Mannheim. Sollen schwächere Schüler die Ferien nutzen, um Lernstoff nachzuholen? Jeden Tag ein bisschen nacharbeiten oder sogar Nachhilfe nehmen? Oder sollen sie lieber richtig ausspannen und dann im neuen Schuljahr wieder angreifen? Der „MM“ hat bei den Mannheimer Schulleitern und der Abendakademie nach ihren Empfehlungen für die morgen beginnenden Sommerferien gefragt.
Angela Speicher, geschäftsführende Schulleiterin der Mannheimer Grund- und Förderschulen und Rektorin der Johannes-Kepler-Grundschule, berichtet, dass die Kinder im vergangenen Schuljahr gut gefördert worden seien: Das Mannheimer Unterstützungssystem Schule „MAUS“, Lernen mit Rückenwind und die Nachhilfeangebote der Abendakademie hätten alle Grundschulen intensiv genutzt. „Wir haben alles ausgeschöpft, was es an Fördermöglichkeiten gab, da sollten die Kinder die Ferien zum Ausspannen nutzen und auch mal ihre Freizeit genießen. Das ist meine Meinung“, sagt Speicher.
Freude auf Ferien nicht verderben
Wie groß die Wissenslücken in den Grund- und Förderschulen im ersten Schuljahr ohne Corona-Unterbrechung noch sind, sei schwer zu sagen. Es gebe jedenfalls nicht viele freiwillige Wiederholer; vor allem nicht so viele wie etwa in der Gräfenschule in Ludwigshafen, wo 39 von 126 Schülern die erste Klasse wiederholen. Speicher sieht das Problem eher in der Sprache, diese Lücken hätten jedoch nichts mit Corona zu tun. „Es ist immer schwierig für die Kinder, wenn sie ohne Deutschkenntnisse während des Schuljahres ankommen“, berichtet sie. Viele dieser Kinder hätten deshalb Sprachförderungen vom Staatlichen Schulamt bekommen.
Lernen in den Sommerferien: Feste Zeiten vereinbaren
Khadija Huber, die in der Mannheimer Abendakademie Programmbereichsleiterin für die kommunalen Förderprogramme MAUS und Rückenwind ist, weiß, dass sich viele Eltern die Frage stellen, ob und wie viel Lernen während der Ferien sinnvoll ist. Denn mit dem Druck, dass Kinder erfolgreich sind, würden die Ferienzeiten auch genutzt, um zu lernen.
Deshalb möchte ich den Appell aussprechen, die ersten drei Wochen der Ferienzeit allen Kindern zum reinen Erholen und Spielen zu geben.
„Deshalb möchte ich den Appell aussprechen, die ersten drei Wochen der Ferienzeit allen Kindern zum reinen Erholen und Spielen zu geben“, betont Khadija Huber, „die Freude auf die Ferien ist groß und soll es auch bleiben“. Wenn Eltern erwarten, dass ihre Kinder in den Ferien etwas für die Schule tun, dann sollte dies unter einem positiven Aspekt geschehen: ihnen einen besseren, gestärkten Einstieg ins neue Schuljahr zu ermöglichen.
Um keinen Frust bei den Kindern zu erzeugen, sollten fürs Lernen allerdings feste Zeiten vereinbart werden, das Wochenende aber in jedem Fall freigelassen werden. „Viele Eltern stellen das Lesen in den Vordergrund, weil es Voraussetzung für alle Fächer ist“, sagt Huber und bestätigt diese Einschätzung als sinnvoll und richtig. Lesen sei gleichzeitig ein Gegenangebot zu den digitalen Medien und könne gut als „einfach lesen“, nicht als „du musst lernen“ verpackt werden. Ältere Kinder, die etwa in Mathe oder Physik Lernstoff nachholen müssen oder Nachhilfe bekommen, sollten etwa eine Stunde pro Tag lernen; aber auch erst in den letzten zwei oder drei Wochen.
Wissenslücken durch Fehltage
Im ersten Schuljahr ohne Corona-Unterbrechung gebe es immer noch Wissenslücken, sagt Huber, die in den vergangenen Wochen zu Abschlussgesprächen des Förderprogramms Rückenwind für pandemiebedingt entstandene Lernrückstände in den Mannheimer Schulen Gespräche mit den Rektoren geführt hat: „Für die Kinder, die ohnehin schon Schwierigkeiten hatten, haben ein oder zwei Jahre nicht ausgereicht. Sie konnten die Defizite in der Kürze der Zeit noch gar nicht nachholen.“ Probleme gebe es nicht nur in Mathe oder Deutsch, auch die Konzentrationsfähigkeit habe während der Pandemie gelitten.
Dass die Schüler noch ein paar Altlasten aus der Corona-Pandemie mit sich herumtragen, bestätigt auch Lars Hoffmann. Er ist geschäftsführender Schulleiter der Mannheimer Real- und Werkrealschulen. Als Grund macht der Rektor der Konrad-Duden-Realschule aber nicht nur die Pandemie dafür verantwortlich.
Er habe beobachtet, dass die Kinder aus Sorge auch schon bei einem kleinen Schnupfen zu Hause bleiben – das sei vor der Pandemie anders gewesen. „Es gibt Kinder, die in diesem Schuljahr 50 bis 70 Fehltage haben, entschuldigt durch die Eltern. Es gibt definitiv einen Zusammenhang zwischen der schulischen Leistung und der hohen Anzahl an Fehltagen“, sagt Hoffmann und berichtet von einem der Mathelehrer, der fragte, wie er Mathe beibringen soll, wenn seine Schüler nicht da sind.
Täglich ein bisschen lesen
Man sollte Kindern die Erholungszeit während der Ferien gönnen, meint Hoffmann. „Aber im Urlaub kann man die Zockzeit etwas herunterschrauben und jeden Tag ein bisschen lesen. Im Urlaub kann man die Kinder vielleicht eher dazu motivieren“, meint der dreifache Familienvater.
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Kinder mit Defiziten sollten zwei Wochen intensiv am Aufholen von Lücken arbeiten. Alle anderen sollten in der letzten Ferienwoche in die Schulhefte der verschiedenen Fächer reinschauen und Vokabeln lernen. Dafür bräuchten die Kinder aber die Unterstützung und Kontrolle der Eltern. Wenn man in den letzten Ferientagen schon anfängt, etwas früher aufzustehen, mache auch das den Einstieg in den Schulalltag leichter.
Stoff nachholen
Kindern mit Wissenslücken empfiehlt Roland Haaß, geschäftsführender Leiter der Mannheimer Gymnasien, dagegen, die Ferien zu nutzen, um Schulstoff nachzuholen. Den zukünftigen Zehntklässlern rät er dringend, wirklich alles auf Vordermann zu bringen, um mit einem guten Gefühl in die Kursstufe zu starten. „Schon die erste Klausur zählt zur Abiturnote. Wenn jemand durch die Bank Vierer hat, ist das ein gutes Zeichen, dass er oder sie das Abitur nicht schafft“, sagt Haaß, der auch Direktor des Johanna-Geissmar-Gymnasiums ist. Jedoch: Ganz ohne Ferien gehe es auch nicht, Entspannung müsse sein, betont er.
Drei Wochen Erholung brauche jeder Schüler zum Abschalten – aber sechs Wochen seien viel zu viel. Er verweist auf das „Summerschool“-Angebot des Förderprogramms Rückenwind, das in der letzten Ferienwoche stattfindet, um gut ins neue Schuljahr zu starten. Wer jedoch erst am letzten Ferientag aus dem Urlaub zurückkomme, müsse den Lernstoff eben zwischendrin aufholen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Bildung Lassen wir unsere Kinder in den Sommerferien durchatmen!