Mannheim. Endlich weg vom Auto und dafür rauf aufs Lastenrad – oder eben rein in den Fahrradanhänger. Um allen in Mannheim einen Anreiz für die Verkehrswende zu bieten, fördert die Stadt schon seit drei Jahren all diejenigen, die sich privat oder für steuerbegünstigte Zwecke ein sogenanntes Lastenrad anschaffen wollen. Wie viele dieses Angebot bislang genutzt haben, warum das Angebot angepasst werden soll und was genau in Zukunft wie hoch bezuschusst werden könnte: Darüber haben im Umweltausschuss die Stadträte und Rätinnen diskutiert. Dabei hat sich Mehrheit der Fraktionen gegen die Pläne der Stadt gestellt und klar gemacht: Man sollte am Nachhaltigkeitsbonus fürs Abschaffen vom Auto festhalten. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was wurde bislang gefördert und was soll sich ändern?
Neben Rabatten für neue Lastenrädern und elektrisch betriebenen Lastenpedelecs soll es künftig auch Zuschüsse für neue Fahrradanhänger geben. Wer außerdem einen Familien- oder Sozialpass besitzt, soll ab Januar 2024 damit deutlich mehr Vergünstigungen beim Kauf eines Fahrradanhängers, Lastenrades oder Lastenpedelecs erhalten. Damit will die Stadt gezielt einkommensschwache Haushalte und Familien erreichen. Bislang hat die Stadt unabhängig vom Einkommen einen einmaligen Zuschuss von 25 Prozent des Kaufpreises gewährt. Maximal 500 Euro hat es für Lastenräder, maximal 1000 Euro bei Lastenpedelecs gegeben. Wer außerdem innerhalb von zwei Jahren sein Auto nach dem Erwerb eines Lastenrads abmeldet, bekam bislang von der Stadt dafür 500 Euro, also den sogenannten Nachhaltigkeitsbonus.
Warum will die Stadt den Bonus auslaufen lassen?
Als Argument für das Ende des Bonus führt die Stadt die wenigen Fälle auf, die tatsächlich die Vorgaben für den Bonus erfüllt haben. Und dem im Vergleich dazu hohen Aufwand, die Anträge zu prüfen. Die Idee hinter dem Bonus: Er sollte diejenigen mit 500 Euro belohnen, die im ersten Jahr nach dem Kauf eines Lastenrads und nach einer Frist von zwei Jahren ihr Auto abgeschafft haben. Von 108 Fällen haben bis August 2023 lediglich fünf genau das getan. Über die Hälfte der Fälle aber hat den Bonus nicht erhalten, weil das Auto weiterhin benutzt wurde. Ausbezahlt wurde der Bonus oft auch an Haushalte, die schon vor dem Kauf eines Lastenrads kein Auto besessen hatten. Daraus schließt die Verwaltung: Der Bonus hat seine Wirkung verfehlt und nicht zur Änderung von Verhaltensweisen geführt.
Wer ist für, wer gegen den Bonus?
Allen voran will Stadtrat Thomas Hornung (CDU) am Bonus festhalten – und lehnt deshalb die Pläne der Stadt zur Abschaffung mit einem Änderungsantrag ab. Für ihn sind zwei Jahre Haltezeit zu kurz, besser seien mindestens vier Jahre. „Das Programm sollte dazu dienen, dass Leute aufs Autofahren verzichten oder ihr Auto verkaufen. Das war zwar nicht erfolgreich. Trotzdem sollten wir an dieser Stellschraube arbeiten, statt sie einfach abzuschaffen. Unser Anspruch ist, dass zumindest der Zweitwagen abgeschafft wird."
Hornungs Vorschlag: Den Bonus soll künftig nur erhalten, wer schon Autos besitzt und seinen Zweitwagen abschafft. Ähnlich sehen es Andreas Parmentier (Li.Par.Tie) und Bernhard Boll (SPD), die sich dem Änderungsantrag anschließen – ebenso wie die Grünen. SPD-Stadtrat Boll ergänzt außerdem: „Es ist spekulativ, jetzt schon über den Effekt des Bonus auf Verhaltensänderungen zu urteilen.“ AfD-Stadtrat Rüdiger Ernst stellt das Förderprogramm insgesamt infrage. Für ihn zeigten die Zahlen nun deutlich, dass das Angebot sich nicht auf das Verkehrsverhalten auswirkt. „Jeden Cent, den wir hier sparen, könnte man in die Sanierung von Radwegen stecken“, findet Ernst. Auch Volker Beisel (FDP) lehnt die Weiterführung ganz ab, die Steuergelder könne man „sinnvoller investieren“.
Wie hoch ist die Nachfrage und wer hat sie wo genutzt?
Das Förderprogramm läuft seit 2020. Von Anfang an verzeichnet die Stadt eine konstant hohe Nachfrage. So war das erste Budget von 100 000 Euro schon im ersten Jahr nach drei Monaten ausgeschöpft. In den folgenden Jahren hat die Stadt ihr Budget dann auf 150 000 aufgestockt. Insgesamt 417 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 550 000 Euro sind von August 2020 bis Mai 2023 bewilligt worden. Bis auf vier Vereine handelt es sich bei den Antragstellenden bisher um private Haushalte. Die meisten Anträge kommen bislang aus der Neckarstadt Ost/Wohlgelegen, gefolgt von Käfertal und Vogelstang sowie Lindenhof/Neuhermsheim und Neuostheim.
Was wird gekauft und wofür?
Die Anzahl der geförderten E-Lastenräder überwiegt deutlich gegenüber der Anzahl der Lastenräder: Von 417 Anträgen waren 371 E-Lastenräder und nur 46 Lastenräder. Aus den Daten lässt sich auch herauslesen, wofür die Antragsstellenden diese besonderen Fahrräder nutzen wollen: So will eine Mehrheit damit nicht nur Einkäufe oder Gegenstände in Kisten transportieren. Sondern vor allem auch den eigenen Nachwuchs. Denn neben üblichen Lastenträgern oder Kisten werden laut der Vorlage auch häufig Komponenten angeschafft, die zum Kindertransport geeignet sind.
Welchen Rabatt gibt es künftig für wen und für welches Rad?
Grundsätzlich soll es ab Januar 2024 Vergünstigungen für alle drei Fahrzeuge von 25 Prozent des Kaufpreises geben. Beim Kauf eines neuen Fahrradanhängers gibt es so bis zu 200 Euro von der Stadt. Beim Lastenrad können Käufer maximal bis zu 400 Euro Zuschuss erhalten. Und ein neues Lastenpedelec kann mit bis zu 800 Euro bezuschusst werden. Wer außerdem einen Familienpass oder einen Sozialpass besitzt, erhält zusätzlich noch einmal einen Extra-Zuschuss je nach Fahrzeugart obendrauf. Wer sogar einen Familien- oder Sozialpass Plus besitzt, dem erstattet die Stadt die Hälfte des Kaufpreises. Die Obergrenze etwa für Lastenräder beträgt hier 2000 Euro.
Warum kommt der Fahrradanhänger dazu?
In der Stadtverwaltung ist man überzeugt: Auch Fahrradanhänger helfen dabei, das Mobilitätsverhalten der Menschen nachhaltig zu unterstützen, und richten sich auch an neue Zielgruppen. Die Stadtverwaltung empfiehlt deshalb, die Anhänger ebenfalls zu fördern, „da diese vergleichbar wie ein Lastenrad den Transport von mehr Gepäck oder auch Kindern ermöglichen“. Vorteile von Fahrradanhängern seien einerseits die Kombination mit einem bereits vorhandenen Fahrrad sowie eine andere Abstellmöglichkeit im Wohnhaus. Und andererseits seien auch die Anschaffungskosten geringer. Die Stadt verweist zudem auf andere Kommunen wie Bietigheim-Bissingen, Heidelberg, Tübingen oder Winnenden, die ebenfalls Anhänger neben Lastenräder fördern.
Was kostet das die Stadt?
Laut Vorlage nimmt die Bearbeitung der Förderung aktuell 15 Stunden pro Woche in Anspruch. Die Förderung wurde seit 2020 aus vorhandenem Personal gestemmt. Da es kein zusätzliches Personal für die Bearbeitung gab, ging dies zulasten anderer Projekte der Radkultur in der Abteilung Verkehrsplanung. Deshalb empfiehlt die Verwaltung, weiterhin 150 000 Euro Budget pro Jahr einzuplanen. Diese Mittel seien bereits im Haushalt eingestellt. Außerdem erwartet die Stadt einen Anstieg der Förderanträge für Fahrradanhänger. Die Sonderkonditionen durch den Familienpass sollen ebenfalls vom Förderbudget getragen werden. Wie und ob sich das Beibehalten des Nachhaltigkeitsbonus auf die Finanzierung auswirkt und wie genau die Bedingungen für den Bonus künftig aussehen sollen: All das will die Stadtverwaltung noch einmal prüfen – und im nächsten Hauptausschuss des Gemeinderats am 12. Dezember in einer neuen, mit den Antragsänderungsstellern abgestimmten Vorlage vorstellen.
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