Hochstätt. Nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in manchen innenstadtnahen Bereichen gibt es eine Unterversorgung mit Kinder- und Jugendärzten. Das stellten Stadtteilakteure, die sich für eine kinderärztliche Versorgung auf der Hochstätt einsetzen, bei einem Treffen in der Familien-Kita Hochstätt fest. Die Diskussionsrunde hatte der frühere Bezirksbeirat Ralf Kittel (SPD) organisiert. Er arbeite seit über fünf Jahren an dem Thema, auf das ihn Quartiermanagerin Yvonne Baumgartner aufmerksam gemacht habe, so Kittel.
Diese Ärztin ist interessiert an einer Praxis auf der Hochstätt
„Wir sind jetzt an einem Punkt, wo vielleicht Bewegung ins Thema Kinderarzt auf der Hochstätt kommen kann, zumal es mit Dr. med. Stefanie Schwarz-Gutknecht eine interessierte Kinderärztin gibt“, sagte er. Das hänge zurzeit nur an der Zulassung durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW).
Kitaleiterin Lykke Nielsen schilderte die Situation der Kinder in der städtischen Einrichtung: „Man merkt oft, wenn wir Kinder aufnehmen, dass es Impflücken gibt, dass Vorsorgeuntersuchungen fehlen oder es Entwicklungsrückstände gibt.“ Ihr Wunsch sei es, „dass die Kinder regelmäßig versorgt werden“. Die Eltern hätten oft kein Auto und müssten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu Ärzten in der Innenstadt oder in Seckenheim. Diese hätten aber oft keinen Platz mehr für neue Patienten.
„Eine Herausforderung für Eltern, der ärztlichen Versorgung nachzukommen“
Yvonne Baumgartner, die seit 2012 Quartiermanagerin auf der Hochstätt ist, setzt sich deshalb schon seitdem für eine kinderärztliche Versorgung vor Ort ein. Sie richte ihren Blick grundsätzlich auf den Stadtteil mit hohem Migrationsanteil, so Baumgartner. Wenn die Menschen hier ankommen, würden sie zwar aufgeklärt, welche Möglichkeiten sie auch im Bereich Gesundheitsvorsorge haben. Aber in der Praxis sähe das dann anders aus. Ein Drittel seien Alleinerziehende mit einem Haushalt mit zwei bis fünf Kindern.
„Es ist eine Herausforderung für die Eltern, der ärztlichen Versorgung nachzukommen“, weiß Baumgartner. Wenn sie nicht zum Patienten-Stamm einer Praxis gehörten, sei nur ein akuter Termin möglich. Die Eltern erhielten zwar Vorsorgeinfos von der Kita, doch diese wahrzunehmen, das sei eine Herausforderung. Wenn sie auf der Hochstätt zwei Tage einen Kinderarzt hätten, könnte das funktionieren, meinte Baumgartner.
Stefanie Schwarz-Gutknecht, die eine Familienpraxis in der Nähe des Wasserturms und auf dem Lindenhof hat, wäre bereit, die kinderärztliche Versorgung auf der Hochstätt zu übernehmen. Auch ihre Praxis sei voll ausgelastet. Viele ihrer Patientinnen und Patienten kämen aus Ludwigshafen. Da die Nachbarstadt fast unversorgt sei, müsste sie dafür eine weitere Ärztin einstellen. Das sei nur möglich, wenn die KVBW zustimme.
Eine Zulassung werde an der Einwohnerzahl gemessen, doch laut Zulassungsausschuss sei Mannheim überversorgt. Möglich wäre demnach nur eine Sondergenehmigung. Kittel hatte zwar auch einen Vertreter der KVBW zu dem Treffen eingeladen. Doch Kai Sonntag, Leiter Stabsbereich Kommunikation KVBW, habe eine öffentliche Diskussion abgelehnt.
Schäfer: „Eklatantes Sozialgefälle in Mannheim“
Unterstützt werden die Stadtteilakteure auch von Peter Schäfer, Fachbereichsleitung Jugend- und Gesundheitsamt. Er erklärte: „Ein versorgungsmedizinisches Problem gibt es auch in Städten, nicht nur auf dem Land.“ Die Zulassungszahlen seien in Mannheim zwar übererfüllt. Doch nach der Mannheimer Sozialtypologie – Kinder pro Kinderarzt – gebe es ein eklatantes Sozialgefälle. Während es im Sozialraum I (mit Feudenheim und Seckenheim) 600 bis 700 Kinder pro Kassenarzt gibt, seien es im Sozialraum V (Luzenberg, Neckarstadt-West und andere) 950 Kinder und Jugendliche pro Kassenarzt - beziehungsweise „0“ auf eine Kinderarztpraxis auf der Hochstätt.
„Hier besteht eine Lücke, wobei das Sozialgefälle nicht nur Migranten umfasst“, erklärte Schäfer. Hinzu komme der Zuzug von Flüchtlingen. Viele Praxen seien schon jetzt nicht mehr in der Lage, neue Patienten aufzunehmen. Doch man brauche auch einen Arzt, der willig ist, meinte Schäfer.
Forderung: Bedarfszahlen überarbeiten
Der Fachbereichsleiter wies auch auf den Sinneswandel bei jungen Ärztinnen und Ärzte hin, die nicht mehr, wie früher, 150 bis 160 Prozent arbeiteten, sondern auch Zeit für die Familie und einen Ausgleich haben wollten. Die Kassenärztliche Vereinigung habe auf diese veränderte Work-Life-Balance bisher nicht reagiert. Die Bedarfszahlen müssten überarbeitet werden, forderte Schäfer.
Tobias Vahlpahl, Leiter der Koordinierungsstelle Quartiermanagement, pflichtete ihm bei. Bei der Frage der ärztlichen Versorgung sei die Entfernung spannend. „Es gibt genügend Ärzte in der Stadt, aber in den innenstadtnahen Bereichen viel zu wenig“, sagte er. Dringend notwendig sei daher ein sozialräumlicher Lösungsansatz. Die Satdtteilakteure, die bei der erforderlichen Raumsuche unterstützt werden von der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG, beschlossen, ein Konzept zu erstellen und ein Schreiben an die KVBW aufzusetzen, mit der Bitte um eine Sonderlösung für die Hochstätt.
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