Mannheim. Die neuen Bescheide für die Grundsteuer sind verschickt. Beim „MM“ haben sich inzwischen zahlreiche Grundstückseigentümer gemeldet, die jetzt deutlich mehr zahlen müssen und sich darüber ärgern. Auch in den Telefonsprechstunden des Eigentümerverbandes Haus und Grund in Mannheim ging es zuletzt fast ausschließlich um dieses Thema, wie Geschäftsführer und Rechtsanwalt Andreas Paul berichtet. „Das hat richtig eingeschlagen.“ Was können Betroffene jetzt tun, die sich ungerecht besteuert fühlen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was berichten die Betroffenen?
Sie beklagen zum Teil deutliche Erhöhungen bei der Steuer. Eine Frau aus Neckarau zum Beispiel zahlte bislang für ihr 330-Quadratmeter-Grundstück den vergleichsweise geringen Betrag von 65 Euro pro Jahr. Jetzt sind es 740 Euro. Bei einem Eigentümer aus Wallstadt werden für sein 848-Quadratmeter-Grundstück mit großem Garten statt bislang 380 nun 1880 Euro fällig. Aber es gibt auch welche, die weniger bezahlen: Der „MM“ hatte kürzlich über einen Eigentümer auf dem Waldhof berichtet, der für seine 559-Quadratmeter-Fläche statt 428,24 künftig 983,82 Euro zahlen muss. Nun hat sich ein direkter Nachbar von ihm beim „MM“ gemeldet. Er zahlte bislang für 420 Quadratmeter 896,86 Euro - künftig sind es 739,38.
Kann man gegen den Grundsteuerbescheid Widerspruch einlegen?
Das macht laut Andreas Paul nur Sinn, wenn auf dem Bescheid falsche Angaben stehen: der falsche Eigentümer, das falsche Grundstück, der falsche Grundsteuermessbetrag (der ist den Eigentümern bereits vor einiger Zeit vom Finanzamt mitgeteilt worden) oder der falsche Hebesatz (in Mannheim für die Grundsteuer B: 365 Prozent). Für diesen Widerspruch haben Betroffene einen Monat Zeit. Bezahlen müssen sie die Steuer unter Vorbehalt aber trotzdem. Stimmen die Angaben, rät der Haus-und-Grund-Geschäftsführer aber von einem Widerspruch ab. Denn der werde dann ohnehin abgewiesen. „Und das kann kostenpflichtig sein.“ Paul setzt darauf, dass das Bundesverfassungsgericht die Steuer kippt – und das gelte dann ja für alle.
Andere Experten dagegen geben andere Ratschläge. So empfiehlt die Frankfurter Steuerberatungskanzlei TaxPro in einem Youtube-Video (https://www.youtube.com/watch?v=05-A3pkSKXU) dringend, einen Widerspruch bei der Kommune einzulegen, parallel dazu einen Aussetzungsantrag beim Finanzamt zu stellen und - falls dieses den Aussetzungsantrag ablehnt - einen entsprechenden Antrag beim Finanzgericht. Nur so könne man seine Rechte wahren und werde berücksichtigt, wenn Gerichte gegen die aktuelle Steuer entschieden.
Beim neuen Berechnungsverfahren für die Grundsteuer in Baden-Württemberg sind Bodenrichtwert und Fläche entscheidend. Was ist, wenn man mit der Bewertung seines Grundstücks nicht einverstanden ist?
Für die Ermittlung der Bodenrichtwerte ist in Mannheim der Gutachterausschuss zuständig, dessen Mitglieder vom Gemeinderat bestellt werden und der nicht-öffentlich tagt. Im Internet findet sich unter shorturl.at/5btDB eine Karte mit den Bodenrichtwerten. Für diejenigen, die ihr Grundstück für falsch bewertet halten, sieht das Landesgrundsteuergesetz (Paragraf 38, Absatz 4) die Möglichkeit eines qualifizierten Gutachtens vor. Dieses müsse nachweisen, dass der tatsächliche Grundsteuerwert mehr als 30 Prozent von dem abweicht, den das Finanzamt ermittelt hat. Das Problem dabei, das auch Andreas Paul sieht: Der Eigentümer trägt die Kosten des Gutachtens, das möglicherweise nicht das gewünschte Ergebnis bringt. Denn die endgültige Entscheidung liegt beim Finanzamt (mehr zum Verfahren unter rb.gy/nxxkk5). Die Tatsache, dass ein Teil eines Grundstücks als Garten genutzt wird, reicht nach Angaben der Stadtverwaltung nicht aus für einen geringeren Bodenrichtwert. Wenn ein Bebauungsplan ein Gebäude erlaubt, sei die Fläche voll steuerpflichtig.
Kann man nicht noch grundsätzlich gegen die Bewertung seines Grundstücks und die Neuberechnung Einspruch einlegen?
Nein. Diese Möglichkeit, so Paul, habe es nur bei den Bescheiden zum sogenannten Grundsteuerwert und zum Steuermessbetrag gegeben, die das Finanzamt den Eigentümern geschickt hatte und die Basis für den jetzt vorliegenden Bescheid sind. Haus und Grund hatte für diesen Einspruch Musterschreiben aufgesetzt und unterstützt entsprechende Musterklagen beim Bundesverfassungsgericht. Die zwei Kritikpunkte von Haus und Grund: Zum einen seien die Bodenrichtwerte „nicht nachvollziehbar“ und „nicht gerichtlich überprüfbar“. Zum anderen spiele bei der Neuberechnung der Steuer in Baden-Württemberg keine Rolle, ob auf dem Grundstück ein Gebäude steht oder ob es als Garten genutzt wird. Paul hofft wie gesagt, dass das Bundesverfassungsgericht die Neuberechnung in Baden-Württemberg kippt und es dann eine Korrektur gibt. Auch wer damals Einspruch eingelegt hat, müsse jetzt übrigens unter Vorbehalt erstmal zahlen.
Ein „MM“-Leser berichtet, dass der Gutachterausschuss für „lange, tiefe“ Grundstücke eine Art „Sonderregel“ vorgesehen hat, wonach der Bodenrichtwert mit der Tiefe der Grundstücke abnehme. Das Finanzamt habe diese Regel aber erst angewandt, nachdem er Einspruch gegen die Bewertung seines Grundstücks eingelegt habe. Warum wurde diese Regel nicht frühzeitig bekanntgemacht?
Die Hinweise auf diese „Sonderregel“ finden sich im Bodenrichtwertinformationssystem Baden-Württemberg (unter urlz.fr/tW3K). Dort muss man auf den Button „Bodenrichtwerte Grundsteuer B“ und sein Grundstück suchen. Unter dem Reiter mit dem Bodenrichtwert gibt es dann einen Link zur Umrechnungstabelle, wo ein Merkblatt des Mannheimer Gutachterausschusses mit entsprechenden Erläuterungen hinterlegt ist, inklusive Beispielrechnung. Ein Sprecher der Stadt Mannheim verweist allerdings auf einen Erlass des Landesfinanzministeriums vom 5. Juli 2022. Darin steht, dass solche Sonderregelungen bei der Bewertung nicht angewandt werden dürfen. Warum sie dann im geschilderten Fall dennoch Anwendung fanden, ist unklar. Eine Anfrage an das Mannheimer Finanzamt und die Oberfinanzdirektion Karlsruhe blieb zunächst unbeantwortet.
Was ist mit Härtefällen?
Haus-und-Grund-Geschäftsführer Andreas Paul kritisiert, dass es keine Hilfe für Eigentümer gebe, die durch die Steuer in finanzielle Probleme gerieten. Die Stadt Mannheim biete lediglich eine Stundung an (mehr dazu unter mannheim.de/grundsteuerreform). Auch im Hauptausschuss des Gemeinderats wurde das als nicht ausreichend kritisiert. Die Stadt könne hier aber keinen eigenen Weg gehen, sagte Finanzbürgermeister Volker Proffen dazu. „Ein Erlass oder eine Minderung ist durch höheres Landesrecht nicht möglich.“
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