Mannheim. Martin Schirdewans Stimme hallt zwischen den Gebäuden des Marktplatzes. Der eloquente Co-Chef der Linken und EU-Spitzenkandidat seiner Partei spricht sich sofort in die Herzen der Menschen in Mannheim. Passanten bleiben stehen und hören, was er über seine EU-Politik berichtet. „Wir haben als Fraktion eine Initiative eingebracht, um Arbeits- und Lohnbedingungen auch derer zu verbessern, die bei großen Digital-Unternehmen angestellt sind. Etwa Leute, die bei Amazon und bei Uber arbeiten oder bei Lieferservices, die Pizza ausfahren.“
„Millionen sind Sklaven der Algorithmen, die sie von A nach B schicken, ohne Recht auf Pause. Ohne Anrecht auf bezahlten Urlaub oder Mutterschutz.“ Das seien „Wild-West-Methoden, mit denen große Konzerne Arbeiter ausbeuteten“, so der Politiker. „Wir haben diese Regelung nun gegen den Widerstand von Ursula von der Leyen durchgesetzt, gegen den Widerstand im EU-Parlament und den der Ampel-Regierung in Deutschland“. Jetzt könnten etwa gewerkschaftliche Organisationen in den Betrieben durchgesetzt werden.
Linken-Chef Schirdewan wettert auf Mannheimer Marktplatz gegen Ampel
Schirdewan wettert an diesem Tag viel gegen die Ampelregierung und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, „die gemeinsam weiterhin eine brutale Kürzungspolitik durchsetzen wollen, an der Schuldenbremse festhalten“. Schirdewan: „Solange es das in Deutschland und der EU gibt und gleichzeitig ein Aufrüstungskurs gefahren wird, gibt es keine Zukunftsinvestitionen. Keine Mittel für öffentliche Daseinsvorsorge, das marode Gesundheitssystem oder Klimaschutz. Keine Mittel für marode Schulen, und der ÖPNV wird so nicht ausgestattet. Das ist Wahnsinn, das ist Sozialabbau für uns alle!“
„Diese Bundesregierung hat den Mindestlohn auf 12,41 Euro erhöht. Olaf Scholz, hmm, ich glaub’, er ist Sozialdemokrat, oder?“, sagt Schirdewan ironisch. „Jeder Fünfte arbeite im Niedriglohnbereich unter 14 Euro pro Stunde, das heißt, dass man die Leute bewusst in Altersarmut schickt, sie Lebensmittel, Energie, Miete nicht zahlen können. Man darf der Ampel das nicht durchgehen lassen, nur weil die sich nicht trauen, sich mit den großen Arbeitgeberverbänden anzulegen“, sagt Schirdewan. „Sorry, dass ich ein bisschen on fire bin“, sagt Schirdewan später und grinst.
Mannheimer Linken-Spitzenkandidat Ulas: Brauchen kommunalen Mindestlohn in Mannheim
Auch der Spitzenkandidat der Mannheimer Linken für die Kommunalwahl, Dennis Ulas, sagt: „Ein kommunaler Mindestlohn wäre wichtig, diesen zusammen mit Experten und Gewerkschaften zu errechnen, um zu sehen, wie er in einer Stadt wie Mannheim sein müsste, um hier gut zu leben.“ Ulas: „Es fehlt an preiswerten Wohnungen, ich kann es nicht mehr hören, wenn dann CDU, FDP, Freie Wähler/ML sagen, wir brauchen mehr Einfamilienhäuser für Fachkräfte. Es stellt sich die Frage: Wer soll sich die sich leisten können? Und wie wenig Fläche haben wir in Mannheim noch, die wir bebauen können? Dann haben wir viel weniger Wohneinheiten, aber wir brauchen auf lange Sicht viel mehr preiswerte Wohnungen, sozialen Wohnungsbau, da muss auch die GBG in die Pflicht genommen werden.“
Schirdewan: „Das Spekulationsobjekt Wohnen ist zur sozialen Frage unserer Zeit geworden.“ Man solle annehmen, „ein Azubi will hier in Mannheim arbeiten und wohnen, ist voll happy, aber dann kann er es sich nicht leisten“. Oder Familien mit niedrigem Einkommen, führt der Linke auf. „Die drei reichsten Familien in Deutschland haben so viel Vermögen wie die gesamte untere Hälfte der Menschen in Deutschland“, sagt Schirdewan.
Kreissprecherin Isabel Fuhrmann ruft in Mannheim zum Unterschreiben der Liste zum Thema Galeria Kaufhof auf
Kreissprecherin Isabel Fuhrmann ruft derweil zum Unterschreiben der Liste zum Thema Galeria Kaufhof Mannheim auf. Viele Passanten kommen dem nach. „Wir müssen Europa den Reichen und den Konzernen nehmen, indem wir sie endlich anständig besteuern“, ruft Schirdewan. „Ursula von der Leyen und ihre Lobbykumpels, die werden auf jeden Fall wählen gehen. Björn Höcke und seine Faschokumpels werden auch auf jeden Fall wählen gehen. Aber wir müssen unsere Leute, Straßenbahnfahrer, Pflegerinnen und Pfleger und viele mehr, dazu bewegen, auch wählen zu gehen!“ Es gebe keine Mitte zwischen Antifaschismus und Faschismus, die Union müsse klären, „ob ihre Brandmauer steht oder nicht“.
Die Mannheimer EU-Kandidatin auf Listenplatz 13 der Linken, Tanja Hilton, geht auf die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems GEAS ein: „Ich denke, die Freizügigkeit in der EU liegt im Koma, wir sollten uns um sie kümmern. Freizügigkeit gilt nur für Menschen mit viel Geld und für Waren.“ Sie verweist auf „unmenschliche Behandlung an den Außengrenzen“ der EU.
Das Ziel, Geflüchtete in der Kommune gut aufnehmen zu können, sei auch abhängig von Entscheidungen und Mitteln auf EU-, Bundes- und Landesebene, so Ulas. Allgemein kämen viele Mittel aus der EU und Mannheim profitiere davon: „Doch wenn nun mehr Geld für Rüstung oder Abschottung nach außen ausgegeben wird als für soziale Projekte, dann leidet auch eine Stadt wie Mannheim darunter, die verstärkt soziale Problemlagen hat“, so Ulas.
„Vom Förderprojekt, mit dem Mannheim bis 2030 klimaneutral werden soll - einem Vorzeigeprojekt auch von von der Leyen - merkt man in Mannheim bisher relativ wenig.“ Dort seien 1,5 Millionen Euro Fördermittel vorgesehen bis bis 2025“, sagt Ulas. Um Mannheim bis 2030 klimaneutral zu machen, werden rund zwei Milliarden Euro an Investitionen benötigt. Das schafft Mannheim nicht alleine, aber Klimaschutz wird in der Kommune gemacht.“
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