Mannheim. Schon über 20 000 Besucher und pro Tag etwa 300 verkaufte Kataloge - die vor drei Wochen gestartete Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit - Ein Jahrhundertjubiläum“ in der Kunsthalle ist schon sehr gut angelaufen. Jetzt wird auch dauerhaft an den in Mannheim geprägten Begriff „Neue Sachlichkeit“ für eine ganze Kunstepoche erinnert: mit einer Bronzeplatte auf der Kurpfälzer Meile der Innovationen.
Es ist die 34. Bronzeplatte, die nun auf dem Gehweg vor dem Schloss entlang der Bismarkstraße in den Boden eingelassen wurde. „Damit wird neben klassischen technischen Innovationen auch ein kultureller Begriff geehrt, und er war damals genau so eine Innovation und ist ein Teil des kulturellen Erbes der Stadt“, freute sich Kunsthallendirektor Johan Holten über die Initiative des Trägervereins der Kurpfälzer Meile der Innovationen.
Mit Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit“ neuen Epochenbegriff geprägt
Mit der damaligen Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit“ habe Kunsthallendirektor Gustav F. Hartlaub „einen ganzen Epochenbegriff geprägt“ und Kunstgeschichte geprägt, worauf Mannheim stolz sein könne, erläuterte Holten. Mit der derzeit in der Kunsthalle laufenden Jubiläumsausstellung aber habe man „keine gedankenlose Huldigung“ vornehmen oder die damalige Ausstellung einfach kopieren wollen, sondern „eine Neuverhandlung der Themen“ vorgenommen.
Noch mehr ins Detail ging Roswitha Henz-Best, die bei jeder Verlegung einer der Bronzeplatten stets genau herausarbeitet, was das Besondere an der jeweiligen Innovation ist. Sie erinnerte an die 1925 von Hartlaub in der Kunsthalle realisierte Ausstellung, bei deren Vorbereitung er den Begriff „Neue Sachlichkeit“ erstmals verwendete. Er habe damit die „Abkehr vom gefühlsbetonten Expressionismus, die Hinwendung zur objektiven, wirklichkeitsbetonten Darstellung von Stillleben, Landschaften und Personen“ umrissen, so Roswitha Henz-Best in Anwesenheit der Enkelin von Hartlaub, Melanie Hartlaub, und von Ehrenbürger Manfred Fuchs.
Für Meile der Innovationen sind weitere sieben Tafeln geplant
Die Presseresonanz auf die damalige Ausstellung sei „überwältigend“ gewesen, weshalb sie noch in weiteren Städten gezeigt wurde. 1933 sei Hartlaub von den Nationalsozialisten aus dem Amt gejagt worden. Bei der Beschlagnahmeaktion sogenannter „Entarteter Kunst“ seien einige der Gemälde bis heute verschollen. „Da ist unersetzlicher Schaden entstanden“, bedauerte Henz-Best. Dennoch bleibe Hartlaubs Verdienst, dass die Kunsthalle unter seiner Leitung und durch seine Ankaufspolitik „zu einem der wichtigsten deutschen Kunstmuseen geworden“ sei. Zudem habe er „einer ganzen Kunstepoche einen prägenden Namen gegeben“, so Henz-Best.
„Ein in Mannheim entstandener Begriff geht um die ganze Welt“, knüpfte Bürgermeister Volker Proffen an ihre Worte an. Die Ehrung für die „Neue Sachlichkeit“ auf der Meile der Innovationen zeige, dass „Mannheim mehr Erfindungen als Automobil und Spaghettieis“ habe, hob Proffen hervor. Daher sei es „eine wunderbare Initiative“, dies gut sichtbar darzustellen, so Proffen über die Kurpfälzer Meile der Innovationen. Sie stelle „eine Bereicherung des Stadtbilds“ dar und solle auch die Studenten der Universität zu weiteren Erfindungen ermuntern. Der Verein leiste damit „einen enorm wichtigen Beitrag, die Erinnerung an wichtige Beiträge der Stadtgeschichte wachzuhalten“.
Der von Fritz-Jochen Weber, Roswitha Henz-Best und Egon Manz geführte Verein begann im November 2016 mit der Verlegung der ersten Bronzeplatte, um Erfindungen und Erfinder aus Technik wie Kultur und Gesellschaft aus der gesamten Kurpfalz zu würdigen. Wer verewigt wird, geht auf eine lange, vom früheren CDU-Stadtrat Paul Buchert erarbeitete Liste zurück. Die Auswahl oblag aber dem Marchivum und letztlich einer Entscheidung des Kulturausschusses des Gemeinderats.
Kurpfälzer Meile der Innovationen: Sponsoren fehlen
Im jetzt ablaufenden Jahr sind fünf der jeweils 42 mal 42 Zentimeter großen Tafeln verlegt worden. Zum Auftakt war im März Kurfürst Karl Ludwig (1617-1680) für die von ihm erlassenen, damals sehr fortschrittlichen zweiten Stadtprivilegien Mannheims mit Glaubensfreiheit sowie Abschaffung der Leibeigenschaft und des Zunftzwangs gewürdigt worden.
Weiter ging es ebenso im März mit den fünf Chemie-Nobelpreisträgern der Region, im April mit der Erinnerung an die Spektralanalyse und im Juni mit der Bronzetafel für das Röhnrad.
Für Frühjahr 2025 ist die Erinnerung an die in Mannheim erfolgte Erfindung des TÜV und eine Würdigung der Nobelpreisträger der Physik vorgesehen. „Die Tafeln sind bereits angefertigt“, sagt Henz-Best. In Vorbereitung sei die Bronzeplatte für den auch hier entwickelten Drehstromantrieb für Lokomotiven. „Es bleiben dann nur noch fünf Tafeln zu verwirklichen“, so die stellvertretende Vorsitzende.
Geplant sind sie für den Heidelberger Katechismus, das Elektronenmikroskop, für Styropor, Wankels Kreiskolbenmotor und für die Erfindung des Simulators für das Training von Augen-Chirurgie.
Dann wäre das Projekt abgeschlossen. Doch bisher fehlen Sponsoren für die ausstehenden Platten. Schließlich kostet eine Bronzetafel mit Verlegung und Versicherung 5500 Euro. Der Entwurf für die Gestaltung der Platten geht auf Fritz-Jochen Weber zurück. Darauf finden sich jeweils einige Stichworte zur Erfindung und ein Bild, einen zu weiterführenden Angaben auf einer Internetseite führenden QR-Code, ein Verweis auf die Metropolregion Rhein-Neckar sowie Platz für Name oder Logo von einem Sponsor.
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