Dänzer-Prozess - Kammer gibt „gravierenden“ rechtlichen Hinweis – möglicherweise aktives Tun statt Unterlassung

Hygiene-Skandal am Uni-Klinikum Mannheim: Landgericht verschärft Vorwurf

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Ein Endoskop wird für die Reinigung vorbereitet. © Thomas Rittelmann

„Führungskräfte haben häufig den Schwarzen Peter hin- und hergeschoben“, blickt der einstige Leiter der Unternehmensentwicklung am Uniklinikum zurück, als er am Donnerstag im Hygiene-Prozess von der dritten Strafkammer des Landgerichtes befragt wird. Der Zeuge, der bis Herbst 2014 als „rechte Hand“ des damaligen Geschäftsführers Alfred Dänzer galt, berichtet, dass er zwar von Personalproblemen und logistisch unzulänglichen Prozessabläufen bei der Aufbereitung von Sterilgut gewusst hat – „ein qualitatives Problem war mir aber nicht bekannt“, sagt er.

Der Arzt, der zur Betriebsleitung des Uniklinikums gehörte, erzählt von 2013 immer wieder abgesagten Operationen, weil Siebe mit chirurgischem Besteck nicht rechtzeitig aus der zentralen Steri zurückkamen. Es seien zwar Mittel für zusätzliche Instrumente freigegeben worden, „aber der Beschaffungsvorgang hat nicht geklappt“. Auf Nachfragen des Gerichts, wer laut Vorschriften für Medizinprodukte verantwortlich war, sagt der Zeuge: „Die Technik.“ Allerdings hatte der einstige Leiter des Technikbereichs zuvor Anderes ausgesagt: Demnach oblag es den jeweiligen Kliniken als Nutzern, mit ihren Medizinprodukte-Beauftragten dafür zu sorgen, dass alle Geräte regelmäßig gewartet und auf Funktionstüchtigkeit getestet wurden.

Der pensionierte Neurologie-Chef erläutert, dass während seiner Ära das von ihm ausgeübte Amt des Ärztlichen Direktors eine Nebentätigkeit mit beratender Funktion war. „Das Zepter hatte Herr Dänzer in der Hand.“ Während bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Aussagen dokumentiert wurden, wonach der Geschäftsführer stets abgeblockt habe, sobald Anfragen mit Kosten verbunden waren, so der langjährige Ärztliche Direktor: „Herr Dänzer war sicherlich im Umgang nicht ganz einfach, aber wenn er von einer kritischen Situation hörte, dann ist er umgehend tätig geworden.“

Dänzer bedauert Geschehnisse

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Michael Schäfer
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Wie schon dessen einstiger Referent schildert auch der Zeuge Gespräche mit hauseigenen Hygienikern, nachdem mehrere Infektionen nach Knieeingriffen alarmiert hatten. Damals habe er chirurgisch tätige Kollegen aufgefordert, besonders auf OP-Besteck zu achten und Auffälliges zu melden. „Dass kein Operateur sich persönlich an mich gewandt hat, macht mich in der Rückschau nachdenklich.“

Bei der Beweisaufnahme am Landgericht geht es immer wieder darum, wer für die Inspektion jener Maschinen verantwortlich war, in denen benutzte Instrumente noch im OP-Bereich vorgereinigt wurden. „Diese Waschmaschinen waren dem Pool der Technik zugeordnet und nicht in meinem Bestand“, erklärt der Endoskopie-Leiter, der damals auch als Medizinprodukte-Beauftragter wirkte. Das Gericht weist auf eine Mail von 2014 hin, aus der hervorgeht, dass die längst fällige Funktionsüberprüfung der sechs Geräte – knapp 33 000 Euro – aus Kostengründen abgelehnt wurde.

Eine Pause zwischen Zeugenbefragungen nutzt Alfred Dänzer für eine persönliche Erklärung: Mit „großer Bestürzung“ habe er bei der Kontrollbegehung des Regierungspräsidiums von der Dimension der Mängel bei der Steri-Aufbereitung erfahren. Er bedauere „zutiefst“ die Geschehnisse, die dem gerichtlichen Verfahren zugrunde liegen. Bei der angekündigten Prozess-Zwischenbilanz gibt die Kammer einen rechtlichen Hinweis, der sich gravierend auswirken kann: Wie der Vorsitzende Richter Ulrich Bunk ausführt, könnte dem angeklagten Ex-Geschäftsführer nicht nur Unterlassen von Pflichten und Kontrollen, sondern aktives Tun bei Verstößen gegen das Medizinproduktegesetz zur Last gelegt werden. Grund: Möglicherweise hat der Technik-Leiter überhaupt nichts von jener Dienstanweisung gewusst, mit der Dänzer die Verantwortung für den Steri-Maschinenpark delegiert hat. Verteidiger Hans Ulrich Beust wirft ein, dass sein Mandant diese Pflichtübertragung im hausinternen Intranet veröffentlicht hat: „Es ist mir ein Rätsel, wieso alle im Klinikum davon wussten, nur der Technik-Chef nicht.“

Freie Autorin

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