SPD Neckarau eine „Fortführung des Betriebs durch einen freien Träger oder die Stadt selbst“. Grunert bezeichnet das als „nicht realistisch“, weil es dafür eine erneute Betriebserlaubnis brauche. Unterdessen rechnet der Bürgermeister mit neuen Hiobsbotschaften: „Ich gehe davon aus, dass es weitere Träger geben wird, die in Zukunft, vielleicht sogar in Kürze, weitere Einrichtungen schließen werden.“ Er erwartet, dass die Stadt darüber frühzeitig informiert werde, damit man schnell nach Alternativen suchen könne.

Dagegen zeichnen sich Lösungen für zwei Projekte ab, die die Ekma für die kommenden Jahre plante, dann aber im August 2021 einen Baustopp verfügte. Die städtische Schulbaugesellschaft BBS sei mit der Ekma in guten Gesprächen. Ziel: Realisierung der Kitas in der Kirchgasse Sandhofen und bei der Markuskirche Almenhof durch die BBS und Anmietung durch die Kirche.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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