Mannheim. Egal, ob Schwan, Katze oder Reh. Ist in der Region ein Tier in Not, klingelt meist in Hochdorf-Assenheim das Telefon. Michael Sehr und seine Berufstierrettung Rhein-Neckar gelten als bewährte Anlaufstelle, auch wenn es mal ein Hickhack um Zuständigkeiten und Beauftragungen gibt. Doch nun schlagen sie Alarm in eigener Sache.
Auf ihrer Facebookseite informieren die Tierretter über das zwangsweise Ende ihrer Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim. Nach fünf Jahren laufe der Vertrag zum 1. August aus. Bei der Neuausschreibung hätten sie leider nicht den Zuschlag bekommen. Sondern ein Spediteur, „dessen Kerngeschäft nichts mit Tierschutz und Tierrettung zu tun hat“. Es sei bedauerlich, dass „die Vergabe nicht auf Fachkompetenz, sondern auf wirtschaftliche Faktoren gestützt wurde“.
Finanzielle Herausforderungen bedrohen die Existenz des Unternehmens
Auf Nachfrage berichtet Sehr, er und seine Mitstreiter seien tief getroffen. „Daran hängt unsere Existenz, das wird uns wahrscheinlich in die Insolvenz treiben.“ Sie prüften jetzt rechtliche Schritte gegen die Vergabe. Dass sie leer ausgingen, sei unfair. Ihre Fachkompetenz habe bei dem Verfahren keine Rolle gespielt, den Ausschlag hätten allein finanzielle Aspekte gegeben.
Genaue Zahlen will Sehr ebenso wie andere Gesprächspartner nicht nennen. Dem Vernehmen nach geht es um eine sechsstellige Summe, vorne mit einer Zwei, wohl in Richtung einer Drei. Es heißt, das andere Angebot sei etwa um ein Drittel günstiger. Einer der Insider hält den Unterschied indes für kleiner.
Online-Petition mit bereits rund 3000 Unterschriften gestartet
Der am Donnerstagmittag veröffentlichte Post der Tierretter hat gewaltigen Wirbel ausgelöst. Allein auf ihrer Facebook-Seite wurde er bis Freitagnachmittag rund 1700 mal gelesen, die Kommentare darunter sind voller Empörung. „Ich hätte nie gedacht, dass wir so viel Zuspruch bekommen“, freut sich Sehr. Spenden dürften sie als Berufstierrettung allerdings nicht nehmen. Mittlerweile wurde auch eine Online-Petition mit bereits knapp 3000 Unterschriften gestartet. Darin wird die Stadt aufgefordert, ihr Vergabeverfahren zu überdenken und den Tierschutz zu berücksichtigen.
Auf Anfrage weist der Sprecher von Oberbürgermeister Christian Specht die Vorwürfe zurück. Den Vertrag habe die Stadt europaweit neu ausschreiben müssen. Für den Teilbereich der Tiertransporte – nur um den geht es zunächst – sei das überzeugendste Angebot von der Firma Foerster Logistik, Spezial- und Tiertransporte gekommen. „Das spezialisierte Unternehmen ist sehr erfahren im Umgang mit Tieren und war in der Vergangenheit bereits einige Jahre für die Stadt Mannheim im Bereich Tiertransporte tätig.“
Früher saß die Firma im Rheinauer Hafen und pflegte auch Wildtiere
Die Firma verfüge über alle notwendigen Befähigungen und Erlaubnisse, so Spechts Sprecher. Inhaber Steven Foerster sei auch Vorsitzender des Wildtierschutzvereins Pfälzerwald. Dazu meint Sehr: „Das heißt nicht, dass er ein Pferd tierschutzkonform aus einem Graben holen oder in einer Wohnung 80 Katzen einfangen kann.“
Foerster dagegen betont am Telefon, er habe alle erforderlichen Kompetenzen. Auch einen Jagdschein, eine Falknerei-Lizenz sowie eine Narkosewaffen-Berechtigung für alle Kaliber. Über das, was da auf Facebook alles über ihn behauptet werde, könne er nur den Kopf schütteln. So würden angebliche Erlebnisse mit ihm völlig falsch dargestellt. Er habe auch, anders als die Tierrettung in ihrem Post schreibe, kein Abschleppunternehmen mehr. An der Debatte in den sozialen Medien beteiligen wolle er sich jedoch nicht. „Ich mache einfach meine Arbeit.“
Jetzt hat Steven Foerster ein Grundstück hinter Bad Dürkheim
Früher saß Foersters Firma im Rheinauer Hafen. Dort pflegte er auch Wildtiere. Vor etwa zwölf Jahren stieß das bei der Stadt auf Unmut, weil er ihr dafür hohe Kosten in Rechnung stellte. Sie trennten sich. Foerster ging nach Polen. Seine Spedition sei hier aber aktiv geblieben, sagt er. Auch mit Tiertransporten. Weil die allein nicht wirtschaftlich seien, müsse man noch andere Dienstleistungen anbieten.
Weil Foerster hier kein für ihn bezahlbares Grundstück mehr fand, ging er in die Pfalz. Dort habe er hinter Bad-Dürkheim ein 1,2 Hektar großes Areal, berichtet der Unternehmer. Darauf halte er seine Falken und andere Tiere. Ob er das auch wieder für die Stadt Mannheim tun wolle, wisse er noch nicht. Das hänge von den weiteren Verhandlungen ab. Vergeben wurde fürs Erste ja nur der Auftrag für Tiertransporte.
Bei den Transporten gelten beide Anbieter als kompetent
Darin sei nicht nur Sehr, sondern auch Foerster kompetent, meint jemand, der beide kennt. Aber allein mit dem Transport sei es in der Regel nicht getan. Neben der 24-stündigen Erreichbarkeit gehe es etwa auch oft darum, nachts eine Tierarztpraxis zu finden. Dann fahre der eine vielleicht bis Eberbach, der andere womöglich nur bis Sinsheim. Doch angesichts der massiven Sparnöte der Stadt sei schon verständlich, aufs Geld zu achten.
Den finanziellen Aspekt kann auch Andreas Parmentier nachvollziehen, Stadtrat der Tierschutzpartei. „Aber eigentlich sollte man an Tieren nicht sparen.“ Dass so ein ausgewiesener Fachmann wie Sehr nicht mehr zum Zuge komme, sei sehr bedauerlich. Der Gemeinderat habe da indes keine Handhabe, das Ausschreibungsverfahren sei Sache der Verwaltung. Doch wenn Foerster dann ab August für zwei Jahre übernehme, „werden wir den Zeigefinger heben, wenn etwas schiefgeht“.
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