Uni-Klinikum - Neue Stammzell-Transplantationseinheit eröffnet / 60 lebensrettende Eingriffe jährlich / 7,6 Millionen Euro investiert

Kampf den tödlichen Keimen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Eines der weltweit modernsten Transplantationseinheiten für blutbildende Stammzellen geht am Uni-Klinikum in Betrieb (v.l.): Klinik-Direktor Frederik Wenz, Oberarzt Stefan Klein, Chef der Dritten Med. Klinik Wolf-Karsten Hoffmann, Krankenhaus-Geschäftsführer Jörg Blattmann, Oberbürgermeister Peter Kurz, Dekan Sergij Goerdt sowie die Dezernenten Christian Specht und Ulrike Freundlieb, alle in weinroten Einmalkitteln und symbolischen Schlüsselanhängern für den Notfallausgang

© Prosswitz

Üblicherweise werden bei einer baulichen Einweihungsfeier Zugänge geöffnet. Bei der neuen Stammzell-Transplantationseinheit gab es gestern einen symbolischen Türschluss des Notfallausgangs. Denn dieser bleibt auf der mit speziellen Luftfiltersystemen ausgestatteten Abteilung für Patienten mit schweren Blutkrebs-Erkrankungen geschlossen. 7, 6 Millionen Euro haben die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und das Land in das "Leuchtturmprojekt" investiert.

"Ein besonderer Tag" - diese Feststellung zog sich durch die Ansprachen. Oberbürgermeister Peter Kurz, der auch als Vorsitzender des Klinikum-Aufsichtsrates ans Mikrofron trat, sprach von einem Zukunftsprojekt, das für universitäre Hochleistungsmedizin als UMM-Schwerpunkt stehe. Jedes der acht Patientenzimmer - jeweils ein Hightech-Schutzraum als Lebensinsel - hat eine knappe Million gekostet, veranschaulichte der kaufmännische Geschäftsführer Jörg Blattmann, welche immense Technik verbaut wurde. Der Grund: Für Patienten, deren Immunsystem nach dem Übertragen fremder blutbildender Stammzellen wegen Abstoßungsrisiken unterdrückt wird, kann jeder Allerweltskeim zur tödlichen Gefahr werden.

Von einer "wissenschaftlich dramatischen Entwicklung zugunsten der Patienten" sprach der Ärztliche Direktor und Mitgeschäftsführer Frederik Wenz, der eine besondere Ganzkörperbestrahlung, das "Mannheimer Verfahren", entwickelt hat. "Über einen großen Erfolg für die Universitätsmedizin Mannheim" freute sich Sergij Goerdt als Dekan der Fakultät. Wolf-Karsten Hofmann, Chef der "Dritten Med.", und Oberarzt Stefan Klein, Leiter der Stammzell-Transplantation, erklärten, warum das Übertragen von Blutstammzellen, die von Familienmitglieder oder auch fremden Spendern stammen, als das "tiefgreifendste Verfahren in der Medizin" gilt, "komplexer" als eine Herztransplantation, so Hofmann. Die beiden Experten hoben aber auch die Aussicht auf komplette Heilung am Ende eines extrem belastenden Weges hervor - und dies vor dem Hintergrund, dass noch in den 1970er Jahren die Diagnose Leukämie häufig einem Todesurteil gleichkam.

In weinroten Einmalkitteln durfte die ab August belegte Abteilung besichtigt werden: Bis zu 60 Patienten, die an bösartigen Erkrankungen des Knochenmarks leiden, sollen jährlich von übertragenen Blut-Stammzellen profitieren. Manche werden einige Wochen, andere Monate auf jener Station bleiben, die dank Filteranlage, mehreren Luftschleusen und leichtem Überdruck insgesamt abgeschirmt ist - sodass die Patienten nicht, wie früher üblich, in ein abgeschottetes Zimmer verbannt werden müssen.

"Wir haben neue Maßstäbe in der Hygiene gesetzt", erläutert Leiter Klein anschaulich in den Nasszellen. Beispielsweise wurde für den Duschabfluss ein Edelstahlstopf ausgetüftelt, der keinerlei unzugänglichen (und damit nicht reinigungsbare) Stellen enthält. Die speziellen Siphons der Waschbecken werden jeweils ausgewechselt, wenn ein neuer Patient mit heruntergefahrener Immunabwehr ein Zimmer bezieht. Klein: Es gelte, verkeimte Biofilme in Abflusssystemen und daraus aufsteigende Aerosole mit gefährlichen Schwebeteilchen zu vermeiden. Wer sich über die "Ergot-fit"-Strampelgeräte in den freundlichen Zimmern wunderte, wurde aufgeklärt: "Für unsere Patienten ist Bewegung wichtig." Und deshalb müsse auch jeder, der dazu in der Lage sei, sein Bett selbst machen.

Mannheim

Neue Klinikum-Station für Transplantation

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Transplantationseinheit für blutbildende Stammzellen

  • An der Investitionssumme von 7,6 Millionen Euro beteiligt sich das Stuttgarter Sozialministerium mit 4,8 Millionen Euro.
  • Mit der Erweiterung im aufgestockten Haus 9 verdoppelt sich die Kapazität für die Transplantation gespendeter fremder Stammzellen auf 60 pro Jahr. Damit zählt die UMM-Einheit bundesweit zu den großen Spezialzentren.
  • Zu dem Team gehören vier Ärzte und 17 Pflegekräfte, eine Psychoonkologin, Physiotherapeutinnen und Servicekräfte.
  • Die hausinterne Fachqualifizierung für diesen komplexen Medizinbereich nimmt über ein Jahr in Anspruch.
  • Angegliedert ist eine Ambulanz, weil die Patienten einer engmaschigen Nachsorge bedürfen. wam

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