Justiz

Leiche an der Pferderennbahn: Diese Strafen fordern Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Am Donnerstag überschlagen sich im Prozess die Ereignisse: Zunächst werden weitere Details der Tat bekannt, dann gesteht die Hauptangeklagte. Am Nachmittag halten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers.

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Agnes Polewka
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Die Angeklagte Jessica K.-G. zum Prozessauftakt vor dem Mannheimer Landgericht mit ihren Verteidigern Constantin Schiffer (l.) und Pascal Sobotta. © Simone Kiß

Mannheim. Ein Raunen geht durch den Raum, als Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann im Prozess um die Frauenleiche an der Pferderennbahn elf Jahre und sechs Monate Haft für die Hauptangeklagte Jessica K.-G. fordert. Eine Angehörige der Angeklagten wird von Schluchzern geschüttelt, eine andere Frau schnäuzt sich. Und eine dritte wird später vor dem Saal sagen: „Ich bin im Schockzustand“.

Es ist der siebte Prozesstag in einem Verfahren, das um den Tod einer Frau kreist, die in der Nacht zwischen dem 12. und 13. Oktober 2024 in der Wohnung der Angeklagten Jessica K.-G. getötet worden sein soll. Als namenlose Frauenleiche an der Pferderennbahn machte sie zunächst Schlagzeilen. Bis heute ist über das Leben der Frau wenig bekannt, nur so viel: Es gab eine Zeit, da war sie nachts in Mannheimer Clubs unterwegs, sie suchte Kontakt zu anderen Menschen, wollte dazu gehören. Die 51-Jährige hatte keine Familie, sie lebte mit 21 Katzen in einer Wohnung. Und irgendwann hatte sie auch keine Bleibe mehr.

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Aber sie hatte eine Freundin: Jessica K.-G., die sie bei sich übernachten ließ und ihr etwas zu Essen besorgte. Gemeinsam gingen sie ins Nagelstudio und feiern. Doch irgendwann kippte etwas in dieser Freundschaft. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Sie entwickelte sich mehr und mehr zu einem Abhängigkeitsverhältnis. „Jessica K.-G. hat sich das zunutze gemacht“, sagt Oberstaatsanwalt Grossmann. Ihre Freundin musste für sie putzen und einkaufen. Die Wohnung, in der sie übernachten durfte, wurde zum „Zwangslager“. Immer häufiger sei sie verhöhnt, beleidigt und misshandelt worden, sagt der Oberstaatsanwalt.

Angeklagte spart wichtige Details in ihrem Geständnis aus

Die Staatsanwaltschaft geht am Ende des Verfahrens davon aus, dass Jessica K.-G. in der Nacht vom 12. auf den 13. Oktober mit einer Vase auf den Kopf der Frau einschlug, die bei ihr lebte. Auch soll sie der 51-Jährigen am Oberkörper so schwere Verletzungen zugefügt haben, dass sie starb. Wie genau, das konnte das Gericht im Laufe des Prozesses nicht rekonstruieren. Und Jessica K.-G. hat sich nicht dazu geäußert. Zwar hat sie wenige Stunden vor den Plädoyers ein Geständnis abgelegt, doch das sparte die Details der Tat aus. Wie kam es zu den Schlägen mit der Vase? Woher rühren die vielen schweren Verletzungen am Oberkörper? Auf diese Fragen ist Jessica K.-G. Antworten schuldig geblieben. Über ihre Verteidiger ließ sie erklären, es sei zum Streit gekommen, weil ihre Mitbewohnerin sich an ihrem Parfum bedient hätte.

Sie sagte zwar, es tue ihr leid und sie würde die Zeit gern zurückdrehen, wenn sie könnte. Mit der Erklärung der Verteidiger erhielt das Gericht allerdings keine weiteren Informationen dazu, was in den Stunden nach der Tat geschah. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Jessica K.-G., die wegen Totschlags angeklagt ist, nach der Tat ihren Geliebten Haci A. anrief, der versucht haben soll, die Tat mit ihr zu vertuschen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchte Strafvereitelung vor.

Die Ermittler konnten in der Wohnung der Hauptangeklagten Wisch- und Blutspuren sichtbar machen, bei Haci A. sollen sie Desinfektionstücher gefunden haben, an denen das Blut der getöteten Frau haftete. Und: Im Haar der Frau fanden sich Partikel, die auch an der Schuhsohle von Haci A. festgestellt werden konnten.

Die Ermittler seien stutzig geworden, weil der Familienvater Haci A. nach der Festnahme seiner Geliebten abgetaucht war, sagt der Oberstaatsanwalt. Und dann stützt sich Andreas Grossmann in seinem Plädoyer noch auf die Aussage eines wichtigen Zeugen, der am Dienstag und am Donnerstag mehrfach in den Gerichtssaal geführt worden war, aber seine Aussage verweigerte – mit der Begründung, er habe Angst um seine Sicherheit und die seiner Familie.

Mithäftling spricht mit Polizei über das, was er im Gefängnis vom Angeklagten erfuhr

Auch wenn der ehemalige Mithäftling des Angeklagten im Gerichtssaal nichts sagte, ist inzwischen doch bekannt geworden, was er sagen wollte. Er sprach im Sommer mit einem Polizeibeamten in der JVA darüber und dieser hat das Gespräch aufgezeichnet. Früher an diesem siebten Prozesstag ist dieser Polizeibeamte als Zeuge geladen und sinngemäß fasst er die Aussage des Zeugen so zusammen: Haci A. soll dem Zeugen, der mit ihm die Zelle teilte, berichtet haben, wie er am 13. Oktober 2024 einen Anruf seiner Freundin bekam, die weinte und ihm erzählte, die obdachlose Frau, die bei ihr lebte, sei tot. Haci A. sei dann zu ihr gefahren, beide sollen sie sich Gummihandschuhe übergestreift, geputzt, den toten Körper der Frau geduscht und angezogen haben.

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Eine Zeugin hatte vor Gericht berichtet, Jessica K.-G. habe sich am 13. Oktober, einem Sonntag, morgens mit ihr am Hauptbahnhof treffen wollen, um in einem Drogeriemarkt einkaufen zu gehen. Quittungen belegen laut Staatsanwaltschaft den Kauf von Reinigungsmitteln. Dann, so soll es Haci A. dem Mithäftling erzählt haben, hätten sie die Leiche an einem Waldrand abgelegt.

Haci A.s Verteidiger wehren sich vehement gegen die Vorwürfe, werfen ein, ihr Mandant habe mit dem Zeugen nur über die Gerüchte gesprochen, die im Raum standen, und über Details aus den Akten, die er gekannt habe. Doch der Ermittler sagte vor Gericht: Trotz anfänglicher Skepsis hielt er die Aussage des Zeugen für glaubwürdig, er habe bildhaft viele Details darstellen können, die die Ermittler eindeutig unter Täterwissen verbuchten.

Grossmann fordert zwei Jahre und zwei Monate Haft für Haci A. – strafschärfend wertet er, dass A. ein Tötungsdelikt verschleiern wollte und unter zweifacher Bewährung stand.

Verteidigung fordert Freispruch für den Mitangeklagten Haci A.

Die Verteidiger von Jessica K.-G. fordern am Donnerstag eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge und eine Freiheitsstrafe, die sieben Jahre nicht überschreitet. Auch regen sie an, aufgrund des Drogenkonsums und der psychischen Probleme ihrer Mandantin die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu prüfen – der Psychiatrische Sachverständige hatte der Angeklagten am vierten Prozesstag eine volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Den Antrag der Verteidiger, eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen einzuholen, lehnte das Gericht ab.

Haci A. hat sich während des Verfahrens nicht zu den Vorwürfen geäußert, seine Verteidiger betonen in ihren Plädoyers seine Unschuld und mutmaßen, der Leichnam der getöteten Frau sei erst spät am Abend des 13. Oktober am Waldrand abgelegt worden. Denn die Spaziergängerin, die die tote Frau am 14. Oktober fand, gab im Zeugenstand an, am Abend zuvor keinen Leichnam gesehen zu haben. Für diesen Zeitraum habe ihr Mandant aber ein Alibi, so die Verteidiger, die einen Freispruch forderten. Ein Urteil soll in der kommenden Woche fallen.

Redaktion

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