Bildung - Werner-von-Siemens-Schule stellt Lernfabrik 4.0 mit automatisierter Produktionsstraße vor / Junge Menschen sollen Einblick in digitale Arbeitswelt erhalten

Lernfabrik in Mannheimer Schule bietet Schülern Einblick in digitale Arbeitswelt

Von 
Fabian Busch
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Dirk Grunert (v. l.) lässt sich von Mike Schmitt die flexible Fertigung erläutern, rechts Schulleiter Albert Weiss. © Fabian Busch

Mannheim. Kunden und Kundinnen sind bekanntlich Könige. Ob Turnschuh oder Auto: Das Produkt soll heute möglichst individuell ausfallen. Welche Farbe haben Schuhsohle und Schnürsenkel? Soll das Auto einen Elektro- oder Dieselantrieb haben? Alles muss möglich sein. Für die Produktion stellt die neue Flexibilität eine große Herausforderung dar - wie man sie meistern kann, lässt sich inzwischen an der Werner-von-Siemens-Schule studieren.

Die Berufliche Schule am Neckarufer hat am Dienstag ihre neue Lernfabrik 4.0 vorgestellt. Direkt im Foyer können Besucher oder Eltern einen Blick durch die Glasscheibe werfen, hinter der Schülerinnen und Schüler die Digitalisierung der Arbeitswelt praxisnah kennenlernen sollen.

Unterstützung vom Land

Claus Mayer, Referatsleiter im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium, ist am Dienstag voll des Lobes: Die Schule sei ideal aufgestellt, um ihre Lernenden auf die zukünftige Arbeitswelt vorzubereiten. Auch der Wirtschaft komme das zugute. „Die Industrieproduktion wandert ab in Billiglohnländer. Wir müssen deshalb schauen, dass unsere Produktion konkurrenzfähig bleibt.“ Für Mayer bedeutet das: Sie muss flexibel sein. „Damit nicht nur die S-Klasse über ein Band läuft, sondern über dasselbe Band auch Autos mit Hybrid-,Elektro-, Brennstoffzellen- oder Diesel-Antrieb.“

Finanzierung und Partner

  • Nach Angaben von Schulleiter Albert Weiss wurden circa eine Million Euro in die Lernfabrik der Werner-von-Siemens-Schule investiert.
  • Mit rund 162 000 Euro beteiligte sich das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg an dem Projekt, 200 000 Euro kamen von der Stadt Mannheim.
  • Unterstützung kam aber auch von der regionalen Wirtschaft. Zu den Sponsoren und Partnern gehören die MVV und der Bruchsaler Antriebstechnik-Hersteller SEW Eurodrive.
  • In Baden-Württemberg gibt es bis jetzt 37 Lernfabriken, an denen 50 Berufliche Schulen und mehr als 600 Unternehmen beteiligt sind. 

Das gelingt nur mit einer automatisierten und flexiblen Fertigung - wie die aussieht, erfahren angehende Elektroniker und Automatisierungstechnikerinnen oder Lernende der Techniker-Fachschule künftig in der Lernfabrik 4.0. Dort wird eine Handyschale von Station zu Station befördert und durchläuft mehrere automatisierte Arbeitsschritte. Von der Auswahl im Hochregallager über die Kamera-Inspektion bis zu Etikettierung. Ein autonomes Fahrzeug der Firma SEW-Eurodrive befördert die Schale zudem in einen anderen Raum, in dem Schülerinnen und Schüler manuell eine kleine Schaltung zusammenbauen. Lehrer Mike Schmitt erzählt, dass die jungen Lernenden ihn inzwischen oft fragen, wann sie sich die Lernfabrik endlich anschauen können. „Die sind sehr wissbegierig.“

Die Auszubildenden sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung aber nicht nur anschauen, sondern sie im wahrsten Wortsinne auch begreifen, betont Schulleiter Albert Weiss. Die Lernfabrik ist ein gemeinsames Projekt mit der kaufmännischen Friedrich-List-Schule in der Innenstadt. Dort werden die jungen Menschen ausgebildet, die später einmal die Aufträge entgegennehmen. Die Friedrich-List-Schüler werden die Lernfabrik am Neckarufer künftig besuchen und sie sich von den Werner-von-Siemens-Schülern erklären lassen.

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Mit zusammen 362 000 Euro fördern Stadt und Land die neue Einrichtung. Dankbar ist die Schule aber auch für die Unterstützung von der MVV und SEW Eurodrive. Claus Mayer hebt zudem die pädagogische Mitarbeit des Kultusministeriums hervor. „Es reicht nicht, einfach nur eine Maschine hinzustellen. Man braucht immer ein Zusammenspiel von Menschen, Technik und Organisation.“

„Regionales Fortbildungszentrum“

Baden-Württemberg sei beim Thema Industrie 4.0 - also der intelligenten Vernetzung von Maschinen und Abläufen - gut aufgestellt, sagt Mayer: Unter den deutschen Bundesländern habe der Südwesten die Nase vorn. Allerdings macht der Fachkräftemangel der Industrie Sorgen. „Wir brauchen gute Fachleute. Und es fällt immer schwerer, sie zu bekommen“, sagt auch Bildungsbürgermeister Dirk Grunert. Gut ausbilden könne man nur, wenn das an Maschinen passiert, die den aktuellen Stand der Technik widerspiegeln.

Die Berufliche Bildung befindet sich in der Tat in einem permanenten Wettlauf: Die Wirtschaft erlebt durch die Digitalisierung einen epochalen Umbruch, den auch die Berufsschulen zu vollziehen haben. Schließlich bilden sie die Menschen aus, die später einmal in der schönen neuen Arbeitswelt nicht nur zurechtkommen, sondern sie auch weiterentwickeln müssen.

Albert Weiss sieht die Werner-von-Siemens-Schule durch die Lernfabrik 4.0 gut aufgestellt. Seit 15 Jahren lernen am Standort nicht nur Fachschüler und Auszubildende, betont er. Die Schule für Elektro-, Automatisierungs- und Informationstechnik bietet auch Fortbildungen für Mitarbeitende von Unternehmen an - genau wie für Lehrkräfte: „Wir wollen ein regionales Fortbildungszentrum für die Lehrerausbildung werden“, sagt Weiss.

Freier Autor

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