Mannheim. Das Jahr war von großen Kundgebungen und Demonstrationen geprägt. Am Freitag steht nun eine weitere, womöglich letzte größere Kundgebung 2024 bevor: Greta Thunberg tritt um 18 Uhr auf dem Marktplatz bei einer palästinensischen Diskussion auf. Über den genauen Ablauf und darüber hinaus ist nicht viel bekannt. Etwa, wie die weltweit bekannte Aktivistin nach Mannheim reist oder wie und wann es zum ersten Kontakt zwischen Thunberg und den Gruppen kam. Nachfragen hierzu ließ Zaytouna, das die Veranstaltung federführend organisiert, am Donnerstag bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Am Nachmittag erreichen diese Redaktion dann Hinweise, nach denen Thunberg bereits am Hauptbahnhof gesehen worden sein soll. Klar ist: Die Schwedin soll am Freitag mit Hebh Jamal von Zaytouna und dem umstrittenen Aktivisten Hasan Özbay über den Zusammenhang von Klimagerechtigkeit und Gerechtigkeit für Palästina sprechen.
Özbay soll unter anderem durch Posts aufgefallen sein, die den Hamas-Überfall auf Israel verharmlosen, und soll Berichten zufolge unter anderem Flugblätter der Gruppe „Artists against Antisemitism“ öffentlich verbrannt haben. Der frühere Aktivist von „Fridays for Future“ hat Antisemitismus-Vorwürfe aber stets zurückgewiesen. Nachfragen, wie Zaytouna zu den Berichten und Vorwürfen steht, blieben am Donnerstag bis Redaktionsschluss ebenfalls unbeantwortet.
Thunberg hatte zuletzt öfter propalästinensische Demonstrationen besucht, unter anderem in Berlin am 7. Oktober 2024, dem Jahrestag des Hamas-Überfalls. Unter der Woche hatte die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) die Besetzung des Podiums kritisiert und Thunberg zu einer in der Stadt „unerwünschten Person“ erklärt. Bereits seit vielen Monaten würden auf propalästinensischen Veranstaltungen in Mannheim Hass und Hetze propagiert und der Hamas-Terror geleugnet.
Auch Grüne und CDU-Abgeordnete Sekmen üben Kritik
Am Donnerstag bezeichnen auch Mannheims Grüne, denen auch der DIG-Vorsitzende und Stadtrat Chris Rihm angehört, Thunbergs Besuch als „ausgesprochen kritisch“, wie es heißt. „Mannheim wird hier instrumentalisiert, um komplexe Konflikte auf eine Weise darzustellen, die unserer Stadt nicht gerecht wird - eine Stadt, die für Vielfalt, Dialog und ein friedliches Miteinander steht“, teilen die Sprecherinnen Tamara Beckh und Ines Joneleit mit. Die Fraktionschefinnen Gabriele Baier und Nina Wellenreuther halten indes eine „klare Positionierung“ Thunbergs „gegen Hass und Antisemitismus in solchen Kontexten“ für „unerlässlich“. Thunberg galt lange als Galionsfigur der internationalen Klimaschutzbewegung.
Auch CDU-Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen reiht sich am Donnerstag in die Kritik ein. Wie berichtet, hatte tags zuvor bereits die Junge Union Baden-Württemberg ein Verbot der Veranstaltung gefordert. Sekmen kritisiert nun, Thunbergs Auftritt fördere nicht den Frieden und vermische stattdessen auf „aggressive Art und Weise“ zwei Themen, die nichts miteinander zu tun hätten: Klimaschutz und der Konflikt zwischen Israel und Hamas. „Diese Verknüpfung ist weder logisch noch zielführend - es geht offensichtlich nur darum, ihre Popularität als ,Fridays for Future’-Aktivistin für antiisraelische Propaganda zu instrumentalisieren“, sagte Sekmen.
Mannheims Oberbürgermeister appelliert: "Seien Sie sich der Verantwortung bewusst"
Der Freundeskreis Weinheim - Ramat Gan (eine israelische Partnerstadt) kritisierte am Donnerstag die Besetzung des Podiums. „Mannheim gilt inzwischen als Hotspot israelfeindlicher Aktivitäten in unserem Land“, hieß es im Schreiben des Vorsitzenden Albrecht Lohrbächer. „Ich schäme mich vor meinen israelischen Freunden, denen ich leider nicht (mehr) versichern kann, dass sie uns unbehelligt besuchen können. Mannheim gehörte immer zu ihren bevorzugten Zielen!“
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) kritisierte am Donnerstagabend, dass von propalästinensischen Demonstrationen in der Vergangenheit "immer wieder widerwärtige und menschenverachtende judenfeindliche Äußerungen ausgegangen" seien. "Alle Formen von Antisemitismus, auch wenn sie in Gestalt der Dämonisierung des Staates Israel skandiert werden, finden unsere schärfste Verurteilung", sagte der CDU-Politiker. Jüdinnen und Juden seien "selbstverständlicher Teil" der Stadtgesellschaft und man sei sich bewusst, dass der Staat Israel für Jüdinnen und Juden in aller Welt gerade in Zeiten zunehmenden Antisemitismus' eine sichere Heimat sei. "Daher betrachten wir das Infragestellen des Staates Israel als einen weiteren, nicht zu akzeptierenden Versuch, Angst unter Jüdinnen und Juden zu verbreiten."
Specht appellierte "an alle", die an Demonstrationen oder anderen öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen: "Seien Sie sich der Verantwortung bewusst, die mit dem öffentlichen Diskurs einhergeht, damit die Grenze zwischen legitimer Meinungsäußerung und der Verbreitung von Hass oder Hetze nicht überschritten wird." Antisemitismus und jede andere Form von Extremismus dürften in Mannheim keinen Platz haben. "Hass, Hetze und Antisemitismus widersprechen zutiefst der Mannheimer Erklärung, die für Frieden, Vielfalt und gegenseitigen Respekt steht. Zwar schützt die Meinungsfreiheit Kritik an politischen Entwicklungen oder Regierungen, doch sie darf niemals in antisemitische Äußerungen oder Taten münden", erklärte er.
Organisationen: Antisemitismus-Vorwürfe "haltlos"
Zaytouna wehrt sich am Donnerstag gegen die Kritik. Antisemitismus-Vorwürfe gegen Thunberg und die Gruppe seien „haltlos“ und „gezielte Versuche“, propalästinensisches Engagement zu „delegitimieren“, heißt es auf Sozialen Medien. Die Gruppe wirft ihrerseits Kritikern vor, Hass und Hetze zu schüren und den Begriff „Antisemitismus“ ad absurdum zu führen.
Thunbergs Wirken stehe im Einklang mit dem Thema der Veranstaltung „Keine Klimagerechtigkeit ohne Gerechtigkeit für Palästina“. Mit ihrem Engagement unterstreiche sie Zusammenhänge zwischen sozialer, ökologischer und politischer Gerechtigkeit, hieß es. „Die Versuche, sie durch die Verzerrung ihrer Anliegen zu verunglimpfen, verdeutlichen nur, wie weit manche gehen, um Diskussionen über Palästina zu unterdrücken“, kritisiert die Gruppe in der Stellungnahme, in der sie Israel ethnische Säuberungen, Kriegsverbrechen sowie einen Genozid in Gaza vorwirft.
Die Versammlungsbehörde rechnete unter der Woche mit etwa 200 Personen, die an der Kundgebung teilnehmen. Dies hatten die Organisatoren bei der Anmeldung angekündigt. Eine Sprecherin der Polizei indes ließ am Donnerstag nicht nur Fragen zum erwarteten Ablauf, sondern auch zur erwarteten Sicherheitslage offen. Das Kooperationsgespräch zwischen Behörden und Veranstalter stand dem Vernehmen nach noch aus.
Mannheim zentraler Schauplatz von Palästina-Protesten
Laut einem Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) ist Mannheim neben Stuttgart, Ulm und Freiburg ein „zentraler Schauplatz“ des propalästinensischen Protestgeschehens im Land. Die Behörde beobachtet auch für Freitag eine „überregionale Mobilisierung“ propalästinensischer Gruppen. Unter anderem soll „Palästina spricht“ im Raum Stuttgart dafür werben. Die Stuttgarter Sektion von „Palästina spricht“ stuft der Verfassungsschutz im Land als „säkulare extremistische propalästinensische Bestrebung“ ein und beobachtet sie, erklärt der Sprecher dieser Redaktion.
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Derartige Bestrebungen würden im Land mit „zunehmend antisemitischen Positionen und Propaganda auffallen“, wie der Leugnung vom Existenzrecht Israels, erklärt der Sprecher weiter. Dies ist zuletzt auch immer häufiger in Mannheim der Fall gewesen. Der Sprecher schränkt aber ein: „Im propalästinensischen Protestgeschehen in Baden-Württemberg sind Extremisten in der Minderheit.“ Auch werden die Gruppierungen, die maßgeblich für die Organisation der Diskussion am Freitagabend verantwortlich sind, darunter Zaytouna und Free Palestine Mannheim, nicht beobachtet.
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