Mannheim. Eine gutgelaunte Schar von Menschen, die sich bei luftigen Sommertemperaturen um einen dicht bepackten Tisch tummeln. Ehrenamtliche und prominente Helfer, die sich von der Stadträtin oder Gastronomin bis zum Diakonie-Direktor als geduldige Farb- und Stilberater bewähren. Und ein Dekan, der gerne ein Geheimnis lüften würde. Zu erleben ist all dies auf dem Paradeplatz, wo die Diakonie-Beratungsstelle Amalie bereits zum achten Mal eine Handtaschenaktion zugunsten von Frauen in der Prostitution organisiert.
Unterstützt wird die Aktion in diesem Jahr vom Verein „Frauen im Quadrat“ und vom LEO-Club Schwetzingen. Eine ganz offensichtlich erfolgreiche Kooperation. Denn am Abend kann Amalie-Leiterin Astrid Fehrenbach strahlend das bislang absolute Rekordergebnis von 9800 Euro verkünden: „Das Amalie-Team und alle Helfer sind überglücklich.“
Penibel leeren und reinigen die Teams alle Taschen, bevor sie bei der Aktion landen. Dabei gibt es natürlich so manche Überraschung. „Kleine, aufmunternde Grüße, Erfolgswünsche, Glückskäfer und auch Geldspenden“, berichtet Astrid Fehrenbach. Aber auch ein alter Impfpass und ein Kfz-Schein aus den 90er Jahren sind dieses Jahr unter den Fundstücken. Und ein Umschlag mit der Aufschrift. „Für meine liebe Frau“. Samt 50 Euro, die natürlich als willkommene Spende Amalie zugutekommen.
Etliche Spender nehmen weite Anfahrten in Kauf, um Amalie zu unterstützen. „Eine Frau, die früher mal in Mannheim gewohnt hat, war samt gut bestücktem Trolly sogar extra mit dem ÖPNV angereist“, wie Astrid Fehrenbach erzählt.
Inzwischen läutet Ute Münch von „Frauen im Quadrat“ per Megafon den offiziellen Start des Bazars ein: „Kommen Sie und kaufen Sie für eine gute Sache.“ Das lässt sich Güler Yüzmelek nicht zweimal sagen. Nicht nur für sich, sondern auch als Geschenk und für ihre Tochter wählt sie neun besonders edle Stücke aus: „Ich helfe einfach gerne.“ Vor allem an ihre einjährige Tochter, die selig im Buggy schläft, denkt Michaela Schmitt. Ein Hörnchen-Rucksack hat es der 21-jährigen Mama für ihre Kleine angetan. „Denn sie räumt so gerne Handtaschen aus, da kriegt sie den jetzt“, verrät Oma Melanie strahlend.
Gleich nebenan hat Kirsten de Voss, Sprecherin der evangelischen Kirche Mannheim, gleich bei drei Taschen die Qual der Wahl: „Jedes Jahr sage ich mir, dass ich höchstens zwei kaufen darf. Aber es klappt nie.“
Die Qual der Wahl bei Taschenvielfalt
„Sie wollen was Sportliches? Wie wäre es damit?“, fragt Dekan Ralph Hartmann sein Gegenüber, dem er eine klassische schwarze Kreation empfiehlt. Und was hat er für Ehefrau Ulrike im Blick? „Ich gestehe, dass sich unsere Vorstellung von der idealen Tasche offenbar stark unterscheidet“, berichtet er lachend. Er habe bisher nur ein mal ins Schwarze getroffen. Was ihm dennoch darüber hinaus stets ein Rätsel sei: „Wie in so ein kleines Ding so viel reinpassen kann.“
Beratung für Prostituierte
- Seit 2013 berät das Amalie-Team des Diakonischen Werks Frauen in der Prostitution und die aus dem Milieu aussteigen wollen .
- 2024 fanden 991 Beratungsgespräche statt. In der aufsuchenden Arbeit (Streetwork im Rotlicht und digital) konnten 1453 Frauen erreicht werden. Aktuell werden acht Frauen u. a. bei der Wohnungs- und Arbeitssuche begleitet.
- Allein in der seit 2016 angemieteten Ausstiegswohnung konnte Amalie bis heute 30 Frauen, manche von ihnen mit Kindern, betreuen.
- Zu den niederschwelligen Angeboten in der Draisstraße 1 zählen das Frauencafé , eine gynäkologische Sprechstunde für Frauen ohne Krankenversicherung und eine Kleiderbörse .
- Weitere Infos zu der Einrichtung gibt es unter www.amalie-mannheim.de.
- Die Handtaschenaktion im Jahr 2024 erzielte 8000 Euro. 2023 waren es knapp 8000 Euro, bei der ersten Aktion 2017 waren es 1700.
Derweil spricht den Gottesmann eine Passantin in einer persönlichen Angelegenheit an. „Wissen Sie“, erläutert er, als sich die Frau wieder den Taschen zuwendet, „hier kann man immer auch ganz ungezwungen ins Gespräch kommen.“ Derweil nimmt der Dekan amüsiert eine Kreation in Lederhosen-Optik ins Visier. Aber im Ernst: „Das ist ja neben den tollen Spenden das Ziel dieser Aktion – mit einem Augenzwinkern auf ein sehr ernstes Thema aufmerksam zu machen.“
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