Hier gibt es Hilfe
- Wer die Unterstützung von MaIKE in Anspruch nehmen möchte, kann sich an die beiden Kooperationspartner wenden:
- Psychologische Beratungsstelle der Evangelischen Kirche M1, 9a Telefon: 0621 / 280 00 280 Mail: team@pb.ekma.de
- Sozialpsychiatrische Dienst C3, 16 Telefon: 0621 / 397 49-0 Mail: kontakt@spdi-mannheim.de
Bei Maike dürfte erst mal der Mädchenvornamen in den Sinne kommen. Es gibt freilich noch eine ebenso ausgesprochene, aber trotz gleicher Buchstaben anders geschriebene Namensbezeichnung –„MaIKE“. Und die steht für „Mannheimer Initiative für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern“. Das besondere Hilfsangebot der Diakonie feiert Zwanzigjähriges und ist aus der Quadratestadt nicht mehr wegzudenken.
Was es für ein Kind bedeutet, allein mit einer Mutter zusammenzuleben, die sich aufgrund einer Schizophrenie in einer wahnhaften Welt voll mit Magiern, bösen Gestalten und lauernden Gefahren verschanzt, schildert Nilüfer Turkmen in ihrem Buch „Als Mama mit der Lampe sprach“. Außerdem klärt die Studentin bundesweit in Schulklassen über nach wie vor mit Tabus belegte Krankheiten auf. Dass es eine Realität gibt, in der ein Kind unbefangen Kind sein darf , in der Spielen statt Krimi-Gucken normal ist , lernte das Mädchen erst kennen, als es knapp neunjährig in ein Heim kam. Zum Anliegen von MaIKE gehört auch, dass sich Lebenssituationen wie jene der kleinen Nilüfer erst gar nicht entwickeln.
Enorme Alltagsbelastungen
Rückblick: Schon in den 1980ern gelten Selbsthilfegruppen für Angehörige von Suchtabhängigen oder psychisch Kranken als selbstverständlich. Dass minderjährige Söhne und Töchter Betroffener ebenfalls enormen Alltagsbelastungen ausgesetzt sind und Gefahr laufen, bleibende seelische Wunden davonzutragen, bleibt hinter verschlossenen Wohnungstüren lange unbemerkt. 1999 initiiert die Diakonie das „Kinderprojekt Mannheim“ – die Keimzelle von „MaIKE“.
Wie "MaIKE" eine depressive Mutter und ihr Töchterchen unterstützt
Die Fallgeschichte der achtjährigen Fritzi (Name geändert) gibt einen Einblick in Arbeit und Anliegen von MaIKE. Psychologe Jürgen Johannes Ebner schildert Fritzi als etwas schüchtern, liebenswert und sehr leistungsorientiert in der Schule. Ihr Alltag ist oft davon geprägt, dass die alleinerziehende Mama seit Jahren an einer Depression leidet, die schon mehrfach eine stationäre Behandlung in der Psychiatrie notwendig machte und Krisen mit Suizidgedanken auslöste. In solchen Krankheitsphasen betreut die Großmutter das Enkelkind. „Fritzi hat eine enge Beziehung zu ihrer Oma, aber wenig Kontakt zu Gleichaltrigen“, berichtet der Psychologe. Ihren Papa sieht Fritzi nur unregelmäßig, weil dessen neue Lebensgefährtin das Kind aus erster Ehe ablehnt.
Die Mama des Mädchens, die auf Medikamente angewiesen ist und eine ambulante Psychotherapie absolviert, sucht Hilfe beim Jugendamt, weil sie sich bei der Erziehung der kleinen Tochter wie beim Bewältigen des Alltags überfordert fühlt. Deshalb kommt einmal wöchentlich ein Familienhelfer – auch, um kindgerechte Aktivitäten wie Spielplatzbesuche anzuleiten. Außerdem vermittelt die sozialpädagogische Fachkraft den Kontakt zu MaIKE.
Die Mutter erzählt der Beraterin, dass sie sich schuldig fühlt, weil sie ihre psychischen Erkrankungen Fritzi nicht zu erklären vermag – auch aus Furcht, die Tochter zu belasten. In Gesprächen mit der Achtjährigen stellt sich wiederum heraus, dass Fritzi immer dann in die Rolle der Trösterin schlüpft und im Haushalt mitarbeitet, wenn die geliebte Mama in eine depressive Stimmung rutscht.
Das Mädchen tut sich schwer, eine Gruppe mit Kindern in ähnlicher Situation zu besuchen. Nach viel Zuspruch lässt sie sich darauf ein, mit den anderen zu spielen und deren Erzählungen anzuhören. Nach einigen Wochen fühlt sich Fritzi in der Lage, auch über ihren Alltag zu erzählen.
Freier und selbstbewusster
„Im Laufe der Monate hört Fritzi nicht nur viel über psychische Erkrankungen, sondern lernt auch, sich besser abzugrenzen – das heißt, keine Verantwortung mehr für das Befinden der Mutter und den Haushalt zu übernehmen“, erläutert Ebner. Außerdem schafft es die Mutter, sich in schwieriger Seelenlage nicht länger Trost und Unterstützung bei der Tochter zu holen. „Fritzi wird immer freier und selbstbewusster, ihre Mutter stabiler und konfliktfähiger“, fasst der Psychologe die Entwicklungen innerhalb eines Jahres zusammen.
Auch wenn Mama und Tochter inzwischen ohne MaIKE zurechtkommen, steht ihnen offen, sich in Krisen wieder Hilfe zu holen.
„Das Kind steht im Mittelpunkt“, betont Psychologe Jürgen Johannes Ebner. Gleichwohl ist die ganze Familie im Blick. In einem Flyer schildert MaIKE typische Situationen: Kinder und Jugendliche grübeln, warum Mama oder Papa so anders ist. Und weil sie keine Ahnung von jener psychischen Erkrankung haben, die auch in ihr Leben eingreift, vermischen sich Ängste und Traurigkeit oftmals mit Wut. Im vergangenen Jahr hat MaiKE 326 Mädchen und Jungen (unter 18 Jahren) betreut, bei denen ein Elternteil beispielsweise an Depression (auch mit Manie verknüpft), Persönlichkeitsstörungen oder an einer Schizophrenie leidet. Besonders häufig haben das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, soziale Dienste des Jugendamts, außerdem Ärzte und Therapeuten überwiesen.
Manche Mamas und Papas kamen aus Eigeninitiative. Je nach individueller Situation und fachlicher Abklärung bietet MaIKE Beratung entweder als Einzelgespräche oder gemeinsam mit Eltern beziehungsweise der kompletten Familie. In der Gruppe „Joker“ sollen Sieben- bis Elfjährige unbeschwert das tun können, was ihnen Spaß macht, aber häufig auf der Strecke bleibt. Außerdem erfahren sie altersgerecht, warum sich Mama oder Papa manchmal so merkwürdig, ja des Öfteren auch abweisend verhalten. Psychologe Ebner weiß, dass Söhne und Töchter eines psychisch erkrankten Elternteils nicht selten fürsorgende Verantwortung, ob Haushalt oder Geschwisterbetreuung, übernehmen, die überfordert. Manchmal lähmen auch Schuldgefühle, weil Kinder glauben, unartiges Verhalten und lautes Toben hätten den Rückzug von Mama oder Papa ausgelöst.
Als MaIKE gegründet wurde, leistete die Initiative Pionierarbeit. Beim ersten Bundestreffen ähnlicher Einrichtungen „waren wir gerade mal zehn“, blickt Psychologe Ebner zurück. Inzwischen gebe es über 150 solcher Spezialdienste. Dass sich einiges getan hat, offenbaren auch Kinderbuchverlage, die sich für Themen öffnen, bei denen früher galt „Darüber spricht man nicht“. So hat die Deutsche Depressions-Liga mit Monterosa, außerdem der Autorin Claudia Gliemann und der Illustratorin Nadia Faichney eine inzwischen mehrfach prämierte Geschichte auf den Weg gebracht: „Papas Seele hat Schnupfen“. Aber der klingt erst nach der Behandlung im Krankenhaus ab.
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