Jahrestag des Hamas-Überfalls

Israel-Gedenkveranstaltung trifft auf Pro-Palästina-Demo – und lässt Emotionen hochkochen

Ein Tag, zwei Demos in Mannheim: Parallelkundgebungen für Israel und für Palästina spalten die Stadtgesellschaft. Auch Kritik an der Stadtverwaltung wurde laut.

Von 
Valerie Gerards
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Kundgebung der DIG auf dem Marktplatz, auf dem ein Davidstern ausgelegt ist. © Valerie Gerards

Mannheim. Rund 200 Menschen haben sich am Dienstagabend zur Solidaritätskundgebung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ auf dem Mannheimer Marktplatz versammelt. Zeitgleich fand auf dem Paradeplatz eine pro-palästinensische Mahnwache statt.

Die DIG-Veranstaltung erinnerte an den Terrorangriff der Hamas auf Israel vor zwei Jahren. Rednerinnen und Redner gedachten der Opfer seit Kriegsbeginn auf beiden Seiten und forderten ein Ende des Leids im Gazastreifen. Sie forderten aber auch ein klares Zeichen gegen Antisemitismus in der Stadt. DIG-Vorsitzender Chris Rihm verdeutlichte, wie der „Tag der Barberei“ das Leben von Juden in Mannheim verändert hat: „Zwei Jahre später verstecken sich Juden wieder in Deutschland. Nicht vor den Hamas, sondern vor den Parolen vor der eigenen Haustür.“

Warum der Ortswechsel in Mannheim für Unmut sorgt

Rihm kritisierte die parallele pro-palästinensische Demonstration und die kaum vorhandene Rückendeckung durch Verwaltung und Stadtspitze. „Schweigen ist keine Haltung.“ Auch der Ortswechsel auf den Marktplatz sorgte für Unmut. „Bisher galt das ungeschriebene Gesetz: wir Paradeplatz, die Marktplatz. Jetzt haben wir die Plätze getauscht. Der Marktplatz ist sicherlich muslimisch konnotiert, und jetzt sind wir hier und legen einen Davidstern.“ Die Veranstaltung, die ursprünglich ein Gedenk- und Trauertag für die jüdische Gemeinde sein sollte, sei dadurch politisch aufgeladen.

Erste Bürgermeisterin Diana Pretzell versicherte der jüdischen Gemeinde, die Stadtgesellschaft stehe an ihrer Seite. Sie sprach aber auch über das Leid im Gazastreifen. „Das Leid muss enden! Es ist wichtig, dass ein Friedensplan beschlossen wird.“ Die parallel stattfindende pro-Palästina-Demonstration sei in Ordnung, solange es friedlich passiert.

Exil-Iraner aus dem Verbund der Iranischen Monarchisten unterstützen die DIG auf dem Marktplatz. © Valerie Gerards

„Mitgefühl mit dem Leid der Menschen in Gaza darf niemals in Rechtfertigung oder unverhohlenes Verständnis für Antisemitismus umschlagen“, sagte Landtagsabgeordneter Boris Weihrauch. Er bekräftigte seine Solidarität mit den Menschen in Israel und forderte, dem Hass auch in Mannheim entschlossen entgegenzutreten. „Wer Tod und Terror auf unseren Straßen feiert und Terroristen huldigt, islamistische und antisemitische Propaganda verbreitet, muss hart bestraft werden.“

Auch Carmen Fontagnier von Mannheim sagt Ja! kritisierte die Erlaubnis der parallelen pro-palästinensischen Veranstaltung und den Ortswechsel zum Marktplatz aufs Schärfste und erntete für ihre Worte lautstarken Applaus. „Das ist völlig inakzeptabel. Wir haben sämtliche Grenzen des friedlichen Zusammenlebens längst überschritten.“

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Die Stadt Mannheim hatte beide Versammlungen genehmigt, da sie an das bundesweit geltende Versammlungsrecht gebunden ist. Oberbürgermeister Christian Specht zeigte jedoch deutliches Unbehagen angesichts der zeitlichen Überschneidung. „Es ist verstörend, wenn ausgerechnet der zweite Jahrestag des Angriffs dazu instrumentalisiert wird, die Reaktion des Staates Israel auf die brutale Terrorattacke zu kritisieren“, erklärte Specht, der bei der Kundgebung nicht anwesend war, in einer Pressemitteilung.

Auch der Friedensplan von Trump ist in Mannheim Thema

Zum Friedensplan von US-Präsident Donald Trump für den Gazastreifen gefragt, sagte Cathy Field im Namen der DIG: „Wir unterstützen diesen Plan zu 100 Prozent.“ Er sei der einzige Plan, der wirklich Frieden für das palästinensische Volk garantiert, den Wiederaufbau des Landes sowie eine technische Administrative, die an der Bildung eines Palästinensischen Staates beteiligt sein wird. „Wir sind der Meinung, dass wenn man ein Selbstbestimmungsrecht für Israel fordert, dieses Selbstbestimmungsrecht anderen nicht verwehren kann“, sagte Field.

Als problematisch sieht sie die Blanko-Anerkennung eines Staates Israel, die nicht am Verhandlungstisch stattgefunden hat, der keine Grenzen anerkennt und sich nicht damit auseinandersetzt, was mit den Menschen in den Grenzgebieten geschieht. Ungeklärt sei auch, was mit Jerusalem, mit dem jüdischen Viertel und der Klagemauer passiert. Beides würde in dem neuen Staat Israel an die Palästinensische Autonomiebehörde fallen.

Dass die DIG voll hinter dem Friedensplan von Trump steht, betonte auch Rihm. „Es ist der einzige Friedensplan in den letzten zwei Jahren, der tatsächlich mal Aussicht auf Erfolg hat“, sagte der DIG-Vorsitzende. „Ob es tatsächlich zur Geiselfreilassung kommt, steht ja noch in den Sternen, aber so nah dran waren wir noch nie.“ Er fürchtet aber, dass der Friedensplan an der Hamas scheitern könnte.

Bei der Mahnwache auf dem Paradeplatz wird der getöteten Palästinenser gedacht. © Valerie Gerards

Bei der pro-palästinensischen Mahnwache auf dem Paradeplatz nahmen rund 200 Menschen teil. „Wir haben heute den 7. Oktober gewählt, um bewusst und mutig dazustehen. Egal, was an irgendeinem Tag irgendwo passiert ist: Nichts rechtfertigt einen Genozid. Nichts rechtfertigt 20.000 getötete Kinder“, rief der einzige Redner der Mahnwache, der seinen Namen nicht nennen wollte. Eintausend Bilder von getöteten Palästinensern waren auf dem Paradeplatz angeordnet.

„Bei den über 70.000 ermordeten Palästinensern bedeutet das, dass jedes Bild für 70 mehr steht“, verdeutlichte er. Was denken die Aktivisten von Free Palestine und Zaytouna über den Friedensplan von Trump? Wo sehen sie Kritikpunkte? Es bleibt ungewiss. Die Veranstalter machten unmissverständlich klar, dass sie nicht mit der Presse reden wollen.

Freie Autorin

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