Mannheim. Eigentlich hatte sie im September mit ihrer Kinderarztpraxis auf der Hochstätt starten wollen (). Aber noch immer liegt Stefanie Schwarz-Gutknecht kein Bescheid des zuständigen Zulassungsausschusses vor. Dabei war noch im Mai von einem Beschluss im Juni die Rede gewesen. „Nach heutigem Stand wird der Zulassungsausschuss im September dazu entscheiden“, teilt Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, auf Anfrage dazu mit.
Damit sind die Kinder und Familien auf der Hochstätt, einem der kinderreichsten Stadtteile Mannheims, weiter ohne kindermedizinische Versorgung. Aber auch in anderen Stadtteilen der Sozialräume 4 und 5 sieht es nicht viel besser aus. Die Versorgung dort bezeichnet Peter Schäfer, Leiter des Gesundheitsamtes, als „nicht ausreichend gegeben beziehungsweise gefährdet“.
Laut aktuellem Versorgungsbericht der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg liegt der Versorgungsgrad mit Kinderärztinnen und -ärzten im Planungsbezirk Mannheim bei 131,5 Prozent. Wenn der Versorgungsgrad den Wert von 110 Prozent übersteigt, wird der Bereich für Neuzulassungen gesperrt. Es darf dann keine neue Praxis eröffnen. „Die Berechnung dieser Prozentzahl wird von der KV vorgenommen. Sie ist für die Stadt nicht nachvollziehbar und entspricht nicht dem tatsächlichen Bedarf“, stellt Peter Schäfer dazu fest.
Mangel an Kinderärzten in Mannheim: Auswirkungen auf Bildungsgerechtigkeit und soziale Teilhabe
Die ungleiche Verteilung von Kinderärztinnen und -ärzten über die Stadtteile hinweg habe erhebliche Auswirkungen auf Familien und Kinder, insbesondere in Bezug auf Bildungsgerechtigkeit und soziale Teilhabe, weiß der Gesundheitsamtsleiter. In unterversorgten Stadtteilen müssten Eltern oft lange Wartezeiten für Termine in Kauf nehmen oder weite Wege zurücklegen, um eine kinderärztliche Versorgung zu erhalten. Dies könne dazu führen, dass Kinder seltener präventive Untersuchungen oder notwendige medizinische Behandlungen erhielten, was wiederum ihre Entwicklung und Bildungschancen beeinträchtige.
Eine Möglichkeit, trotz der formalen Überversorgung ein kindermedizinisches Angebot auf der Hochstätt zu errichten, ist der Antrag auf Sonderbedarfszulassung. Genau diesen hat Stefanie Schwarz-Gutknecht vor Monaten schon gestellt. Sie betreibt eine Kinderarztpraxis am Wasserturm und will nun auch die Hochstätt mitversorgen. Die Räumlichkeiten hatte sie bereits ebenso organisiert wie eine Kollegin, mit der sie sich die Sprechstunden teilen wollte. Diese Ärztin ist inzwischen wieder abgesprungen.
Glücklicherweise konnte Schwarz-Gutknecht schnell Ersatz finden. „Ich hoffe, dass es mir noch gelingt, die bürokratischen Hürden zu überwinden. Jedenfalls werde ich nicht aufhören, für diese Kinder zu kämpfen“, sagt die engagierte Medizinerin. Wenn der Zulassungsausschuss, der zu gleichen Teilen aus Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen besetzt ist, im September das nächste Mal tagt, hofft sie auf einen positiven Bescheid.
Der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch fordert die baden-württembergische Landesregierung indes dazu auf, sich auf Bundesebene dafür starkzumachen, dass die Vergabe von Kassenarztsitzen auch an Stadtbezirke gekoppelt werden kann und nicht nur an einen Stadt- oder Landkreis. „Ziel muss es sein, dass es in Mannheim in jedem Stadtbezirk mindestens einen Kinderarzt gibt“, so Weirauch. Eine wohnortnahe ärztliche Versorgung sei nicht nur für kranke Kinder wichtig, sondern auch, wenn es darum gehe, dass die regelmäßigen U-Untersuchungen vorgenommen würden. Nur so könne man bei gesundheitlichen Auffälligkeiten früh reagieren.
Seine Anfrage an das baden-württembergische Gesundheitsministerium zur Situation der kinderärztlichen Versorgung in Mannheim zeigt noch einmal, wie ungleich die Praxen über das Stadtgebiet verteilt sind. So befinden sich zehn Kinderärztinnen und -ärzte in der Schwetzingerstadt/Oststadt, vier in Neckarau und drei in Seckenheim. Zwei weisen die Vogelstang, Innenstadt/Jungbusch, Feudenheim, Waldhof und der Lindenhof auf. Mit einem Kinderarzt sind Käfertal, Neckarstadt-Ost/Wohlgelegen, Sandhofen, Rheinau und Wallstadt versorgt. Hochstätt und Neckarstadt-West beispielsweise gehen leer aus.
Kommunen könnten Anreize schaffen, um Niederlassungen von Kinderärzten zu fördern
Das Ministerium verweist darauf, dass eine Planung auf Stadtteilebene vom Bundesgesetzgeber nicht vorgesehen sei und betont auch „die ärztliche Freiberuflichkeit und die freie Wahl des Praxisstandortes“. Die Kommunen könnten allerdings „wertvolle Anreize“ schaffen, um ärztliche Niederlassungen zu fördern. Als Beispiel nennt das Gesundheitsministerium stadtteilbezogene Förderprogramme, etwa durch finanzielle Zuschüsse oder zinsgünstige Darlehen für Praxisgründungen. Ebenso könnten Kommunen auch bei der Suche nach geeigneten Praxisräumen unterstützen, so zum Beispiel durch die Bereitstellung von kommunalen Flächen.
Als wichtigen Faktor, um die kinderärztliche Versorgung in Mannheim, aber auch landesweit zu stärken, sieht die Landesregierung vor allem auch die Entbürokratisierung des ärztlichen Berufes und damit die Entlastung der Ärzteschaft. Ein weiterer Punkt, der vom Bundesgesetzgeber „endlich ernsthaft umgesetzt“ werden müsse, sei die Reform der vertragsärztlichen Bedarfsplanung. Hierfür setze sich das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration bereits seit längerem auf Bundesebene ein und werde es auch weiterhin tun, teilt Ministerialdirektorin Leonie Dirks in Vertretung für Gesundheitsminister Manne Lucha mit.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Für jeden Mannheimer Stadtteil mindestens einen Kinderarzt!