Umwelt

Klimaneutral in nur sieben Jahren? Das sagen die Mannheimer Fraktionen

Mannheim hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. An diesem Dienstag berät der Ausschuss für Umwelt und Technik über den Klimaschutzaktionsplan der Stadt

Von 
Stefanie Ball
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Das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) belastet mit seinen enormen CO-Emissionen die Klimabilanz der Stadt. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Mannheim will bis 2030 klimaneutral sein. Der Klimaschutzaktionsplan, kurz KSAP, soll den Weg dahin ebnen. Er wurde in einem anderthalbjährigen Beratungsprozess erarbeitet, Moderator und wesentlicher Ideengeber war das Wuppertal-Institut, eine wissenschaftliche Denkfabrik im Bereich Nachhaltigkeitsforschung.

Der Plan enthält auf mehr als 180 Seiten eine Fülle von Maßnahmen und Aktionen, um den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 zu senken. Im Verkehr ebenso wie in der Wirtschaft, in der Energieversorgung genauso wie in privaten Haushalten oder in der Verwaltung.

Der KSAP wird an diesem Dienstag im Gemeinderats-Ausschuss für Umwelt und Technik (16.45 Uhr, Stadthaus N 1) beraten, die endgültige Entscheidung fällt dann der gesamte Gemeinderat am 17. November. Wir haben vorab die Fraktionen nach ihrer Bewertung gefragt.

Grüne

„Der Klimaschutzaktionsplan, der mit breiter Beteiligung entstanden ist, ist ein Handlungsleitfaden für die Stadtverwaltung, um das Ziel Klimaneutralität 2030 zu erreichen. Mit diesem schaffen wir klare Ziele für die CO2-Reduktion in unserer Stadt. Mit den Top-Maßnahmen gibt es außerdem eine klare Priorisierung für Maßnahmen, die besonders wichtig für die CO2-Reduktion sind. Diese müssen jetzt möglichst schnell auf den Weg gebracht werden.

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Klar ist allerdings auch, dass fast alle Maßnahmen im KSAP nochmal eigene Gemeinderatsbeschlüsse benötigen. Sei es schlicht zur Konkretisierung, für Satzungsbeschlüsse oder Ähnliches. Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung mit dem Beschluss des Klimaschutzaktionsplans damit, diese zu erarbeiten. Dementsprechend ist für uns neben der Vielzahl an Maßnahmenansätzen vor allem die Zielsetzung, das Monitoring und die Nachsteuerung entscheidend. Ja – viele Maßnahmen sind im KSAP noch unkonkret, und genau deshalb ist es für uns Grüne wichtig, dass wir in der Umsetzung genau monitoren, ob wir auf dem Reduktionspfad sind, und wenn wir von ihm abkommen nachsteuern, indem wir weitere Maßnahmen auf den Weg bringen.

Nur weil Ziele schwer erreichbar erscheinen, sind wir nicht der Meinung, es gar nicht erst zu versuchen, sondern unser Bestes zu geben und so nahe wie möglich an diese heranzukommen. Als Stadt Mannheim tragen wir die Verantwortung, auf unserer Ebene alles zur Erreichung der Klimaneutralität 2030 zu tun. Wir sind dabei allerdings auf weitere flankierende Maßnahmen von Land, Bund und EU angewiesen. Dafür setzen wir Grüne uns auf allen Ebenen ein.

SPD

„Wir verstehen den Klimaschutzaktionsplan als grundsätzliches Konzept für den vor uns liegenden Weg zur klimaneutralen Stadt und als notwendige Voraussetzung für die unabdingbare Unterstützung durch Fördergelder von EU, Bund und Land. Diese Mammutaufgabe kann Mannheim nicht allein schultern, das zeigt der Haushaltsentwurf, der über eine vorhandene Anschubfinanzierung hinaus keine weiteren Mittel vorsieht. Wenn Klimaneutralität keine Vision bleiben soll, braucht es mutige Entscheidungen, die wir im Gemeinderat treffen müssen. Die Verabschiedung des KSAP bedeutet, dass über die dort genannten CO2-Einsparziele und Handlungsfelder Konsens besteht. Die zu ergreifenden Maßnahmen können geeignet sein, um das Ziel der Klimaneutralität in Mannheim zu erreichen. Während die CO2-Einsparziele also nicht zur Debatte stehen, werden die Maßnahmen vor ihrem Beschluss auf ihre Eignung und Zielerreichung überprüft. Alle Handlungsfelder sind dabei gleichermaßen relevant und möglichst umgehend anzugehen. Die Berechnung der möglichen Einsparungen erfolgt anhand einer für Mannheim angepassten Modellierung.

Damit eine Umsetzung gelingt, sind allerdings alle gefragt. Neben der Stadt Mannheim sind auch Unternehmen sowie private Akteure aufgefordert, zum ,Green Deal’ ihren Teil beizutragen, damit die Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen auch tatsächlich gelingen.“

CDU

„Der Klimaschutzaktionsplan ist für uns als CDU-Gemeinderatsfraktion für unsere zukünftige Arbeit im Gemeinderat ein wichtiger Abwägungspunkt für alle Entscheidungen, die wir in Bezug auf klimarelevante Vorhaben treffen. Viele der aufgeführten Punkte sind noch keine umsetzbaren Maßnahmen, sondern Ideen, die weiterentwickelt werden müssen. Gerade wenn es um die Stadtentwicklung geht, gibt es viele wichtige Punkte, bei denen wir abwägen müssen. Ein Gedanke im KSAP ist zum Beispiel die Minimierung des Flächenverbrauchs. Dem stehen die Neuansiedlung von Unternehmen und damit der Erhalt sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen gegenüber. Auch hat die Wohnbedarfsanalyse der Stadt einen riesigen Bedarf an neuen Wohnungen und Häusern weit über die US-Konversionsflächen hinaus ergeben.

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Bei manchen Punkten haben wir auch grundsätzliche Bedenken, wie zum Beispiel bei der fließenden Einführung von Tempo 30 in der gesamten Stadt. Viele Studien besagen, dass der Klima-Effekt einer solchen Maßnahme als sehr gering einzuschätzen ist, die Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben aber immens sein können. Hier teilen wir die Bedenken, die auch vonseiten der IHK eingeworfen wurden.“

LI.PAR.Tie

„Der Klimaschutzaktionsplan stellt keinen fertigen Maßnahmenkatalog dar, sondern ein Gesamtkonzept mit Handlungsempfehlungen, das konkretisiert werden muss und permanent überprüft, überarbeitet und weiterentwickelt werden soll.

Ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung existiert nicht, weil es sich um ein Grundlagenkonzept handelt. Trotzdem müssten aus unserer Sicht noch dieses Jahr erste Maßnahmen beschlossen und angegangen werden, um die konkrete Umsetzung einzuleiten. Denn es verbleiben nur noch sieben Jahre, um die selbstgesteckten ambitionierten Reduktionen für das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Eine regelmäßige ganzheitliche Überprüfung der Zielerreichung auf dem CO2-Reduktionspfad ist im KSAP nicht beschrieben, es soll stattdessen ein Monitoring der einzelnen Maßnahmen stattfinden. Dass ein ganzheitliches Monitoring und der Umgang bei nicht erreichten (Zwischen-)Zielen nicht beschrieben ist, ist unseres Erachtens ein Schwachpunkt.

Auch bezüglich der Finanzierung hat die Verwaltung noch keine zufriedenstellende Antwort. Im KSAP werden bei einigen Maßnahmen zwar Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten aufgezeigt, zudem wird auf die finanzielle Unterstützung der EU im Rahmen der ,100 klimaneutralen Städte bis 2030’ verwiesen. Ansonsten bleibt alles sehr offen. Die massiven Investitionen, die für diese Menschheitsaufgabe erforderlich sind, lassen sich nicht aus dem laufenden Haushalt oder mit Fördermitteln bewältigen. Vielmehr braucht es eine Abkehr von der Schuldenbremse beziehungsweise vom Neuverschuldungsverbot.“

AfD

„Der Klimaschutzaktionsplan stellt in unseren Augen lediglich eine unverbindliche Ideensammlung dar, mit der keine nennenswerte und nachweisbare Reduktion der CO2-Emissionen erreicht werden kann.

Ohnehin liegt der Anteil Deutschlands an den weltweiten CO2-Emissionen bei unter zwei Prozent mit fallender Tendenz, Mannheims Anteil ist dabei verschwindend gering.

Mit der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke fällt demnächst die CO2-freie Stromerzeugung für zehn Millionen Haushalte weg. Das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) als großer Verursacher von CO2-Emissionen ist daher für eine sichere Stromerzeugung in Süddeutschland unverzichtbar und kann in absehbarer Zeit nicht stillgelegt werden.

Wie bei der Energiepolitik hat die Stadt Mannheim auch auf die Unternehmenspolitik der Industriebetriebe keinen nennenswerten Einfluss. Der Klimaschutzaktionsplan stellt daher reine Symbolpolitik ohne Nutzen dar.“

FDP

„Wir sind uns im Ziel einig, dass Dekarbonisierung und Klimaschutz die großen Herausforderungen unserer Zeit sind. Der jetzt vorliegende Entwurf für den Klimaschutzaktionsplan ist jedoch weder Konzept noch Aktionsplan, sondern eine Ideensammlung ohne aussagekräftige Priorisierung und Kosten-Nutzen-Betrachtung. Es werden Detailmaßnahmen gleichwertig neben den großen Transformationsaufgaben aufgeführt, unabhängig davon, ob die Kommune darauf Einfluss nehmen kann oder nicht. Große Bereiche wie der Bausektor, die Logistik und das Handeln im Konzern Stadt selbst bleiben ganz ausgeklammert.

Das ist enttäuschend, ebenso dass die Studie sehr allgemein bleibt statt Mannheim-spezifische Ergebnisse als konkrete Entscheidungshilfe zu liefern. Zum Beispiel wird gefordert, Beratungsangebote für Unternehmen neu zu schaffen, die IHK und Handwerkskammer längst anbieten. Oder es werden kommunale Förderprogramme vorgeschlagen, die es zum Teil schon gibt in Mannheim oder von Land und Bund. Die externen Experten haben hier offensichtlich eine Schablone verwendet, ohne sich mit der Situation vor Ort intensiver auseinanderzusetzen.

Die uns wichtigste Frage bleibt offen: Wie erreichen wir in unserer Stadt mit den vorhandenen Mitteln die größte CO2-Einsparung? Und wie erzielen wir einen Konsens mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit der Wirtschaft? Die Beteiligten an dem bisherigen Prozess über anderthalb Jahre hatten keine ausreichende Gelegenheit zum Austausch, von Konsens kann keine Rede sein.“

Freie Wähler/ML

„Der Klimaschutzaktionsplan 2030 ist derzeit nur eine Ideensammlung und enthält relativ wenig konkrete Projekte und Maßnahmen. Er muss fortlaufend überprüft, angepasst und fortgeschrieben werden. Erst dann können die Maßnahmen auf die gewünschten Emissionseinsparungen und die Kosten bewertet werden. Eine notwendige Priorisierung wird dadurch erschwert, wenn nicht sogar verhindert.

Hinzu kommt die sehr begrenzte eigene Handlungsfähigkeit von Mannheim sowie die fehlende Berücksichtigung der Metropolregion. Beispielsweise ist der Energiebedarf in den Städten besonders groß, dort bestehen aber gleichzeitig auch die geringsten Potenziale für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier ist ein regionaler Schulterschluss unbedingt erforderlich.

Die mit dem KSAP verbundenen Risiken für die Mannheimer Haushaltspläne sind enorm. Ohne Fördermittel auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene ist eine Zielerreichung und deutliche Beschleunigung der Aktivitäten auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht möglich. Eine Finanzierung komplett aus Eigenmitteln würde die Möglichkeiten des Haushalts der Stadt Mannheim bei Weitem übersteigen.

Nach Ansicht der Fraktion Freie Wähler/Mannheimer Liste (ML) beantwortet der KSAP sehr viele Fragen nicht und wirft im Gegenteil dazu viele weitere Fragen auf. Uns erscheint eine Umsetzung des KSAP bis 2030 unrealistisch, auch mit Blick auf das aktuelle Geschehen in Europa und der Welt.“

Freie Autorin

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